1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Streit um den Grünen Punkt

Günther Birkenstock9. Juli 2013

Der Grüne Punkt steht seit mehr als 20 Jahren für Mülltrennung. In der EU ist das System längst Vorbild. Jetzt aber wollen die deutschen Kommunen diese Arbeit selbst übernehmen, statt sie privaten Firmen zu überlassen.

https://p.dw.com/p/1942B
Ein Abeiter stapelt gelbe Säcke mit Kunststoff-Abfällen auf eine riesige Halde (Foto: pa/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Schon oft wurde über Sinn und Zweck des Grünen Punkts gestritten. Jetzt fordert der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), das bisherige System der Mülltrennung, Sammlung und Wiederverwertung abzuschaffen. Die deutschen Städte und Gemeinden wollen die Entsorgung und das Recycling lieber selbst übernehmen.

Der Grüne Punkt ist so alt wie die erste deutsche Verpackungsordnung, die 1991 verbindlich wurde. Der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) verpflichtete alle Produzenten und Anbieter, gebrauchte Verpackungen wieder zurückzunehmen. Es ging darum, der wachsenden Müllberge Herr zu werden und die verwertbaren Stoffe aus dem Abfall zurückzugewinnen, statt alles wie bisher auf die Müllkippe zu fahren und in der Erde zu vergraben. Müllverbrennungsanlagen waren zu dieser Zeit noch eine Seltenheit. Die Wiederverwertung von Glas, Papier und Kunststoffen sollte nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch Deutschland weniger abhängig machen von teuren Rohstoffimporten.

Beginn als Monopolist

Kurz bevor die Verpackungsordnung in Kraft trat, gründeten Handel und Konsumgüterbranche das Duale System Deutschland (DSD). Das Unternehmen führte den Grünen Punkt ein, der nun auf Konservendosen, Joghurtbechern und Milchtüten zu finden ist. Hersteller und Vertreiber der Produkte müssen eine Lizenzgebühr zahlen, um das Umweltzeichen auf ihre Waren drucken zu dürfen. Seitdem haben Verbraucher ein neues Hobby: die Mülltrennung.

Zwei Verpackungen tragen den "Grünen Punkt" des Dualen Systems Deutschland (Foto: pa/dpa)
Der Grüne Punkt: Lizenzgebühr für VerpackungenBild: picture-alliance/dpa

Jetzt landet der Verpackungsmüll separiert vom nicht zu verwertenden Restmüll in einer gelben Tonne oder einem gelben Sack beziehungsweise in Glas- und Papiercontainern. Das DSD beauftragt Unternehmen, die Wertstoffe abzuholen. Zunächst hatte das Duale System Deutschland eine Monopolstellung in der Bundesrepublik, dem setzte das Bundeskartellamt im Jahr 2004 aber ein Ende. Inzwischen gibt es zehn Anbieter, die die Entsorgung des Verpackungsmülls organisieren.

Recycling per Gesetz regeln

"Das DSD, das es bei der Einführung der Verpackungsordnung gab, hatte eine Clearing-Funktion, es hat Lizenzgelder eingenommen und Lizenzgelder ausgegeben", sagt Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen, VKU. Dann aber habe das DSD zunehmend eigene wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund gestellt und mache inzwischen hohe Gewinne. Dadurch seien die Qualität des Recyclings auf der Strecke geblieben und die Kosten für die Verbraucher zu hoch.

Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (Foto: Abfallwirtschaftsbetriebe Münster)
Patrick Hasenkamp: "Müllentsorgung sollte nach gesetzlichen Vorgaben geregelt sein"Bild: AWM

Hasenkamp schwebt eine Art Behörde vor, die anstelle des privaten DSD die Müllentsorgung managt. "Wir wollen eine zentrale Stelle ohne diese operative Funktion ausbilden, damit die Entwicklung umgekehrt werden kann", so Hasenkamp im Gespräch mit der Deutschen Welle. Für mehr Recycling sollen nach den Vorstellungen des Verbandes kommunaler Unternehmen gesetzliche Quoten sorgen. Die Müllentsorgung sollte aber auch deshalb neu geregelt werden, weil Stoffe wie Glas, Papier und Metall als Wertstoff bereits einen Markt hätten und nicht über ein Abgabensystem entsorgt werden müssten.

Wettbewerb und Effizienz

DSD-Sprecher Norbert Völl hält die Kritik für unberechtigt. Einem Wirtschaftsunternehmen könne niemand vorwerfen, Gewinn zu machen. Außerdem seien die Kosten für die Bürger durch den Wettbewerb in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Ein Blick nach Frankreich zeige, dass es keineswegs günstiger sei, wenn die Gemeinden für die Entsorgung des Verpackungsmülls verantwortlich seien. "In Frankreich wird weniger Verpackungsmüll eingesammelt, die Kosten sind aber genauso hoch und teilweise höher als in Deutschland, weil es dort keine Effizienzkontrolle und keinen Effizienzzwang gibt." Einen ähnlichen Effekt befürchtet Völl für Deutschland, wenn die Kommunen das Recycling übernehmen.

Eine Frau legt eine Tüte mit Restmüll in eine graue Mülltonne (Foto: pa/dpa)
Mülltrennung in Deutschland: Neues Hobby der VerbraucherBild: picture-alliance/dpa

Grüner Punkt EU-weit vertreten

Für Norbert Völl ist der Erfolg des Grünen Punktes eindeutig. Die Vorgaben der EU-Verpackungsordnung würden in Deutschland deutlich übererfüllt. In kaum einem anderen Land Europas seien Entsorgung und Recycling von Verpackungsmüll so fortgeschritten. "Deutschland ist da ganz klar Vorreiter", betont der DSD-Vertreter.

Eingesetzt wird der Grüne Punkt als Finanzierungszeichen einer ökologischen Entsorgung heute in 26 Ländern Europas - ohne wirtschaftliche Verbindung zum deutschen DSD. Auch in Nicht-EU-Ländern wie der Türkei und Norwegen ist das Symbol vertreten. Die Form der Müllverwertung ist in den Ländern jedoch sehr unterschiedlich. In Großbritannien und Italien wurde der Grüne Punkt nicht eingeführt. "Dort wird in den einzelnen Kommunen entschieden, ob und was gesammelt wird", sagt DSD-Sprecher Völl. Das Resultat seien ausgesprochen niedrige Recycling-Raten, die nur knapp über der EU-Vorgabe lägen.

Norbert Völl, Pressesprecher des Dualen Systems Deutschland (Foto: DSD)
Norbert Völl: "Mit dem Grünen Punkt ist Deutschland Vorreiter in Europa"Bild: DSD

Die Notwendigkeit einer umweltgerechten Abfallentsorgung ist heute unumstritten. Ob sich jedoch die bisherige Mülltrennung durch die Hand der Bürger halten wird, ist fraglich. Inzwischen gebe es Maschinen, die besser und gründlicher sortieren können als der Mensch, ist von Technikern zu hören. Bleibt nur noch die Frage, wer die klugen Maschinen anschafft und füttert, die Kommunen oder private Firmen?