1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stichwort: Theologie der Befreiung

Ina Rottscheidt9. Mai 2007

In ihrem Zentrum steht die "Option für die Armen" - das machte die Befreiungstheologie beliebt, vor allem bei den sozialen Randgruppen. Nicht jedoch beim Vatikan.

https://p.dw.com/p/8Irp
Die Armut steht im ZentrumBild: AP

Die Befreiungstheologie ist eine christliche Strömung, die sich seit etwa 1960 vor allem in Lateinamerika, aber auch Südafrika und einigen Ländern Asiens entwickelte. In ihrem Zentrum steht die "Option für die Armen", die von den realen Erfahrungen der Armut, Unterdrückung und einer von Ausbeutung und Ungerechtigkeit geprägten Gesellschaft ausgeht. Erstmalig wurde Theologie nicht mehr als rein universitäres Studienfach, das einer wohlhabenden akademischen Elite vorbehalten war, aufgefasst, sondern als unmittelbar praktische Bibelauslegung der Betroffenen selber.

Architektur Petersdom im Vatikan Jubiläum
Befreiungstheologie: Unbeliebt im VatikanBild: AP

Zu Beginn der 60er Jahre bildeten sich in den armen, meist katholisch geprägten Bevölkerungsschichten ehemaliger europäischer Kolonien vermehrt so genannte "Basisgemeinden". Deren Mitglieder waren meist landlose Bauern, Slumbewohner und Analphabeten, die ihre Alltagsprobleme gemeinsam zu bewältigen versuchten. Hier entstand eine Auslegung der biblischen Botschaft, die diese eng auf die reale Situation ihrer Leser bezog und daraus eine gesellschaftliche Hoffnungsperspektive für sie zu entwickeln versuchte. 1968 in Medellin erhob die gesamte lateinamerikanische Bischofskonferenz die "Option für die Armen" zur Leitlinie ihrer Kirchenpolitik.

Das neue Verständnis von Erlösung als Befreiung führte zu heftigen Kontroversen innerhalb der katholischen Kirche, der katholische Glaube werde politisiert, lautete der Vorwurf. Tatsächlich favorisierten befreiungstheologische Entwürfe meist ein sozialistisches Gesellschaftsmodell, wobei sie sich deutlich gegen die Dominanz von sowjetisch gelenkten Parteien und neuen Diktaturen abgrenzten und die basisdemokratischen und genossenschaftlichen Elemente betonen. Papst Johannes Paul II. setzte sich - etwa durch Versetzung von Priestern, die ihr anhingen, oder durch Ernennung von Gegnern zu Bischöfen - gegen die Befreiungstheologie ein. Ein vom jetzigen Papst Benedikt XVI. formulierter Vorwurf lautete, die Befreiungstheologie mache sich zum Steigbügelhalter von künftigen Diktatoren. 1986 verurteilte der Vatikan die Theologie der Befreiung offiziell als kirchenfeindliche Ideologie.

Oscar Arnulfo Romero
Oscar Romero: 1980 ermordet in San SalvadorBild: AP

Zu den wichtigsten Vertretern der Befreiungstheologie zählen u.a. Gustavo Gutiérrez, ein peruanischer Theologe, der den Begriff 1972 in seiner Schrift "Teología de la liberación" prägte. Weitere sind Helder Camara (Erzbischof von Olinda und Recife) Oscar Arnulfo Romero (ermordeter Bischof von El Salvador), Ernesto Cardenal und Leonardo Boff. Letzterem erteilte die römische Glaubenskongregation 1985 nach der Veröffentlichung seines Buches "Kirche und Macht" ein Rede- und Lehrverbot.