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Start ins Ungewisse

Marcel Fürstenau aus Gera13. Oktober 2002

Auf dem PDS-Parteitag scheiterten Reform-Sozialisten auf der ganzen Linie. Ein Kommentar von Marcel Fürstenau.

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Mit der Wiederwahl von Parteichefin Gabi Zimmer und der Ausrichtung auf einen schärferen linken Kurs hat sich die postkommunistische Partei des Demokratischen Sozialismus PDS in eine neue schwere Krise manövriert. Noch am Wochenende (12./13.10.02) kündigten prominente Reformer wie die Bundestagsabgeordnete Petra Pau und der bisherige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch der Vorsitzenden die Zusammenarbeit auf.

Drei Wochen hatte die PDS Zeit, sich Gedanken zu machen über die Gründe ihres Scheiterns bei der Bundestagswahl, Lehren zu ziehen aus dem Sturz in die bundespolitische Bedeutungslosigkeit. Nach dem Bundesparteitag in Gera ist klar, dass sie diese Art Galgenfrist für einen personellen und inhaltlichen Neuanfang ungenutzt hat verstreichen lassen. Mit der Wiederwahl Gabi Zimmers haben die gut 400 Delegierten unter Beweis gestellt, wie wenig sie von einer Kursänderung halten.

Mit knapp 70 Prozent bestätigte die überwiegend ostdeutsche PDS-Basis eine Vorsitzende, die als Motto für ihr Politik-Verständnis das Wort von der "gestaltenden Opposition" vorgibt.

Eine Formulierung, die das ganze Dilemma Gabi Zimmers und ihrer Gefolgschaft zum Ausdruck bringt. Denn unter "gestaltender Opposition" versteht die neue, alte Sozialisten-Chefin je nach Bedarf die Demonstration gegen US-Präsident Bush, das Tolerieren einer Minderheitsregierung - wie es acht Jahre lang in Sachsen-Anhalt praktiziert wurde -, aber auch die Macht-Teilhabe auf Landesebene - wie in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Täte man derlei Dinge nacheinander, immer dann, wenn man die Zeit für gekommen hält, könnte das ja noch Ausdruck eines politischen Reifeprozesses sein. Vergleichbar dem, den die Bündnis-Grünen durchgemacht haben: Von der außerparlamentarischen Protest-Bewegung
hin zur Regierungspartei auf Bundesebene.

Doch die PDS will ausdrücklich alles gleichzeitig tun, ohne ihren Anspruch aufzugeben, die kapitalistische Gesellschaft zu überwinden. Eine Strategie, die in der Theorie einigermaßen logisch erscheinen mag - Wandel durch Annäherung an die ungeliebte Gesellschaftsform gewissermaßen. Im Praxistest allerdings ist ein solches Vorgehen untauglich. Denn Menschen, die Parteien wählen, erwarten von diesen die Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Interessen. Und das funktioniert in einer Demokratie nunmal nur durch Kompromisse.

Sie überhaupt und mehr als früher einzugehen, waren all jene in der PDS bereit, die nach dem Parteitag in Gera zu den Verlierern gehören. Allen voran der ehemalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der ein Jahrzehnt lang - zunächst als Schatzmeister, später als Wahlkampfmanager - das Ziel verfolgte, die PDS regierungsfähig zu machen auch auf Bundesebene. Mit diesem Vorhaben ist Bartsch jetzt endgültig gescheitert. Er reiht sich ein in die immer länger werdende Reihe der verhinderten Reformer, zu der auch der letzte Bundestags-Fraktionchef Roland Claus zählt.

Auf derselben Liste stehen schon die Namen der ehemaligen PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky und Gregor Gysi. So etwas wie eine Ahnengalerie der erfolglosen Reformkräfte. Sie alle sind nicht mehr gegenwärtig in einer Partei, deren Spitzenleute Gabi Zimmer heißen und Uwe Hiksch. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete aus dem fränkischen Coburg ist 1999 von der SPD in die PDS gewechselt. Aus
dem westdeutschen Hinterbänkler ist der neue Bundesgeschäftsführer der ostdeutschen Regionalpartei PDS geworden. Das sagt wohl alles.