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Gesellschaft

Stille Ostern in Jerusalem

Tania Krämer Jerusalem | Hazem Balousha
10. April 2020

Keine große Via-Dolorosa-Prozession, kein Besuch in der Grabeskirche, virtuelle Gottesdienste: Wegen der Corona-Pandemie bleibt die Jerusalemer Altstadt zu Ostern leer. Von Tania Krämer, Jerusalem.

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Coronavirus Israel Jerusalem Altstadt Palmsonntag Grabeskirche geschlossen
Seit zwei Wochen geschlossen: Die Grabeskirche in JerusalemBild: picture-alliance/AP/A. Shalit

Gottesdienst im Livestream

In wenigen Wochen hat die Corona-Pandemie das Leben in der Stadt, die für viele Gläubige heilig ist, fast zum Stillstand gebracht. Wenn am Karfreitag der Todesstunde Jesu in der Jerusalemer Altstadt gedacht wird, wird es noch stiller werden.

Eigentlich wäre der geschichtsträchtige Ort in der Osterzeit, die zeitgleich mit dem jüdischen Pessah zusammenfällt, voller Besucher aus dem In- und Ausland. In zwei Wochen beginnt zudem der Ramadan, die muslimische Fastenzeit. Doch wegen Corona sind die Heiligen Stätten geschlossen, darunter auch die Grabeskirche, die sonst im Zentrum der Osterfeierlichkeiten steht.

Geschäfte in den Gassen in der Altstadt haben ihre Eisentüren verriegelt. Nur beim Bäcker am Damaskus-Tor hat sich eine kleine Schlange gebildet. Und am einzigen offenen Gemüsestand kaufen Altstadtbewohner etwas schneller als sonst ein. Touristen und Pilger sind keine mehr da, seit Israel die Grenzen weitgehend geschlossen hat.

"Einfach niemand da"

"Wir Jerusalemer haben uns daran gewöhnt, dass wir seit zweitausend Jahren viele Besucher in der Osterzeit willkommen heißen", sagt Arsen Aghazarian über Skype vom armenisch-christlichen Viertel. Aber dieses Jahr sei alles schwierig, es sei einfach niemand da, sagt der junge Mann, der die Altstadt so noch nie erlebt hat.

Jerusalem Via Dolorosa (Leidensweg) an Karfreitag
Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Christliche Pilger in der Via Dolorosa im März 2018Bild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Ostern in Jerusalem: Das sind normalerweise Prozessionen und Feiern der vielen verschiedenen christlichen Gemeinden. Das Fest wird in den meisten Jahren zweimal gefeiert: das katholische Ostern und das orthodoxe Ostern, die sich nach verschiedenen Kalendern richten. Doch wo sich sonst tausende Besucher durch die enge Via Dolorosa mit Holzkreuzen schieben, herrscht momentan Leere.

Gebete gegen die Pandemie

Um gegen Corona vorzugehen, hat die israelische Übergangsregierung in den vergangenen Wochen ihre Beschränkungen immer wieder verschärft. Momentan sind Menschenansammlungen von mehr als zehn Menschen verboten. Einwohner sollen sich nicht mehr als 100 Meter von zuhause aufhalten, und nur noch für das nötigste nach draußen gehen.

Auch christliche und muslimische Religionsführer haben sich  an die Vorgaben angepasst. "Dieses Jahr gibt es Absagen, Verschiebungen und Anpassungen. Es wird die Osterwoche mit den meisten Livestreams", sagt Wadie Abunassar, Medienberater der katholischen Bischöfe in Jerusalem.

"Es wird keine großen Prozessionen draußen geben, auch nicht am Karfreitag auf der Via Dolorosa. Das muss sein, um die Menschen zu schützen." Am Karfreitag soll allenfalls eine limitierte Prozession der Franziskaner stattfinden - aber ohne Publikum). Schon die Palmsonntag-Prozession, sonst der Auftakt der Osterwoche, fand dieses Jahr nicht statt. Stattdessen sprach der katholische Erzbischof Pierbattista Pizzaballa ein Gebet gegen die Pandemie und segnete vom Ölberg aus Jerusalem und die Welt.

Geburtskirche und Grabeskirche geschlossen

Zu Beginn des jüdischen Pessah-Festes, am Sederabend, galt sogar kurzeitig ein generelles Ausgehverbot und in Israel wurde das Reisen zwischen Städten untersagt. Die Botschaft: Alle Feste sollen nur im engsten Kern der Familie stattfinden. Das wird auch an den beiden Osterfesten so sein, wo sich einheimische Christen traditionell im größeren Familienkreis treffen.

"Wir werden dieses Jahr leider zuhause bleiben müssen und werden uns in der Familie über Internet und Smartphone zusammenrufen", sagt Arsen Aghazarian, der der armenisch-christlichen Gemeinde angehört. Am meisten vermisse er, in die Grabeskirche gehen zu können. Die hat ihre Pforte, so wie andere Kirchen auch, schon vor zwei Wochen geschlossen.

Ostergottesdienste und auch die traditionelle Zeremonie des heiligen Feuers zum orthodoxen Osterfest, soll es zwar geben, aber es werden dabei nur wenige Priester anwesend sein. Die Zeremonien sollen live übertragen werden, so dass Gläubige alles von zuhause mitverfolgen können.

Corona-Fall in Bethlehem

Das werden auch die meisten palästinensischen Christen im besetzten Westjordanland und im abgeriegelten Gazastreifen tun müssen. An Ostern hoffen viele auf eine der seltenen Reisegenehmigungen der israelischen Behörden, um an den Osterfeierlichkeiten in Jerusalem teilzunehmen und Verwandtschaft zu besuchen. Doch dieses Jahr denkt keiner ans Reisen.

Auch im besetzten Westjordanland hat die palästinensische Autonomiebehörde eine Ausgangssperre verhängt, um die Pandemie zu bekämpfen. In Bethlehem waren die ersten Corona-Fälle bekannt geworden - seit Anfang März ist deshalb auch die Geburtskirche für Besucher geschlossen.

Im seit über einem Jahrzehnt von Israel abgeriegelten Gazastreifen wird man auch nicht reisen können: "Dieses Ostern wird traurig", sagt Lama Qattan am Telefon in Gaza-Stadt. "In Gaza sind wir schwierige Situationen gewohnt, wir haben mehrere Kriege erlebt, aber das macht wirklich Angst. Man kann noch nicht einmal seine nahen Verwandten und Freunde besuchen", sagt die 33-Jährige, die der kleinen katholischen Gemeinde in Gaza angehört.

Angst in Gaza

Der Übergang nach Israel ist geschlossen, und auch der Grenzübergang mit Ägypten ist nur noch für Rückreisende offen. Wer von dort nach Gaza zurückkehrt, muss zunächst in Quarantäne. Noch sind die offiziellen Infizierten-Zahlen relativ niedrig, aber die Sorge vor einem weitflächigen Ausbruch von Covid 19 ist groß.

In dem dichtbesiedelten Gebiet ist soziale Distanz kaum möglich, und das schwache Gesundheitssystem würde mit der Pandemie kaum fertig werden. Kirchen und Moscheen in Gaza sind bereits seit einiger Zeit geschlossen. Zwar hat die regierende Hamas keine offizielle Ausgangssperre ausgerufen, aber die Menschen sollen möglichst zuhause bleiben.

Auch Lama Qattan geht nur noch selten aus dem Haus. "In Krisenzeiten besucht man sich, oder betet in der Kirche. Aber das geht natürlich jetzt nicht", sagt Qattan. Dafür greift sie zum Telefon, um mit der Familie in Kontakt zu bleiben und beschäftigt ihre zwei Kinder mit dem Bemalen von Ostereiern. "Wir feiern erst wieder, wenn dieser Alptraum zu Ende ist, und beten dafür zu Gott."

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin