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Standpunkt: Wir brauchen alle Kinder!

Susanne Spröer3. Dezember 2013

Auch wenn Deutschland bei Pisa wieder nach oben geklettert ist: Noch immer hängt Bildungserfolg stark von der Herkunft ab. Das muss sich ändern, meint Susanne Spröer. Denn Deutschland kann auf kein Kind verzichten.

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In der Grundschule sitzen Mike und Murat, Aylin und Abdulkadir, Jonas und Julia gemeinsam in einer Klasse. Im Gymnasium sind nur noch wenige Kinder mit ausländisch klingenden Namen dabei. Typisch für die deutsche Schullandschaft: Akademikerkinder gehen wie ihre Eltern aufs Gymnasium und machen Abitur, Kinder aus sozial schwachen oder bildungsfernen Familien schaffen es oft nicht. Zu viele Schüler verlassen die Schule sogar ganz ohne Abschluss: zwischen sechs und sieben Prozent, darunter besonders viele Kinder mit Migrationshintergrund. Das mag wenig sein im internationalen Vergleich. Für ein wirtschaftlich erfolgreiches und wohlhabendes Land wie Deutschland ist es trotzdem zu viel.

Susanne Spröer , Leiterin Kultur Hintergrund der Deutschen Welle (Foto: DW/Per Henriksen)
Susanne SpröerBild: DW

Ein Grund für diese Ungerechtigkeit ist das dreigliedrige Schulsystem, das Kinder in fast allen Bundesländern mit kaum zehn Jahren aussortiert wie die Erbsen im Märchen vom Aschenputtel: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Gute Noten: Gymnasium. Mittlerer Notendurchschnitt: Realschule. Der Rest: Hauptschule – und damit kaum eine Chance auf Karriere und sozialen Aufstieg. Eine brutale Auslese, die schon Grundschüler zu Versagern abstempelt.

Das ist nicht bloß kalt und herzlos. Sondern auch ökonomisch fahrlässig. Denn die moderne Wirtschaft hat kaum noch Jobs für Hilfsarbeiter und Ungelernte. Stattdessen braucht sie immer mehr gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte. Nicht jedes Kind muss Abitur machen – aber so wenige wie möglich sollten ganz ohne Abschluss dastehen. Denn in Deutschland werden immer weniger Kinder geboren. Wir können es uns gar nicht leisten, so viele von ihnen links liegen zu lassen. Alle Kinder werden gebraucht, nicht nur die, deren Eltern den Nachwuchs zur Not auf teuren Privatschulen für die Zukunft fit machen können.

Denn Privatschulen boomen in Deutschland, weil sie viele Rezepte für erfolgreiches Lernen praktisch umsetzen: Kleine Klassen und individuelle Betreuung. Selbständiges Lernen statt Frontalunterricht. Engagierte Lehrer, die begeistern können.

Doch Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein. Schulen, in denen Kinder ihre Fähigkeiten entfalten können, in denen sie länger mit- und voneinander lernen, in denen Lehrer und Schüler sich respektvoll begegnen, sollten selbstverständlich sein für alle Kinder - für Jonas und Julia wie für Murat und Aylin. Deshalb dürfen sich die Bildungspolitiker der Länder jetzt auch nicht auf dem guten Abschneiden bei der aktuellen PISA-Studie ausruhen. Im Gegenteil. Das wichtigste Bildungsziel – Chancengleichheit für alle – ist noch lange nicht erreicht.