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Amok-Training

Regina Brinkmann23. Februar 2008

Nicht nur Spezialeinheiten der Polizei sollen im Fall einer so genannten "Amoklage" reagieren können, sondern auch Streifenpolizisten. Dafür werden sie in speziellen Seminaren theoretisch und praktisch geschult.

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Foto: Polizei NRW
Drinnen kann der Täter warten. Die Polizisten sind voll konzentiertBild: Polizei NRW

Zwei Beamte nähern sich vorsichtig der Eingangstür. Sie wissen nicht, was sie in dem Bonner Bürohaus erwartet, zu dem sie geschickt wurden. Dort seien Schüsse zu hören. Man müsse von einer Amoklage ausgehen, wird ihnen per Funkspruch mitgeteilt.

Eine Ausnahmesituation, die ihre Trainer Klemens Stöcker und Olaf Krüger in dem leer stehenden Bürogebäude so realistisch wie möglich nachstellen wollen. Dafür haben sie die Räume herrichten lassen: Auf dem Boden liegen Puppen mit angemalten Wunden, die Geräuschkulisse ist aggressiv. Aus einer Musikanlage im Treppenhaus dröhnen Schreie und Schüsse. "Hauptsache, es ist laut, damit die Kollegen abgelenkt werden und dadurch zusätzlich Stress aufgebaut wird," sagt Stöcker.

Eine Frau stürmt auf Polizisten zu

Foto: Polizei NRW
Helm auf: Der Kopfschutz kann das Leben rettenBild: Polizei NRW

Stockwerk für Stockwerk durchkämmen die zwei Polizisten mit gezogenen Waffen das Treppenhaus. Sie schießen mit Farbmunition, um ihre Zielsicherheit zu überprüfen. Genauso wichtig ist es, besonnen mit einer Waffe in der Hand zu reagieren. Und das in Situationen wie dieser: Auf der Suche nach dem Amokläufer stürmt plötzlich eine Frau auf die Beamten zu. Eine brenzlige Situation, denn jetzt müssen sie blitzschnell einschätzen, ob da gerade die Täterin flüchtet. Die Frau ist aber unbewaffnet, die Polizisten schicken sie zum Ausgang.

Schüsse und Schreie

Die Schüsse und Schreie führen die Polizisten in die dritte Etage. Zu ihrem Schutz bewegen sie sich Rücken an Rücken. 360 Grad Sicherung heißt das im Fachjargon. Ein Polizist geht voran, der andere folgt ihm rückwärtsgehend. Mit kurzen Anweisungen teilen sie dem Partner mit, was sich gerade in ihrem Blickfeld abspielt. Dann ein Ruf - Täterkontakt: Doch der Mann liegt leblos am Boden, er hat sich selbst getötet. Die Übung ist damit zu Ende.

Nach einer kurzen Pause analysieren Seminarleiter Olaf Krüger und Klemens Stöcker mit den Polizisten und den übrigen Darstellern den Ablauf. Polizeihauptkommissar Alexander Neuhaus ist zufrieden: "Ich hatte den Eindruck, dass wir ausreichend schnell und ausreichend sicher den Weg vom Streifenwagen bis zum Täter überwunden haben."

Konsequenzen nach dem Amoklauf von Erfurt

Stilles Gedenken: 2007 erinnert sich Erfurt der Opfer des Amoklaufs vom 26.4.2002, Quelle: AP
Stilles Gedenken: 2007 erinnert sich Erfurt der Opfer vom 26.4.2002Bild: AP

Sofortiges Einschreiten beim Amoklauf, das müssen jetzt auch normale Polizisten wie Alexander Neuhaus leisten. Dies ist die neue Polizeistrategie nach dem Amoklauf an einem Erfurter Gymnasium im Jahr 2002. Die Streifenpolizisten, die damals zuerst zum Tatort gerufen wurden, riegelten zunächst vorschriftsmäßig das Gebäude ab und warteten auf die Spezialeinheiten. Derweil erschoss der Amokläufer in der Schule 16 Menschen.

Ein tragischer Ausgang, der den Schülern in Emsdetten 2006 glücklicherweise erspart blieb. Die Polizisten drangen damals sofort in die Realschule ein und konnten den Amoktäter stoppen, bevor er ein Blutbad anrichtete. Emsdetten ist auch ein Beispiel dafür, dass die neue Polizeistrategie aufzugehen scheint. Die Beamten gehörten zwar keiner Spezialeinheit an. Sie hatten aber bereits ein Amok-Training hinter sich gebracht.