1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Starre Fronten im Ukraine-Konflikt

17. Januar 2022

Russland und der Westen vertreten nach Ansicht des Kreml weiterhin "völlig gegensätzliche" Positionen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock will Dialog und signalisiert Entschlossenheit.

https://p.dw.com/p/45c1T
Militärübung in Russland
Russische Soldaten bei einer Militärübung in der Nähe zur Grenze der UkraineBild: AP/dpa/picture alliance

Trotz der diplomatischen Krisengespräche über den Ukraine-Konflikt in jüngster Zeit sieht der Kreml keinerlei Annäherung zwischen Russland und dem Westen. In Grundsatzfragen bestünden noch immer "völlig gegensätzliche" Positionen. Dies sei "beunruhigend", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN.

"Das wäre verrückt"

Auf die Frage nach einer möglichen russischen Invasion in der Ukraine antwortete Peskow: "Niemand bedroht irgendjemanden mit einer Militäraktion. Dies wäre verrückt." Wenn die NATO nicht auf die Forderungen des Kreml eingehe, sei Russland aber "bereit, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen".

Der Westen befürchtet angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine, dass Russland nach der Annexion der Krim 2014 derzeit einen Einmarsch im Nachbarland vorbereitet. Dies wird vom Kreml vehement bestritten. Die Regierung in Moskau wehrt sich ihrerseits gegen die Aufnahme weiterer osteuropäischer Länder in die NATO und verlangt eine Garantie, dass die Ukraine niemals Mitglied des westlichen Militärbündnisses wird. Eine entsprechende Zusage wollen die NATO und die USA aber nicht abgeben.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow
Wirbt um Verständnis für Russlands Sorgen: Dmitri PeskowBild: Sefa Karacan/AA/picture alliance

Zu möglichen weiteren Verhandlungen sagte Peskow, Russland wolle "keinen Prozess nur um des Prozesses willen". Man wolle nicht ewig über Meinungsunterschiede diskutieren, sondern fordere die Bereitschaft, "unsere Sorgen zu berücksichtigen".

Die US-Regierung sei auf alle Szenarien vorbereitet, erklärte der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden, Jake Sullivan. Falls Russland an einer diplomatischen Lösung interessiert sei, würden die Vereinigten Staaten diesen Weg "im Gleichschritt mit unseren Verbündeten" beschreiten. Washington sei aber auch zu einer "robusten Antwort" bereit, falls der Konflikt weiter eskalieren sollte und Russland in die Ukraine einmarschiere, betonte Sullivan.

Baerbock besucht Kiew und Moskau

Inmitten der angespannten Situation ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in die Ukraine gereist. In Kiew will sie sich an diesem Montag mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und ihrem Amtskollegen Dmytro Kuleba treffen. Später soll sie nach Russland weiterreisen Für Dienstag ist dann ein Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau geplant.

Baerbock sagte vor ihrer Abreise nach Kiew, sie wolle dort deutlich machen: "Wir führen keine Gespräche über die Ukraine an der Ukraine vorbei." Ihrer Russlandreise schickte sie voraus, Deutschland sei zu ernsthaftem Dialog bereit. "Aber wir können und werden keine Abstriche machen von den Grundprinzipien der Helsinki-Schlussakte, die Europa in den letzten 50 Jahren vor dem Alptraum eines großen Kriegs bewahrt haben. Dazu gehören die territoriale Unverletzlichkeit, die freie Bündniswahl und der Verzicht auf Gewaltandrohung als Mittel der Politik." Man sei entschlossen zu reagieren, wenn Russland stattdessen den Weg der Eskalation gehe, sagte Baerbock.

Außenministerin Annalena Baerbock
Lotet Möglichkeiten zur Annäherung aus: Annalena BaerbockBild: photothek/picture alliance

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), begrüßte die diplomatischen Bemühungen - warnte zugleich aber vor zu großen Zugeständnissen an Russland. "(Präsident) Putin testet aus, wie weit er gehen kann, er führt uns vor und zwingt uns das Narrativ auf, dass wir uns bewegen müssen", sagte Strack-Zimmermann. Der Kreml-Chef verfolge "Großmachtfantasien" und wolle "zurück in die Zeit des Kalten Kriegs". Dies sei nicht akzeptabel.

Einen grundsätzlich andere Sichtweise nahm die rechtsgerichtete AfD-Fraktion ein: Ihr Außenexperte Petr Bystron warnte Baerbock davor, die Lage mit "einseitigen Schuldzuweisungen" an die Adresse Russlands weiter zu verschärfen. Die Außenministerin müsse "den deutschen Einfluss auf die Ukraine nutzen", um hier Verbesserungen zu erreichen, meinte Bystron.

Nord Stream im Fokus

Immer wieder im Fokus steht auch die fertiggebaute und noch nicht in Betrieb genommene Pipeline Nord Stream 2, die russisches Flüssiggas durch die Ostsee auf direktem Wege nach Deutschland bringen soll - vorbei an einer bestehenden Leitung, die auf dem Landweg durch die Ukraine nach Westeuropa führt. "Wir sind zu 100 Prozent sicher, dass Nord Stream 2 den alleinigen Zweck hat, die Ukraine beim Gastransit auszuschalten", sagte der Chef des ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, Juri Vitrenko, der "Süddeutschen Zeitung". Es handele sich bei dem Projekt um eine Vorbereitung für eine russische Invasion: Moskau wolle "sicherstellen, dass dadurch keine negativen Folgen für den Handel mit Europa entstehen".

Infografik Gaspipelines von Russland nach Europa DE

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Pipeline zuletzt als "rein privatwirtschaftliches" und nicht politisches Projekt. Dieser Auffassung widersprachen jedoch Politiker von Seiten seiner Regierung wie der Opposition: Baerbocks Grünen-Parteikollege und Außenexperte Omid Nouripour sagte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: "In dem Augenblick, in dem es eine weitere Aggressionsstufe gibt durch Russland, ist eine sehr sehr große Deutlichkeit da, dass diese Pipeline nicht kommen wird." Auch Roderich Kiesewetter, Außenexperte der größten Oppositionspartei CDU, sagte, im Falle eines Angriffs auf die Ukraine müsse Nord Stream 2 gestoppt werden.

wa/rb/ehl (afp, dpa, rtr)