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Die kluge Spende

Steffen Leidel 14. Dezember 2006

An Spenden für Menschen in Not fehlt es nicht, sie sind nur ungleich verteilt. Hilfsorganisationen machen dafür oft die Medien verantwortlich. Doch nicht immer entscheidet die Berichterstattung über den Spendeneingang.

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Chinesin sammelt Spenden (Quelle: AP)
Auf der ganzen Welt wurden Spenden für die Opfer des Tsunami gesammeltBild: AP

17 Milliarden US-Dollar wurden im Jahr 2005 für Opfer von Naturkatastrophen gespendet, mehr als je zuvor. Allein 14 Milliarden davon gingen an die Opfer des Tsunami, heißt es im aktuellen Weltkatastrophenbericht der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung.

Demnach standen für ein Opfer der Tsunami-Katastrophe durchschnittlich 1241 Dollar zur Verfügung, für ein Opfer "vergessener Katastrophen" im Tschad, der Elfenbeinküste, Malawi oder Niger kamen im Schnitt gerade einmal 27 Dollar zusammen, 50 Mal weniger.

Pharisäische Medienschelte

Solche Zahlen rufen bei vielen Kopfschütteln hervor. Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, sprach von riesigen Ungleichheiten, die nicht zu akzeptieren seien. Für die ungleichen Spendeneingänge werden gerne die Medien mitverantwortlich gemacht. Auch der Weltkatastrophenbericht kritisiert, dass Medien ihre Aufmerksamkeit auf einige Krisen beschränkten. Über den amerikanischen Hurrikan "Katrina" sei 40-mal mehr berichtet worden, als über den darauf folgenden Hurrikan "Stan" in Guatemala.

Überschwemmtes Haus. Quelle: AP.
Nach 'Katrina' flossen reichlich SpendenBild: AP

Rupert Neudeck, Gründer der Organisation "Cap Anamur" und Leiter der Initiative "Grünhelme", will die Empörung über die ungerechte Berichterstattung nicht teilen. Er sieht es als "Normalität", dass manche Katastrophen mehr Aufmerksamkeit als andere erhalten. "Ich empfinde das nicht als eine Ungleichheit. Wir würden uns sträflich verhalten, wenn wir alle Katastrophen mit einer Latte vermessen wollten und darauf die Berichterstattung ausrichten würden", sagt Neudeck.

"Ich halte es für pharisäisch, ständig davon zu sprechen, jede Katastrophe muss von den Medien gleich behandelt werden", so Neudeck weiter.

Berichterstattung bringt nicht immer hohe Spenden

Die Formel, viel Berichterstattung führt zu hohen Spendeneinnahmen treffe außerdem nicht immer zu, sagt Christine Decker, zuständig für Spendenwerbung bei Caritas International. Während des Libanon-Konfliktes unterstützte der Fernsehsender ZDF das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, dem neben Caritas International, Unicef, Rotes Kreuz und die Diakonie Katastrophenhilfe angehören. "Das ZDF unterstützte uns mit Spendenaufrufen. Eine Woche lang waren wir in allen Nachrichtensendungen präsent", sagt Decker. Doch die Leute reagierten nicht. Das Ergebnis, enttäuschend: Weniger als eine Million Euro kam zusammen.

Trümmer nach dem Libanon-Krieg. Quelle: AP.
Während des Libanon-Kriegs stießen Spendenaufrufe auf wenig ResonanzBild: AP

Naturkatastrophen sind für Spender in der Regel "attraktiver" als Kriege. "Bei Unglücken handelt es sich um Opfer, die unverschuldet in eine existenzbedrohende Lage gekommen sind". In Kriegssituation ist die Lage für den Laien oft unübersichtlich, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse schwer zu treffen.

Stichwortspenden als Problem

Bei Katastrophen wie dem Tsunami können die Stichwortspenden zu einem Problem werden. Nach der Flutwelle habe es unverhältnismäßig hohe Spendeneingänge gegeben. "Dagegen fehlte uns Geld für den Rest der Krisen in der Welt", erinnert sich Decker. Caritas International entschied damals, rund 20.000 Spender anzurufen. "Wir baten sie um Erlaubnis, die Spenden für andere Zwecke einzusetzen." Rund acht Millionen Euro konnten so in anderen Projekten eingesetzt werden. Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen hatte die Spender damals aufgerufen, von zweckgebundenen Spenden abzusehen.

Aus Sicht der Hilfsorganisation sind Stichwortspenden eher hinderlich. Decker betont jedoch, dass der Spender ein Recht darauf habe, zu wissen, wo seine Spende eingesetzt wird. Dies erhöhe die Glaubwürdigkeit einer Hilfsorganisation. Burkhard Wilke, Leiter des Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) in Berlin, rät bei gewöhnlichen Spenden auf die Zweckbindung zu verzichten. "Einer seriösen Organisation kann ich das Geld auch für einen großen Topf anvertrauen". So könnten auch Projekte unterstützt werden, die sich für öffentlichkeitswirksame Spendenwerbung nicht eignen.

Wichtig sei, dass sich der Spender zuvor von der Glaubwürdigkeit der Organisation überzeuge. Das DZI, eine Art "Spenden-TÜV", listet in seinem neuen Spenden-Almanach 2006/07 223 Organisationen auf, die derzeit mit dem DZI-Spendensiegel um finanzielle Unterstützung werben können. "Sie können sich aber auch einfach den Jahresbericht zuschicken lassen und schauen, ob die Organisation Sie überzeugt", so Wilke. Von Organisationen, die auf mitleiderregende Bilder oder Briefe setzen, um Spenden einzuwerben, sollte man lieber die Finger lassen.