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Steuer rauf für Aktienverkauf

Silke Ballweg14. November 2002

Der Finanzminister will die Spekulationssteuer ändern. Gegen die neuen Pläne läuft nicht nur die Wirtschaft Sturm. Dabei gibt es auch in anderen Ländern Spekulationssteuern – nur nicht so hohe.

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Hans Eichel steht mit seinen Plänen ziemlich allein daBild: AP

Im Kapitalgeschäft mit Aktien oder Fonds gab es in Deutschland bisher eine magische Grenze. Sie lautete 365 Tage. Spekulationsgewinne mussten nämlich nur dann versteuert werden, wenn der Zeitraum zwischen An- und Verkauf kürzer als ein Jahr war. Die Gewinne aus längerfristigeren Geschäften hingegen konnten steuerfrei verbucht werden. Diese Politik unterstützte die langfristige Kapitalmarktinvestition und ermunterte jene Sparer, die ihr Geld zum Beispiel für die Altersvorsorge anlegten. Kurzfristige Spekulationsgeschäfte wurden mit dem Einkommensteuersatz belastet und quasi bestraft.

Die Unterscheidung fällt weg

Nun will der Finanzminister diese Unterscheidung aufheben. Nach den Plänen aus Berlin sollen künftig alle Veräußerungsgewinne dem Einkommen zugerechnet werden. Hans Eichel hofft im ersten Jahr nach der Gesetzesänderung auf eine Steuermehreinnahme von rund 250 Millionen Euro, im Jahr 2006 gar auf rund 600 Millionen Euro.

Die Finanzexperten von SPD und Grüne stehen diesen Plänen skeptisch gegenüber. Sie fordern Nachbesserungen. Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel fordert zum Beispiel die Ausdehnung der Spekulationsfrist von bisher einem auf fünf Jahre. Gewinne aus Fonds oder Aktien müssten dann versteuert werden, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren wieder verkauft werden. Damit würden mittelfristige Aktienanlagen zwar besteuert, langfristige Kapitalmarktinvestitionen blieben jedoch geschützt.

Auch im Ausland wird besteuert

Während der letzten Wochen wurde in Deutschland heftig über die Spekulationssteuer diskutiert. Doch auch in anderen Ländern beansprucht der Fiskus einen Gewinnanteil für sich. In den USA beispielsweise werden die Veräußerungsgewinne aus kurzfristigen Kapitalgeschäften, also bis zu zwölf Monaten, zum Einkommen hinzugerechnet und mit der normalen Einkommenssteuer belegt. Gewinne aus längerfristigen Geschäften werden mit einem Steuersatz von 20 Prozent belastet. Nach einer Haltedauer von fünf Jahren sinkt dieser auf 18 Prozent. Anschließend fällt er noch weiter.

Auch in Großbritannien werden die Veräußerungsgewinne dem Einkommen zugerechnet und mit dem Einkommenssteuersatz belegt. Die Spekulationsfrist ist hier auf 24 Monate ausgedehnt. Danach sinkt der Anteil des zu versteuernden Gewinns immer weiter, so dass nach einer Anlagezeit von zehn Jahren nur noch 60 Prozent des Veräußerungsgewinnes zu versteuern sind. Wie in den USA profitieren davon langfristige Anlageformen.

Sorge um den Finanzplatz Deutschland

Die Banken in Deutschland sind mit den Plänen der Regierung höchst unzufrieden. "Aktien sind unabhängig vom Kursniveau das Öl im Getriebe des deutschen Kapitalmarkts", so Thomas Weisgerber, Geschäftsführer Bundesverband deutscher Banken im Gespräch mit DW-WORLD. "Wenn Aktiengewinne besteuert werden sollen, wird Sand in das Getriebe gestreut. Dadurch wird der Finanzplatz Deutschland nachhaltig geschwächt." Die Banken befürchten einen massiven Rückgang im Kapitalmarktgeschäft, wenn die Anleger nicht länger die Vorteile der Steuerfreiheit nutzen könnten.

Steuerpolitische Schieflage

Als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet hingegen Peter Wahl, Mitglied im Koordinierungskreis von attac Deutschland, die Pläne gegenüber DW-WORLD. "Alles was dazu führt, die dramatische Schieflage der Steuerbelastung zu verändern, begrüßen wir erst einmal". Schließlich sei es nicht akzeptabel, dass Arbeitseinkünfte in Deutschland progressiv besteuert würden, während Kapitaleinkünfte zum Teil steuerfrei blieben.

Noch kracht's innerhalb der Koalition

Die Koalitionspartner SPD und Grüne sind sich vorerst uneinig. Entschieden ist laut Scheel noch nichts. Doch neben einer veränderten Spekulationsfrist gibt es einen weiteren strittigen Punkt in Eichels Vorlage: Die rückwirkende Besteuerung von Veräußerungsgewinnen. Denn das würde bedeuten, dass jemand, der vor 20 Jahren in ein Aktienpaket investiert hat und es beispielsweise in zwei Jahren verkaufen möchte, seinen Gewinn nun versteuern müsste. Obwohl ihm vor zwanzig Jahren garantiert worden war, dass er den Gewinn steuerfrei geltend machen könne. Eine solche Maßnahme, vermuten schon jetzt Steuerökonomen, sei letztlich jedoch nicht durchzusetzen. Denn sie widerspreche dem Vertrauensschutz des einzelnen gegenüber dem Staat.