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"Die Arabische Liga ordnet sich neu"

Kersten Knipp5. September 2012

Die Arabische Liga steht in Folge der Umbrüche in der arabischen Welt vor großen Veränderungen. Noch seien die neuen Machtverhältnisse aber nicht ganz geklärt, erklärt Nahost-Experte Udo Steinbach im DW-Interview.

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Treffen der Arabischen Liga in Kairo. Im Vordergrund der leere Sessel von Bashar al Assad (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Deutsche Welle: Herr Steinbach, es scheint, als habe sich die Arabische Liga durch die Revolutionen in der Region stark verändert. Wie sehen Sie die jüngste Entwicklung der Liga?

Udo Steinbach: Dass sich die Arabische Liga in die Syrien-Frage eingemischt und schließlich die Mitgliedschaft Syriens in der Liga suspendiert hat, ist eine politische Geste. Sie soll Handlungsfähigkeit dokumentieren. Wenn die Arabische Liga als Organisation gleichwohl folgenlos bleibt, teilt sie diesen Umstand mit anderen, noch renommierteren Institutionen wie den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union, die im Hinblick auf Syrien auch nur Symbolpolitik betreiben. Über diese geht die Arabische Liga nicht hinaus.

Inwieweit hängt der Wandel der Liga denn mit den Veränderungen in der Region zusammen?

Sehr stark. Die Arabische Liga spürt diesen Wandel. Das sieht man etwa an ihrem Vorsitzenden, dem Ägypter Nabil Elaraby. Er ist mit dem autokratischen Regime der Mubarak-Zeit kaum verbunden. Stattdessen ist er der Revolte, der Wandlungsbewegung im eigenen Land verpflichtet. Aber auch die Saudis und Qataris sowie andere Staaten, die den Wandel eigentlich nicht wollen und ihn scheuen, können sich dem Druck nicht vollkommen entgegenstellen. Sie müssen zumindest so tun, als seien sie bereit, hier und da die neuen Kräfte zu unterstützen.

Prof. Dr. Udo Steinbach im Interview (Foto: DW)
Islamwissenschaftler Udo Steinbach sieht die Arabische Liga in einer UmbruchphaseBild: Omar Hairani

Was lässt das für die künftige Entwicklung der Liga vermuten?

Das ist derzeit noch schwer zu sagen. Die bisherige Vormacht war Ägypten. Die ist jetzt zurückgetreten. Dadurch kommt es zu der - fast möchte man sagen: absurden - Situation, dass ein kleiner, aber sehr reicher Staat, das Emirat Katar, nun eine Führungsrolle einzunehmen beginnt. Dies tut es Seite an Seite mit einer anderen Großmacht, nämlich Saudi Arabien. Zugleich ist die Agenda der einzelnen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich. Herr Mursi spricht für die Demokratie, und das ehrt ihn. Andere arabische Regierungen, etwa die Saudis, die Kataris und weitere, wollen zwar ebenfalls den Wandel. Aber sie wollen nicht unbedingt Demokratie. Das birgt gewisse Schwierigkeiten, denn die Machtverhältnisse in der arabischen Liga sind noch nicht völlig neu austariert.

Die Arabische Liga hat sich noch einmal dezidiert zu Syrien geäußert. Der ägyptische Präsident Mursi hat Bashar al-Assad zum Rücktritt aufgefordert. Für wie hoch halten Sie die Wirksamkeit solcher Appelle? Wie hoch ist der Einfluss der Liga auf das Assad-Regime generell?

Der Einfluss der Arabischen Liga in Damaskus liegt bei Null. Bashar al-Assad hört da überhaupt nicht mehr hin. Aus seiner Sicht haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten bedeutendere Kräfte geäußert. Der neue Vermittler der Vereinten Nation und der Arabischen Liga, Lakhdar el-Ibrahimi, hat im Vorfeld seiner Mission ja fast schon das Handtuch geworfen. Und so darf man sicher sein, dass Bashar al-Assad den Äußerungen der Liga-Vertreter nicht das geringste Gewicht beimisst.

Porträt des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad (Foto: AFP)
Unbeeindruckt von den Forderungen aus Kairo: Bashar al-AssadBild: Getty Images

Zugleich hat sich die Liga ja zur Mitgliedschaft Palästinas geäußert. Sie unterstützt den palästinensischen Antrag, als UN-Mitglied anerkannt zu werden. Wie sehen sie diese Entscheidung?

Das wird ein gewisses Gewicht haben. Zunächst einmal stärkt es natürlich die Palästinenser und die palästinensische Führung. Die Internationale Gemeinschaft ist zu weiten Teilen dagegen - so etwa die Vereinigten Staaten und die Mehrheit der europäischen Staaten. So kommt es sehr gelegen, dass die arabische Seite hier Geschlossenheit zeigt und demonstriert, dass sie hinter den Palästinensern steht. Diesen Appell wird man in Berlin, Brüssel, London und Paris, vielleicht sogar in Washington nicht einfach überhören können. Hier haben sich die Araber geäußert, und das kann nicht ganz ohne Wirkung bleiben - auch mit Blick auf den Entscheidungsprozess in Berlin. Die Bundeskanzlerin hatte sich zwar festgelegt, gegen den Antrag zu stimmen. Aber es gibt mittlerweile in unserer politischen Klasse starke Kräfte, die sagen, man müsse mit den Palästinensern den Weg zu dieser vorläufigen Staatlichkeit gehen. So gesehen, halte ich die Äußerung der Arabischen Liga in Sachen Palästina - auch wenn das wiederum nur begrenzt machtvoll ist - für wichtiger und am Ende ergebnisreicher als das, was sie in Richtung Syrien getan hat.

Ein junger Palästinenser vor der Trennmauer zwischen Israel und dem Westjordanland. (Foto: DW)
Die Mauer zwischen Israel und dem palästinensischen Westjordanland.Bild: Diana Hodali

Udo Steinbach ist emeritierter Islamwissenschaftler. Seit Juni 2012 leitet er das Governance Center Middle East/North Africa an der HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance, Berlin.