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Politik

Steuertricks schaden dem Süden

31. Januar 2018

Schattenfinanz: Deutschland gehört zu den Ländern, in denen Schwarzgeld am leichtesten versteckt und gewaschen werden kann - und bereitet damit nicht nur sich selbst, sondern auch den Entwicklungsländern Probleme.

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Symbolbild Korruption Bestechung
Bild: Colourbox/Erwin Wodicka

In Deutschland können ausländische Diktatoren ihr von der Bevölkerung gestohlenes Geld verstecken und Mafia-Organisationen ihr Vermögen reinwaschen - so lautet das Ergebnis eines Berichts des Netzwerkes Steuergerechtigkeit, eines Berliner Netzes von Nichtregierungsorganisationen. Auf dem sogenannten Schattenfinanzindex des Netzwerkes belegt die Bundesrepublik Platz sieben - und steht damit noch etwas schlechter da als noch vor zwei Jahren: Damals landete Deutschland auf Platz acht.

Insgesamt wurden 112 Länder und Territorien untersucht. Ermittelt wurde, wie gut man in einem Land Immobilien-, Geld- oder Firmenbesitz verschleiern kann. Dabei wurden unter anderem Gesetze oder Regulierungen des Landes untersucht. Dieser Wert wurde mit dem Anteil eines Staates am internationalen Finanzmarkt gewichtet. Angeführt wird das Ranking von der Schweiz, laut dem Bericht die "Mutter aller Steueroasen". Es folgen die USA, die Cayman-Inseln, Hongkong und Singapur. Deutschland liegt bei der Geheimhaltung zwar nur im Mittelfeld. Aber da es zu den wichtigsten Finanzplätzen der Welt gehört, richtet auch die deutsche Schattenfinanz hohe Schäden an.

Investieren im Dunkelfeld

"Wir haben in Deutschland ein riesiges Dunkelfeld. Ich würde schon fast von einem Schweigekartell in der Politik sprechen, was die hier liegenden Gelder von ausländischen Diktatoren angeht", erklärt Markus Meinzer, Projektleiter des Schattenfinanzindexes, der DW. So hätten zum Beispiel Kameruns Präsident Paul Biya, der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein und der ehemalige libysche Diktator Muammar al-Gaddafi in der Bundesrepublik Gelder versteckt.

Markus Meinzer
Meinzer: "Ausländische Kleptokraten angelockt" Bild: Privat

Dies sei zum einen möglich, weil es kein öffentliches zentrales Immobilienregister gebe, kritisiert Meinzer. "Das lockt ausländische Kleptokraten an, ihre Gelder in deutschen Immobilien zu verstecken." Zum anderen gebe es Schlupflöcher im Transparenzregister, das Deutschland aufgrund von EU-Vorgaben eingeführt hatte. Zwar müssten Unternehmen nun ihre wahren Eigentümer bekannt geben. Doch in Deutschland sei es noch immer einfach, Briefkastenfirmen zu gründen. Wer zwei Briefkastenfirmen zwischen die deutsche Firma und den ausländischen Eigentümer schalte, könne anonym bleiben. Denn die Pflicht zur Eintragung im Register erlösche damit unter Umständen. "Das ist vergleichbar mit einem Bankräuber, der keiner Strafverfolgung ausgesetzt ist, weil er sich eines Fluchtautos bedient hat", sagt Meinzer.

Wenig Aufsehen erregen 

Besonders die Länder im Globalen Süden, die Entwicklungs- und Schwellenländer, leiden unter den illegalen Geldströmen. Ihnen entgingen Steuereinnahmen von 100 bis 200 Milliarden US-Dollar jährlich, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) für das Jahr 2015 schätzte. Angesichts der eher niedrigen Steuersätze gehen den Ländern prozentual sogar noch mehr Gelder verloren als den reicheren OECD-Ländern. Dafür sind mehrere Probleme verantwortlich: Zum einen schafften reiche Geschäftsleute oder Diktatoren Gelder, die durch Veruntreuung erzielt wurden, mit Hilfe von Briefkastenfirmen außer Landes, sagt Meinzer. "Das Geld muss in einem Finanzsystem angelegt werden, in dem es wenig Aussehen erregt und auch in der Masse der dort vorhandenen Gelder nicht weiter auffällt." Ein solches System gebe es auch in Deutschland.

Geldwäsche im Visier

Zum anderen würden im Exportgeschäft Preise manipuliert, erklärt Meinzer. Der Preis für Rohstoffe werde zu niedrig angesetzt, so dass der Gewinn außerhalb des Entwicklungslandes bei einer Briefkasten-Gesellschaft anfällt. Diese verkauft die Rohstoffe dann teuer weiter. Außerdem spiele sich auch die Unternehmensbesteuerung häufig im rechtlichen Graubereich ab. So würden beispielsweise ausländische Konzerne, die Öl exportierten, Scheinkosten gegenrechnen und damit in den Entwicklungsländern den Gewinn schmälern - und damit auch die Steuerlast. 

Wie viel Geld bleibt? 

Dabei übersteigen die Verluste bei den Steuereinnahmen unter Umständen sogar die Summe der Gelder, die für Entwicklungsarbeit aufgewandt werden. Nach Schätzungen des Hilfswerks Misereor, Mitglied im Deutschen Netzwerk Steuergerechtigkeit, seien 2016 etwa 142,6 Milliarden US-Dollar öffentliche Entwicklungsgelder geflossen. Damit ist möglicherweise weniger Hilfe angekommen, als durch die 100 bis 200 Milliarden US-Dollar Steuerverluste verloren gegangen sind. "Wir konterkarieren damit die Anstrengungen der Entwicklungszusammenarbeit, wenn wir nicht effektive Maßnahmen gegen die Steueroptimierung transnationaler Konzerne schaffen", sagt der Misereor-Finanzexperte Klaus Schilder der DW. "Wir brauchen vor allem mehr Transparenz".

Zwar gebe es seit 2014 einen automatischen Informationsaustausch zu den Bilanzzahlen von Unternehmen. Doch die teilnehmenden Länder würden ihre Informationen nur austauschen, wenn die Partnerländer dies auch machten. Viele Länder des Globalen Südens könnten das nicht - hätten aber trotzdem gerne Einblick in die Bilanzen der transnationalen Unternehmen, die in ihren Ländern tätig sind. "Da brauchen wir dringend entwicklungspolitische Nachbesserungen - das heißt: mehr Austausch und Unterstützung beim Ausbau der Steuerbehörden", sagt Schilder. Sonst fürchte er, dass sich die korrupte Elite weiter hinter internationalen Briefkastenfirmen und undurchsichtigen Finanzmärkten verstecke.

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft