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Starkes Börsendebüt für Japan Post

Martin Fritz (aus Tokio)4. November 2015

Der Börsengang der Japan Post und ihrer beiden Finanztöchter ist mit hohen Kurssprüngen bei der Erstnotierung in Tokio gelungen. Die weltweit größte Erstemission für 2015 ist auch ein Erfolg von Premier Shinzo Abe.

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Firmenlogo der Japan Post. (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Y. Shino

Die Anteile von Japan Post Holdings verteuerten sich zum Handelsschluss um 26 Prozent zum Ausgabepreis. Die Papiere der "Japan Post Bank" gingen mit einem Aufschlag von 15 Prozent aus dem Handel. Am meisten gefragt waren die Titel der "Japan Post Insurance", die um 56 Prozent in die Höhe sprangen.

Mit einer Einnahme von 1,44 Billionen Yen (umngerechnet 10,5 Milliarden Euro) für den Staat ist diese Erstemission auch die größte in Japan seit Jahrzehnten. Nur die Börsengänge des Telekomriesen "Nippon Telegraph and Telephone" (NTT) 1987 und des Mobilfunkers "NTT Docomo" 1998 waren größer.

Die roten Postautos dürfen überall parken und sogar gegen Einbahnstraßen fahren. (Foto: Reuters)
Die roten Postautos dürfen überall parken und sogar gegen Einbahnstraßen fahrenBild: Reuters/I. Kato

Politischer Schnäppchenpreis

Die Emissionspreise wurden zwar am oberen Ende der Ausgabespanne festgelegt. Aber im Vergleich zu anderen Finanzwerten waren die Postaktien trotzdem günstig bewertet. Dieses Schnäppchen-Angebot war politisch gewollt. Im Rahmen ihrer als "Abenomics" bezeichneten Wirtschaftspolitik will die Regierung von Premierminister Shinzo Abe eine neue Aktienkultur schaffen. Die privaten Vermögen der Japaner in Höhe von 1,7 Billiarden Yen (12,9 Billionen Euro) stecken nur zu 11 Prozent in Aktien. In Europa beträgt dieser Anteil 18 Prozent und in den USA 34 Prozent.

In den 15 Jahren der Deflation waren Bargeld und Tagesgeldkonten in Japan eine gute Anlagestrategie, die bei einem Erfolg der angestrebten Inflationierung jedoch geändert werden muss. Daher wurden rund 75 Prozent der Postaktien Privatanlegern in Japan über gleich 61 Brokerhäuser angeboten. Nur 20 Prozent waren für Ausländer reserviert. Die japanischen Aktienzeichner haben vor allem wegen der Verdopplung der Dividende zugegriffen. Dazu kam die Hoffnung auf Kursgewinne durch die hohe Nachfrage nach den Aktien.

Japans Ex-Premierminister Koizumi wollte die Bank vor zwölf Jahren privatisieren. (Foto: AP)
Japans Ex-Premierminister Koizumi wollte die Bank vor zwölf Jahren privatisierenBild: AP

Richtungskämpfe um die Post

Der Privatisierung der Post war ein langer Richtungskampf vorausgegangen. Denn mit 240.000 Mitarbeitern - mit Teilzeitkräften sogar 400.000 - ist die 144 Jahre alte Post einer der größten Arbeitgeber von Japan. Mit 24.500 Filialen verfügt sie über fast doppelt so viele Schalter wie alle 116 Banken mit 13.800 Filialen zusammen. Die Postbank ist das größte Geldinstitut. Die Postversicherung hat mit 34 Millionen Stück die meisten Lebensversicherungen ausgegeben.

Den Vorstoß für eine Privatisierung begründete der damalige Premierminister Junichiro Koizumi vor zwölf Jahren damit, mehr Eigenverantwortung in der Wirtschaft zu erzeugen und die Verschwendung von Steuergeldern zu bremsen. Bis dahin dienten die Sparguthaben der Post als eine Art Schattenhaushalt. Damit finanzierten die meist regierenden Liberaldemokraten große Konjunkturprogramme und sicherten sich Wählerstimmen. Zudem diente die Post als Wahlmaschine: Die Vorsteher der Postämter auf dem Lande mobilisierten die Wähler an die Urnen.

Verwässerung der Postreform

Im Streit mit seiner Partei löste Koizumi 2005 das Parlament auf und gewann die Wahl zur Durchsetzung der Privatisierung. Danach wurde sein Vorhaben jedoch verwässert. Die Post ist nun von Gesetzes wegen gezwungen, den ländlichen Raum zu versorgen, und wird daher künftig kaum eine Filiale schließen können. Zudem dürfen nur maximal zwei Drittel der Anteile verkauft werden. Der Staat behält eine Sperrminorität, um weiter politischen Einfluss auszuüben. Diese Einschränkungen erklären auch, warum der Börsengang der Post jetzt so glatt über die Bühne ging.

Aber es bleiben Streitpunkte. Um die Nachfolge des 79-jährigen Post-Präsidenten Taizo Nishimuro wird hinter den Kulissen gerungen. Unsicherheit herrscht über den Geschäftskurs. Knapp 40 Prozent der Einnahmen dienen der Finanzierung von Wiederaufbaukosten in den Tsunami-Gebieten. Das übrige Kapital soll offenbar die Post für den Wettbewerb stärken. Der Briefdienst scheint nun ein Logistikunternehmen werden zu wollen. Auf eine Auslandsexpansion deutet der im Mai abgeschlossene Zukauf des australischen Logistikers Toll für 4,5 Milliarden Euro hin. Private Paketdienste in Japan wie Yamato befürchten schon einen Preiskrieg, zumal Postautos überall parken und sogar gegen Einbahnstraßen fahren dürfen.

Um die Nachfolge des 79-jährigen Post-Präsidenten Taizo Nishimuro (Mitte) wird hinter den Kulissen gerungen. (Foto: Reuters)
Um die Nachfolge des 79-jährigen Post-Präsidenten Taizo Nishimuro (Mitte) wird hinter den Kulissen gerungenBild: Reuters/T. Hanai

Angst der privaten Geldinstitute

Die Postbank hat bereits beantragt, auch Hypotheken- und Firmenkredite vergeben zu dürfen. Das würde den Geschäftsbanken das Leben schwermachen. Außerdem dringt eine Gruppe von Regierungsabgeordneten auf ein Aus für die Einlagengrenze von 10 Millionen Yen (umgerechnet circa 76.000 Euro) je Postkonto. Darin sehen die Regionalbanken eine Gefahr. Der soeben verkündete Zusammenschluss der japanischen Bankenhäuser Ashikaga und Joyo zum drittgrößten regionalen Kreditgeber ist daher kein Zufall.

Trotz dieser Optionen zweifeln Analysten an den Wachstumschancen der Post. Bisher stammen rund 90 Prozent des Gewinns der "Japan Post Group" von den Bank- und Versicherungsaktivitäten. Auch Investitionen in die Logistik dürften daran wegen der alternden und schrumpfenden Bevölkerung in Japan wenig ändern. Die meisten Zeichner der Emission sehen die Post und ihre Töchter wohl ebenfalls nicht als Wachstumstitel. Sie vertrauen vor allem auf eine anhaltend hohe Dividende. Schließlich will der japanische Staat in den nächsten Jahren weitere 55 Prozent der Post-Holding, Bank und Versicherung verkaufen. Schon die hohen Staatsschulden sprechen dafür, dass dieses Tafelsilber tatsächlich verkauft werden muss.