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Streit um EU-Entwicklungsplan für Afrika

3. Dezember 2009

Über 80 Prozent der armen Bevölkerung Afrikas leben auf dem Land. Ihnen will die Europäische Union mit ihrer gemeinsamen Afrika-Strategie helfen. Aber viele Experten halten die EU-Handelspolitik für unfair.

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Markt in Äthiopien (Foto: dpa)
Was bringt ihnen die EU?Bild: picture alliance/kpa

Durch Investitionen in Infrastruktur soll den afrikanischen Staaten ein Weg aus der Armut ermöglicht werden. Ein ambitionierter Entwicklungsplan, der aber durch die unfaire Handelspolitik der Europäer konterkariert wird. Das behaupten zumindest viele Vertreter der europäischen und afrikanischen Zivilgesellschaft. "Die EU sagt, sie will Afrika helfen? Die will nur sich selbst helfen! Das ist die neue Kolonialsprache", sagt Malcom Damon vom Economic Justice Network in Südafrika. Der Ton ist scharf, wenn es um die EU-Afrika-Strategie geht.

Ehrgeizige Ziele

Vor zwei Jahren wurde in Lissabon eine neue strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Afrika ins Leben gerufen. Ein sogenannter Action Plan 2008 - 2010 sollte wichtige Entwicklungsthemen wie demokratische Regierungsführung, Handel und die Verbesserung der Infrastruktur aufgreifen. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe sollte entstehen. Nach Meinung von Zivilgesellschafts-Vertretern sind aber zu wenige Taten gefolgt, die daraus mehr gemacht hätten als reine Absichtserklärungen.

"Armsessel-Wirtschaftspolitik"

Karin Ulmer arbeitet für CONCORD, einen Zusammenschluss europäischer Nicht-Regierungsorganisationen. Für sie geht die europäische Afrika-Strategie vor allem über die Köpfe derer hinweg, für die sie eigentlich gedacht ist – die arme Landbevölkerung. "Wenn 80 Prozent der Bevölkerung im informellen Sektor aktiv ist, der aber gar nicht wirklich angeschaut wird, kann das nicht hinkommen! Das ist 'Armsessel-Wirtschaftspolitik’." Stattdessen solle eine Infrastruktur geschaffen werden, die auch die lokalen Märkte mit einschließt und den informellen mit einbezieht. "Und auch für kleinen Unternehmen müssen Kapazitäten gebildet werden, damit die auch eine Chance hätten, über die lokalen Märkte an die nationalen und regionalen Märkte zu kommen", sagt Karin Ulmer.

Bildgalerie Ursachen von Armut: Welthandel
Zugang zu Märkten für alle?Bild: picture alliance/dpa

Keine Lösung für AKP-Staaten

Vor allem beim Thema Handelspolitik erhitzen sich die Gemüter. Denn parallel zum Action Plan für Afrika setzt Europa auf eine Wirtschaftsliberalisierung der sogenannten AKP-Staaten, also der Länder aus Subsahara-Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum. Durch regionale Freihandelsabkommen, den sogenannten Economic Partnership Agreements oder kurz EPAs, sollen die Märkte dieser Länder geöffnet werden. Eigentlich sollten diese Verhandlungen schon längst abgeschlossen sein. Für den Großteil der AKP-Staaten wurden aber noch keine Lösungen gefunden oder nur Übergangsabkommen abgeschlossen. Trotzdem wird das Thema bei der Entwicklungspartnerschaft ausgeklammert. Für Karin Ulmer gehörte dies aber unbedingt mit zu einer ehrlichen und umfassenden Diskussion. "In der jetzigen Joint Africa Strategy ist EPA ein Tabu. Das heißt, es ist nicht Teil der Debatte. Solange die Handelsabkommen, die die EU mit den afrikanischen Staaten verhandelt, nicht Teil von dieser Partnerschaft sind, ist es schwierig zu sagen, dass da Fortschritte gemacht werden."

Harte Konkurrenz aus Europa

Milch auf dem Fließband (Foto: AP)
Milch aus Europa ist oft billiger als die einheimische MilchBild: AP

Kritiker befürchten, dass die Freihandelsabkommen gerade für die Landbevölkerung in Afrika problematisch sind. Lokale Märkte und landwirtschaftliche Produkte könnten nicht mehr mit den zum Teil hoch subventionierten und deshalb billigen Importen aus der EU konkurrieren. Für Roelof Plijter von der Europäischen Kommission führt aber kein Weg an diesen Handelsabkommen vorbei. Die bisherigen Regelungen sahen vor, den AKP-Staaten einen einseitigen, bevorzugten Zugang zum EU-Markt zu ermöglichen. Das sei aber mit internationalen Handelsvorschriften nicht vereinbar.

Auch die Kritik, dass Europa seine Macht als weltweit größter Geber von Entwicklungsgeldern ausnutze, um so die Freihandelsabkommen durchzudrücken, lässt Kommissionsvertreter Plijter nicht gelten: " Europa hat den Abschluss der EPA-Verträge für die afrikanischen Staaten nie zur Bedingung für die Zahlung von Entwicklungshilfe gemacht. Mit den EPA-Verhandlungen versuchen wir eine neue Beziehung zu Afrika aufzubauen. Eine Beziehung im Interesse der Entwicklung in Afrika und der regionalen Integration."

Hindernisblock EPA-Verträge

Von diesem Einklang von Handelsinteressen und Entwicklungspartnerschaft sind viele Vertreter der Zivilgesellschaft nicht überzeugt. Für Karin Ulmer von CONCORD ist klar, dass die Zivilgesellschaft das Thema gerechte Handelspolitik immer wieder auf den Tisch bringen muss, damit die afrikanischen Belange in Brüssel nicht untergehen. "Wir erwarten von der Europäischen Kommission, dass man sich auch den Tatsachen in den Ländern stellt. Die EPAs sind ein Hinderungsblock. Es müssen politische Lösungen her, die es Afrika ermöglichen, in seinem eigenen Zeitplan, entsprechend seinem eigenen Entwicklungsstand und seiner eigenen politischen Kapazitäten etwas zu entwickeln, was wirklich die Chance hat, der Bevölkerung eine bessere Situation zu verschaffen."

Stand die Zivilgesellschaft mit ihrer Kritik an der Europäischen Kommission bisher auf eher verlorenem Posten, könnte sie bald einen neuen Mitstreiter erhalten. Denn der gerade in Kraft getretene Lissabon-Vertrag hat die Kompetenzen des Europaparlaments bei der Kontrolle der EU-Handelspolitik erheblich gestärkt. Also ein Mehr an demokratischer Mitsprache bei der Afrikapolitik Europas.

Autor: Jan Philipp Scholz

Redaktion: Christine Harjes