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Steinmeiers Ukraine-Problem

Sven Pöhle20. Dezember 2013

Bereits zu Beginn seiner Amtszeit steht Bundesaußenminister Steinmeier vor einer diplomatischen Herausforderung: dem Richtungsstreit in der Ukraine. In diesem konkurrieren unterschiedliche deutsche Interessen.

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Einem neuen Bundesaußenminister trudeln zu Beginn seiner Amtszeit naturgemäß Einladungen aus vielen Ländern in Haus. So auch dem neuen Chef im Auswärtigen Amt, Frank-Walter Steinmeier, der das Ressort nach seiner Amtszeit von 2005 bis 2009 ein zweites Mal übernimmt. Einer dieser Einladungen will Steinmeier vorerst nicht folgen. Sie kam aus Kiew, vom ukrainischen Oppositionspolitiker Vitali Klitschko.

Klitschko, der in Deutschland vor allem als Schwergewichtsboxer bekannt ist, hatte auf weitere politische Unterstützung aus Deutschland gehofft. "Es wäre ein großartiges Zeichen, wenn Herr Steinmeier auf einer seiner ersten Reisen nach Kiew kommen würde, um auf dem Maidan zu sprechen", schrieb Klitschko in einem Gastkommentar der "Bild"-Zeitung. Steinmeier "wäre der richtige Vermittler in dieser schwierigen Situation."

Diese Rolle lehnte Steinmeier ab. Es mangele nicht an Vermittlern zwischen Regierung und Opposition in der Ukraine, sagte Steinmeier bei seinem Antrittsbesuch in Polen. "Das Problem ist: Es finden keine Entscheidungen statt, die dieses Land aus seiner Zerrissenheit befreien", so Steinmeier.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD, l) steht in Warschau in Polen neben seinem Amtskollegen Radoslaw Sikorski. (Foto: Michael Kappeler/dpa)
Keine deutsche Vermittlung in Kiew: Steinmeier und sein polnischer Amtskollege Radoslaw SikorskiBild: picture-alliance/dpa

Spannungsverhältnis EU – Ukraine - Russland

Steinmeiers Zurückhaltung dürfte vor allem in den vielfältigen, teils schwer miteinander vereinbaren Interessen der deutschen Außenpolitik liegen.

Denn einerseits hat die Bundesregierung ein großes Interesse daran, die Ukraine stärker an die EU zu binden. Dabei könnte es seine guten Beziehungen zu dem zweitgrößten europäischen Flächenstaat nutzen. Denn die Bundesrepublik gehörte zu den ersten Ländern, die die Unabhängigkeit der Ukraine Ende 1991 anerkannten. Bereits 1992 eröffnete Deutschland eine Botschaft in Kiew. Seitdem wurden eine Reihe von Abkommen zwischen beiden Staaten geschlossen, die sich von wirtschaftlicher Zusammenarbeit über Umweltschutz bis zu sicherheitspolitischer Kooperation erstrecken.

Auf der anderen Seite sind auch gute Beziehungen zu Russland ein wichtiges Standbein der deutschen Außenpolitik. Diese könnten durch eine deutliche Positionierung zugunsten der prowestlichen Opposition in der Ukraine belastet werden. Denn während die EU der Ukraine eine Mitgliedschaft in Aussicht stellt, ist Russland daran interessiert, das Nachbarland zur Mitarbeit in einer Zollunion und einer späteren Eurasischen Union an sich zu binden.

Ukrainische "Basar-Ökonomie"

Die Ukraine selbst ist gespalten. Die Bevölkerung im Westen fühlt sich größtenteils europäisch. Im Osten des Landes hingegen tendiert die Mehrheit der Menschen zu Russland. Präsident Viktor Janukowitsch stammt aus der Ostukraine und ist vor allem um ein gutes Verhältnis zum Kreml bemüht. Weite Teile der Opposition plädieren indessen für eine weitere Annäherung an die EU.

Die Ukraine werde in diesem Spannungsverhältnis zerrieben, sagt Ewald Böhlke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Auf der anderen Seite mache sich Janukowitsch die Gegensätze zwischen Russland und der EU aber auch zunutze.

Deal mit Moskau spaltet die Ukraine

Der ukrainische Präsident hatte zuletzt das Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt und mit Russland massive finanzielle Hilfen und Rabatte auf Gaslieferungen für sein kurz vor dem Staatsbankrott stehendes Land ausgehandelt. Zuvor hatte die ukrainische Regierung von der EU finanzielle Unterstützung in Höhe von etwa 20 Milliarden Euro gefordert. "Das ist klassische Basar-Ökonomie", sagt Böhlke. "Ich nehme von beiden Seiten das Beste - das ist seine Hoffnung."

Stille Diplomatie und öffentliche Unterstützung

Aufgabe der deutschen Außenpolitik müsse es nun sein, Gegensätze zwischen Russland und der EU mit diplomatischen Mitteln abzuschwächen, sagt Ewald Böhlke.

Das sieht auch der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder so: "Wir dürfen im Fall der Ukraine nicht den Fehler machen, uns auf eine Entweder-oder-Diskussion einzulassen", sagte Mißfelder. "Gemeinsam mit und nicht gegen Russland müssen wir daran arbeiten, zunächst einen gemeinsamen wirtschaftlichen Raum zu schaffen." Russland müsse aber auch verstehen, dass eine Annäherung der Ukraine an die EU keine Verletzung seiner Interessen darstelle.

In Moskau hatte man zuletzt empfindlich auf den Besuch von Steinmeiers Vorgänger Guido Westerwelle in Kiew reagiert. In seinen letzten Tagen als deutscher Außenminister hatte er die sonst in der Diplomatie übliche Zurückhaltung fallen gelassen: Er zeigte sich in der ukrainischen Hauptstadt inmitten der Menge, die auf dem Maidan für einen pro-europäischen Kurs und gegen die Politik der Regierung demonstrierte. Im Blitzlichtgewitter schüttelte Westerwelle Hände, auch die von Vitali Klitschko. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte Westerwelles Vorgehen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine.

Guido Westerwelle und VitaliKlitschko auf dem Maidan in Kiew (Foto: DW/O. Sawitsky)
Öffentliche Unterstützung: Westerwelle und Oppositionspolitiker Vitali Klitschko auf dem MaidanBild: DW/O. Sawitsky

Etwas überraschend hatte sich auch Steinmeier bereits in seiner Antrittsrede zum Konflikt in der Ukraine positioniert: "Es ist empörend, wie die russische Politik die wirtschaftliche Notlage der Ukraine für sich genutzt hat, um den EU-Assoziierungsvertrag zu verhindern." Auf der anderen Seite müsse man sich von europäischer Seite aber auch fragen, "ob wir nicht gesehen haben, dass es dieses Land überfordert, wenn es sich zwischen Europa und Russland entscheiden muss."

Unterstützung erhält Klitschko "Spiegel Online" zufolge auch aus dem Kanzleramt. Demzufolge will die Merkel-Regierung Klitschko als Gegenkandidat zu Präsident Janukowitsch aufbauen. Zudem schulen die konservative europäische Volkspartei EVP und die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung Udar-Parlamentarier und deren Mitarbeiter.

"Es ist tatsächlich ganz deutlich sichtbar, dass man Klitschko und seine Partei unterstützt", sagt auch Stefan Liebich von der Linkspartei. "Ich finde es in Ordnung, dass sich unsere Stiftungen in die politischen Debatten mit einbringen. Nur sollte man daraus keine Schlussfolgerungen für das Handeln der Außenpolitik der deutschen Regierung ableiten. Da ist schon Neutralität erforderlich." Er gehe davon aus, dass Steinmeier Gespräche mit allen Beteiligten suchen werde - auch mit Russland und der EU.

Einen Anfang dazu machte Steinmeier in Polen, wenn auch nicht als aktiver Vermittler. Nach einem Treffen mit dem polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski regte er an, eine in seiner ersten Amtszeit begonnene Kooperation zwischen dem russischen, polnischen und deutschen Außenminister wiederzubeleben.