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Amnesty verlangt Strafverfahren

Saroja Coelho / Ditscheid, Angelika30. September 2012

Greenpeace und Amnesty International fordern die Untersuchung eines Giftmüll-Skandals in der Elfenbeinküste. Eine Ölfirma soll für den Tod von mindestens 15 Menschen verantwortlich sein.

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Bagger trägt versuchtes Erdreich ab; Trafigura-Giftmüllskandal in der Elfenbeinküste (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In der Nacht vom 20. August 2006 fuhren Lastwagen durch die Hafenstadt Abidjan, um 500 Tonnen hochgiftige Öl-Abfälle verschwinden zu lassen. Der von den Lastern aufsteigende beißende Gestank nach Zwiebeln und verbrannten Autoreifen veranlasste Anwohner, den Zugang zum Müllabladeplatz zu blockieren und die Fahrer dazu zu zwingen, umzudrehen. So wurde der Giftmüll an verschiedenen Orten überall in der Stadt verteilt. Der schwarze Schlamm beinhaltete ein hochgiftiges Gemisch von petrochemikalischen Abfällen und Natronlauge, das mindestens 15 Menschen tötete, weitere 100.000 erkrankten. Die Krankenhäuser von Abidjan meldeten zahlreiche Fälle von Durchfall, Kopfschmerzen, Erbrechen und Nasenbluten, sowie  Verbrennungen von Haut und Lunge. Die Lastwagen gehörten einem Unternehmen, das von der britischen Ölfirma Trafigura beauftragt worden war.

In den letzten drei Jahren haben Amnesty International und Greenpeace die Kranken, Ärzte und Lastwagenfahrer befragt. Am 25. September wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Darin fordern die Autoren die britische Regierung dazu auf, die Machenschaften von Trafigura aufzuklären.

Das Abladen von Giftmüll in Afrika

Der Giftmüll wurde ursprünglich auf hoher See produziert. Trafigura raffinierte Benzin minderer Qualität auf einem Schiff. Dieses fuhr zur Weiterverarbeitung in die Niederlande - aber den Verantwortlichen von Trafigura erschienen die Entsorgungskosten in Europa zu hoch, also ließen sie die Abfälle zurück auf das Schiff pumpen. Es verließ nun die niederländischen Gewässer und fuhr zur Elfenbeinküste, wo eine Firma angeboten hatte, die Abfälle zu einem stark reduzierten Preis zu entsorgen.

Das Containerschiff Probo Koala im Jahr 2006 im Hafen von Tallinn, Estland. (Foto: RAIGO PAJULA/AFP/Getty Images)
Das Containerschiff Probo Koala transportierte Trafiguras Giftmüll von den Niederlanden zur ElfenbeinküsteBild: Raigo Pajula/AFP/Getty Images

Ein niederländisches Gericht verurteilte 2010 Trafigura wegen des illegalen Giftmüllexports in die Elfenbeinküste zu einer Geldstrafe von einer Million Euro. Die Firma hat außerdem etwa einem Drittel der Opfer Entschädigungen gezahlt und eine  Einigung mit der Regierung in Abidjan geschlossen. Aber in ihrem Bericht “Giftige Wahrheit” beklagen Amnesty International und Greenpeace, die Firma sei nie für ihre eigentliche Rolle in dem Skandal zur Verantwortung gezogen worden.

Wie die Leiterin der Afrika-Abteilung von Amnesty International, Audrey Gaughran, der DW in einem Interview sagte, betrifft dies einen der wichtigsten Aspekte des Berichts. "Wenn es sich um Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden handelt, die unterschiedliche Rechtssysteme in mehreren Ländern berühren, und eine multinationale Firma wie Trafigura darin verwickelt ist, muss die Strafverfolgung von mehreren Rechtssystemen eröffnet werden".

In diesem Fall, so Gaughran, wurden die Entscheidungen in Großbritannien getroffen, der Giftmüll von den Niederlanden exportiert, während die Folgen die Elfenbeinküste betrafen. "All diese Länder haben internationale Abmachungen unterschrieben, die zum Ziel haben, genau solche Dinge, zu verhindern - das Abladen von Giftmüll der Industrienationen in Afrika", sagte Gaughran.

Amnesty International und Greenpeace haben außerdem ein von der Elfenbeinküste unterzeichnetes Abkommen in Frage gestellt, wonach Trafigura gegen finanzielle Zusagen weitestgehende Straffreiheit zugestanden wurde. Gaughran erklärte, dass so etwas passieren kann, wenn arme Länder sich in einer Krise befinden und das angebotene Geld dringend benötigen.

Gerichtsverfahren verlangt

In einer der DW zugesandten Stellungnahme bestritt Eric de Turckheim, ein Vorstandsmitglied von Trafigura, jegliche Verantwortung und sagte, der Bericht beinhalte "signifikante Ungenauigkeiten und Fehlinterpretationen." Turckheim beschuldigte Amnesty und Greenpeace, hochkomplizierte juristische Angelegenheiten zu stark vereinfacht und willkürliche Schlüsse gezogen zu haben.

Als Reaktion auf die Forderung von Amnesty, das Immunitätsabkommen einer erneuten Prüfung zu unterziehen, schrieb Turckheim, dass fünf verschiedene Gerichtshöfe diverse Aspekte der Angelegenheit, sowie deren Regelung, bereits überprüft hätten. Dies werte er als Beweis dafür, dass mit der "angemessenen juristischen Korrektheit" gehandelt worden sei. "Viele verschiedene Behörden und Länder waren daran beteiligt, und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass hier Fehler gemacht worden sind, und dass alle Beteiligten es durchaus lieber gesehen hätten, wenn die Dinge anders gehandhabt worden wären", so Turckheim.

Experten in Schutzanzügen beseitigen Giftmüll. (Foto: dpa)
Experten beseitigen Reste des Giftmülls, der in und um Abidjan illegal abgeladen wurde, wie hier in AkuedoBild: picture-alliance/dpa

Volle Aufklärung

In ihrer Untersuchung schreiben Amnesty und Greenpeace, dass keiner der beteiligten Staaten Trafigura gezwungen hätte, Informationen über die Zusammensetzung des Giftmülls und seine Auswirkungen herauszugeben. Gerade das belaste die Opfer in Abidjan besonders, wie die Befragungen gezeigt hätten. "Sie machen sich immer noch Sorgen, ob das Ganze langfristige Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben wird", sagte Gaughran von Amnesty. Ihre Organisation hat die Elfenbeinküste aufgefordert, mit Hilfe der Niederlande und Großbritannien eine Gesundheitsüberwachung der Opfer einzurichten.

Gaughran erklärte, dass Greenpeace und Amnesty Empfehlungen zum Thema Giftmüllentsorgung ausgearbeitet hätten, wobei die Übernahme der vollen Verantwortung gefordert wird, sowie eine enge und effektive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern in Fällen, wo Gesetze missachtet worden sind. Die Regierungen müssten beweisen, dass sie es ernst meinen, "wenn sie davon reden, illegales Entsorgen von Giftmüll über Landesgrenzen verhindern zu wollen".