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Strategische Allianz

25. Februar 2011

Die Plagiatsaffäre um den Verteidigungsminister beherrscht seit Tagen die Schlagzeilen in Deutschland. Das publizistische Echo ist eindeutig: Der Rücktritt ist unausweichlich. Nur eine Zeitung verteidigt Guttenberg.

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Karl-Theodor zu Guttenberg(Foto: AP)
Bild: dapd

Am 16. Februar 2011 berichtete die "Süddeutsche Zeitung" exklusiv über die Ungereimtheiten in Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktor-Arbeit. Der Plagiatsvorwurf war das "Thema des Tages" auf Seite 2 des überregional erscheinenden, meinungsbildenden Blattes.

Tags darauf gingen alle Zeitungen an prominenter Stelle auf den sich anbahnenden Skandal ein. Natürlich konnte auch Europas größtes Boulevard-Blatt das Thema nicht ignorieren, blieb allerdings auffällig zurückhaltend: "Wirbel um seine Doktor-Arbeit" lautete die Überschrift des für "Bild"-Verhältnisse ungewohnt kleinen Artikels auf der Titel-Seite.

Dass die einflussreiche Gazette aus dem konservativen Verlagshaus "Axel Springer" den ins Zwielicht geratenen Minister verteidigen würde, wenn es darauf ankommen sollte, konnte der geneigte Leser auf der nächsten Seite bereits ahnen. Kolumnist Franz-Josef Wagner schrieb unter der Überschrift "Lieber Dr. zu Guttenberg":

"Ich habe keine Ahnung von Doktorarbeiten. Ich flog durchs Abitur und habe nie eine Universität von innen gesehen. Also, ich kann von außen sagen: Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor."

Screenshot der Website von 'bild.de' mit einem Foto von Karl-Theodor zu Guttenberg (Quelle: www.bild.de)
"Bild" verteidigt zu Guttenberg an allen Fronten - in der Print-Ausgabe und auf dem Online-PortalBild: bild.de

Dem Volk aufs Maul geschaut

Franz-Josef Wagner trifft die typische "Bild"-Sprache. Die Blatt-Macher verstehen sich als Anwalt des sogenannten kleinen Mannes. Dem Volk wird aufs Maul geschaut. Und im Falle zu Guttenberg war klar: Der Mann ist beliebt. Wichtiger aber noch: Der Verteidigungsminister hat von Anfang an die Nähe zu "Bild" gesucht. Ob dienstlich oder privat - er fand immer ein offenes Ohr.

Wenn der Politiker einen unangekündigten sogenannten Blitz-Besuch bei der kämpfenden Truppe in Afghanistan absolvierte, gehörten "Bild"-Reporter selbstverständlich zu den wenigen auserwählten Journalisten, die dabei waren. Auch über die Aktivitäten seiner Frau Stefanie, die in Sendungen eines privaten Fernseh-Kanals Jagd auf Pädophile machte, wurde ausführlich berichtet.

"Wir finden ihn gut"

Nikolaus Blome, Leiter des "Bild"-Hauptstadtbüros in Berlin, machte in der TV-Sendung "Hart, aber fair" keinen Hehl aus der Linie seines Hauses. "Richtig ist: Wir haben eine Meinung zu diesem Minister und wir finden ihn gut. Und die Zeile 'Neider, Nörgler, Niederschreiber' ist fast schon Kunst." Mit "Neidern, Nörglern und Niederschreibern" meint "Bild"-Mann Blome auch und vor allem die journalistische Konkurrenz, die unabhängig von der politischen Ausrichtung Guttenberg für nicht mehr tragbar hält.

Scrennshot der Website von 'bild.de' (Quelle: www.bild.de)
Bild: "Für Deutsche ist Guttenberg kein Schwindler." Wirklich nicht?Bild: bild.de

Als sich der Verteidigungsminister im Deutschen Bundestag den kritischen Fragen der Abgeordneten stellen musste, erklärte "Bild" den Tag zum "Guttenberg-Entscheid". Die Leser sollten per Telefon und Fax darüber entscheiden, ob der in die Defensive geratene Minister im Amt verbleiben soll. "Ja, wir stehen zu Guttenberg!" lautete das Ergebnis. In Zahlen: 87 Prozent sprachen sich für ihn aus. Was "Bild" unerwähnt ließ: Auf dem Online-Portal des Blattes hatten schon vorher 55 Prozent der User seinen Rücktritt gefordert.

Freiwilligen-Werbung via "Bild"

Die Allianz zwischen "Bild" und zu Guttenberg war inzwischen auch Thema im Bundestag. Der Sozialdemokrat Hans-Peter Bartels beklagte in der Debatte über den Verteidigungsminister, welche Akzente das Boulevard-Blatt setze. "Wenn die 'Bild'-Zeitung in Riesen-Buchstaben die Sensation meldet, dass der Minister nicht zurücktritt und daneben viel kleiner vom Tod deutscher Soldaten berichtet, dann ist das eine grobe Verzerrung der Maßstäbe", kritisierte Bartels.

Jürgen Trittin (Foto: dpa)
Trittin: "Schmutziger Deal"Bild: picture-alliance/dpa

Als der Bundestag über die anstehende Aussetzung der Wehrpflicht debattierte, ging es erneut um die Rolle Guttenbergs. Um die sich abzeichnenden Nachwuchsprobleme der Truppe in den Griff zu bekommen, sollen im März große Werbe-Anzeigen geschaltet werden. Über die Tatsache an sich mochte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nicht groß lästern, aber über ein anderes Detail. Er finde es "hochinteressant", an wen die Aufträge gehen sollen, mit denen um Freiwillige geworben werde, nämlich ausschließlich an "Bild", "Bild am Sonntag" und "Bild.de". Eine Bundeswehr-Reform, die auf einem "schmutzigen Deal" mit der Springer-Presse beruhe, werde und könne nicht gelingen, wetterte Trittin.

"Soll sich der Mann aufhängen?"

Ein Sprecher des Springer-Konzerns, in dem "Bild" erscheint, wies die Vorwürfe zurück. Einen Zusammenhang zwischen der Berichterstattung über den Minister zu Guttenberg und den Werbemaßnahmen der Bundeswehr herzustellen, sei "absurd und lächerlich".

Derweil verteidigt "Bild"-Kolumnist Wagner den Minister weiter:

"Was soll der Mann für seine Ehre tun? Sich aus dem Fenster stürzen, sich die Pistole an die Stirn setzen, sich im Schlossturm seines Schlosses aufhängen?"

Die Meinungsschlacht über Karl-Theodor zu Guttenberg geht in die nächste Runde. Wer sie gewinnen wird, ist weiter offen.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz