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Politik

"Der erste wirkliche Wellenschlag in Teheran"

Rahel Klein
26. Februar 2019

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif will seinen Posten räumen. Welche Auswirkungen sein möglicher Rücktritt für Israel und das iranische Atomabkommen hätte, erläutert Nahost-Experte Udo Steinbach im DW-Interview.

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Hassan Rohani Mohammad Javad Zarif Iran
Noch-Außenminister Mohammed Dschawad Sarif (li.) und Präsident Hassan Ruhani (Archivbild)Bild: Irna

Deutsche Welle: Irans Außenminister Mohammed Dschwad Sarif hat im Internet seinen Rücktritt angekündigt, den Präsident Ruhani aber nicht akzeptieren will. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kommentierte dies mit den Worten: "Ein Glück, dass wir ihn los sind". Wieso freut sich Netanjahu so über Sarifs angekündigten Rückzug?

Udo Steinbach: Weil Sarif immer der Mann Irans gegenüber der internationalen Gemeinschaft war. Sarif steht für den Abschluss des Atomabkommens, das ja von Israel, von Netanjahu, radikal bekämpft worden ist. Wenn dieser Mann jetzt zurücktritt, nimmt Netanjahu damit an, dass es zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft über das Atomabkommen kommt und dass die internationale Gemeinschaft damit immer stärker ins israelische und amerikanische Lager gedrückt wird.

Sarif galt immer als das freundliche, das moderate Gesicht des Iran, er ist kein Hardliner. Könnte man da auf israelischer Seite nicht auch froh sein, jemanden wie ihn im Außenministerium zu haben?

Das Problem für die Israelis war ja, dass Sarif der internationalen Gemeinschaft tatsächlich etwas verkauft hat, nämlich das Atomabkommen von iranischer Seite. Und jetzt sehen die Israelis da viel klarere Fronten. Sie sehen langsam, dass im Iran die Hardliner die Macht übernehmen könnten, dass damit die Spannungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft wachsen - auch zwischen Iran und Israel, auch, was das Raketenprogramm betrifft. Israel sieht es so, dass es damit einen sehr viel leichteren Stand hat, eine militante Politik gegenüber Iran durchzusetzen. Das war unter Sarif nur schwer möglich und Netanjahu denkt, das würde jetzt einfacher werden.

Benjamin Netanjahu
Israels Premier Netanjahu: "Ein Glück, dass wir ihn los sind"Bild: picture-alliance/dpa/A. Sultan

Welche Auswirkungen würde es für Israel haben, wenn Sarif wirklich zurücktritt?

Im Augenblick würde ich noch nicht darüber spekulieren, was das für Auswirkungen auf Israel hat. Was wir jetzt sehen, ist der erste wirkliche Wellenschlag in Teheran. Auf die Verschärfung der Sanktionen im November vergangenen Jahres hat es ja noch keine klare Antwort gegeben in Iran - weder innenpolitisch noch außenpolitisch. Und jetzt könnte es in der Tat sein, dass Sarif zurücktritt, weil er befürchtet, dass seine Politik des Ausgleichs mit dem Westen nicht länger akzeptiert wird, dass er befürchtet, dass die Radikalen wieder stärker das Sagen haben könnten. Aber das ist zunächst eine innenpolitische Verwerfung. Inwieweit sich das transformieren wird, das werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Aber insgesamt denke ich tatsächlich, dass die Machtübernahme durch die Hardliner eine Verschärfung der konfrontativen Politik zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft, Iran und Amerika und vor allen Dingen auch Iran und Israel darstellen könnte.

Was bedeutet es für die Zukunft des Atomdeals, wenn sich der Gestalter des Atomabkommens zurückzieht?

Da steht es natürlich nicht allzu gut. Aber die Iraner warten natürlich noch immer ab, was die Europäer tun. Und die Europäer haben etwas sehr Wichtiges getan, als sie eine Art Handelsabkommen geknüpft haben, über das sie weiterhin mit Iran Handel und Wandel treiben können. Das ist nicht unwichtig für die iranische Gesellschaft insgesamt. Jeder, der im Iran der Regierung angehört, muss in Betracht ziehen, dass dieses Abkommen zumindest theoretisch bei einem großen Teil der iranischen Öffentlichkeit positiv angesehen worden ist - auch bei den Moderaten in Iran. Wer auch immer die iranische Politik in den nächsten Monaten gestaltet, wird nicht daran vorbeikommen, dass die Europäer hier sehr viel guten Willen gezeigt haben und dass sie sehr entschlossen waren, sich der militanten amerikanischen und israelischen Politik entgegenzustellen.

Islamforum in Duschanbe Udo Steinbach
Nahost-Experte Udo SteinbachBild: DW

Das heißt, das Atomabkommen wird weiter unter Druck sein, aber es hieße noch nicht das Ende für das Abkommen, wenn Sarif zurücktreten würde.

Genau. Wenn die Radikalen in Teheran allerdings tatsächlich die Dinge übertreiben sollten, wenn der Druck und die Provokationen aus Teheran zu groß werden - sagen wir mal dadurch, dass man weiter im Ausland Oppositionelle verfolgt oder dass man das Raketenprogramm überzieht - dann wäre auch die Position der Europäer geschwächt. Dann wäre die Position der Gemäßigten insgesamt geschwächt. Das könnte dann tatsächlich bedeuten, dass das Atomabkommen auf der Strecke bleibt.

Udo Steinbach ist eremitierter Islamwissenschaftler. Er war unter anderem Leiter des Deutschen Orient-Instituts und Direktor des GIGA-Instituts für Nahoststudien.

Das Interview führte Rahel Klein.