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Politik

Strande - das Bullerbü der Liberalen

23. August 2017

Strande in Schleswig-Holstein ist eine Hochburg der FDP. Bei Wahlen holt die Partei regelmäßig Rekordergebnisse. Das liegt auch einem der bundesweit bekanntesten Liberalen: dem Haudegen und Vizechef Wolfgang Kubicki.

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Deutschland FDP-Hochburg Strande | Fischereihafen
Bild: DW/V. Witting

Das Himmelreich der Liberalen liegt gleich vor den Toren der Landeshauptstadt Kiel: die Strandidylle Strande; ein 1600-Seelen-Örtchen mit malerischem Fischerhafen. Hier gibt es jede Menge heile Welt und eine FDP, die bei den Landtagswahlen im Mai 30,5 Prozent der Zweitstimmen holte. Eines der besten Ergebnisse bundesweit.

Die FDP will schon seit langem weg vom Image der Partei der Besserverdienenden. Aber hier trifft die Beschreibung aus alten Tagen einfach zu. In dem schicken Küstenort leben überdurchschnittlich viele Anwälte, Ärzte, Akademiker, Besserverdienende; klassisches FDP-Klientel also.

"Wohlhabende Leute, große Häuser"

Im Hafen versucht Fischer Heinz Grikscheit gerade den Fang des Tages an den Mann und die Frau zu bringen und seine Netze zu flicken: "In Strande ist es einfach schön, da kann ich sogar im Bademantel zum Strand laufen", sagt er.

Fischer Heinz Grikscheit
Heinz GrikscheitBild: DW/V. Witting

Und auch Rentner Jens Bodendieck lebt gerne in Strande, merkt aber auch an: "Hier gibt es schon ein besonderes Klientel, relativ wohlhabende Leute, die hier große Häuser haben und wahrscheinlich der Meinung sind, dass ihnen das alles nur zugefallen ist, weil sie so tüchtig sind. " Jens Bodendieck ist also eher kein FDP-Wähler, ganz anders als Fischer Heinz Grikscheit, der bekennt sich offen zu seiner Parteipräferenz: FDP. "Der Herr Kubicki setzt sich hier für die Fischer ein, dann müssen wir den auch wählen. Der kommt auch schon mal zu uns auf den Kahn, und dann werden die Probleme beredet. Von den anderen Parteien haben wir hier noch keinen gesehen."

Der FDP-Erfolg trägt einen Namen: Wolfgang Kubicki

Wolfgang Kubicki
Wolfgang KubickiBild: DW/V. Witting

Wolfgang Kubicki kommt mit offenem Hemd zur Sitzung des FDP-Ortsverbandes Strande. Man trifft sich – es ist so Tradition – im Kaminzimmer des Hotels Acqua. Der frisch gekühlte Weißwein steht schon auf dem Tisch; nachmittags. Wolfgang Kubicki,  stellvertretender Vorsitzender der Bundes-FDP und in Schleswig-Holstein der wohl bekannteste aktive Politiker, ist ganz entspannt. Er heißt hier nur der "Chef".

Seine Frau, die Vorsitzende des Ortsverbandes, der gerade sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert hat, leitet die Sitzung.  Die Juristin Annette Marberth-Kubicki kommt im weißen Polohemd und wird hier nur die "Königin" genannt. Resolut ist sie und selbstbewusst, wie ihre Partei in diesem kleinen Örtchen: immerhin 63 Mitglieder, das jüngste 19 und das älteste 96 Jahre alt. "Eine Krone trage ich nicht", sagt Marberth-Kubicki. Und sie bekennt ganz offen: "Strande ist ein Ort, in denen es vielen sehr gut geht." Die FDP ist hier so etwas wie der Verein der Gut-Laune-Menschen, eine Art politischer Rotary-Club. Regelmäßig veranstaltet die FDP hier den "Ladies-Lunch" oder den "Talk am Meer". Die FDP und die Kubickis passen einfach hier hin. Das Juristenpaar lebt seit 1993 in einem Haus, das von hohen Hecken umgeben ist, gleich am Ortseingang.

Der Bürgermeister ist eigentlich in der falschen Partei

Vom ehrenamtlichen Bürgermeister, Holger Klink, sagen sie bei der FDP: "Der ist einfach zufällig in der falschen Partei." Holger Klink ist nämlich CDU-Mitglied, der immer noch größten Partei im Wahlkreis. Seine Stellvertreterin ist von der SPD. AfD und Grüne spielen in Strande keine Rolle, die Linke sowieso nicht. Stolz spaziert Holger Klink auf dem gerade sanierten Strandboulevard mit freiem Wlan-Empfang entlang.

Holger Klink an einem Strandkorb
Der ehrenamtliche Bürgermeister von Strande, Holger Klink, CDU Bild: DW/V. Witting

Er ist zufrieden mit den Entwicklungen in seinem Örtchen: "Strande ist so etwas wie das Bullerbü der Schriftstellerin Astrid Lindgren. Also ein fantastischer Ort der Zufriedenen, heile Welt einfach." Und so werde hier auch Politik gemacht; eben nach Strander Art: "Wir haben politisch ein sehr nettes Miteinander. Wir diskutieren hier sehr sachorientiert. Und ich glaube, das ist der Schlüssel zum Erfolg, dass keiner auf der Strecke bleibt, und wir alle großen Entscheidungen in der Vergangenheit gemeinsam getroffen haben, nahezu schon einstimmig."

Strande boomt – aber nicht allen gefällt das

Auf 1600 Einwohner kämen 10 Gastronomiebetriebe, ergänzt der Bürgermeister. Die Immobilienpreise seien in den letzten Jahren nahezu explodiert, die Steuereinnahmen des Dorfes auf Rekordniveau. Arbeitslosigkeit und Flüchtlinge gibt es natürlich auch in Strande. Aber Probleme; die fühlen sich hier irgendwie sehr weit weg an. "Und auch deshalb zieht es immer mehr junge Familien nach Strande", sagt Bürgermeister Klink.

Nicht allen Strandern gefällt das. Sie fühlen sich überrollt von einer Zuzugswelle von Fremden, die den Charakter des ehemals verschlafenen Fischerörtchens vollkommen veränderten. Ihre Namen wollen sie aber nicht in einem Artikel lesen. Für Wolfgang Kubicki, den alteingessenen Strander ist das unverständlich: "Die Dinge ändern sich eben", sagt der Liberale lakonisch.

Politjunkie Kubicki will es noch 'mal wissen

Während des Landtagswahlkampfes in Schleswig-Holstein Anfang des Jahres hatte Kubicki vor seinem Haus eine FDP-Flagge gehisst. Keiner in der Gemeinde  hat dem Chef das verboten. Jetzt hat sein Nachbar Flagge gesetzt: Jamaika mit einem Kopf von Bob Marley darin. Die Farben der neuen Landesregierung in Schleswig-Holstein: schwarz, gelb, grün unter der Leitung des CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther. Wolfgang Kubicki leitet weiterhin die FDP-Fraktion im Landtag. Und das schon seit 1996.

Aber der nun 65-jährige ist auf dem Sprung in den Deutschen Bundestag. Wenn die FDP wieder in das Parlament einzieht – und das ist bei Umfragewerten um die acht Prozent mehr als wahrscheinlich -  dann ist der stellvertretende Parteichef Wolfgang Kubicki wieder einmal Bundestagsabgeordneter und vielleicht mehr: "Die Leute haben so ein Gefühl von Mehltau in der Politik der Großen Koalition. Und da kommen die Angebote der FDP einfach gut an." Und auch für den FDP-Ortsverband Strande hat Kubicki ein klares Ziel vor Augen: "Wir wollen 100 Mitglieder erreichen", sagt er verschmitzt.

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online