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Politik

Illegale Abschiebungen

Jannis Papadimitriou
13. Februar 2020

Das EU-Parlament debattiert über die humanitäre Lage von Flüchtlingen und Migranten an den Außengrenzen Europas. Im Fokus stehen vor allem Griechenland und Kroatien.

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Flüchtlinge in Bosnien und Herzegowina
Unterwegs Richtung EU - Junge Marokkaner im bosnischen Plesevicagebirge. Bild: DW/D. Planert

Ausgerechnet Kroatien - ein Land, das den turnusmäßigen EU-Ratsvorsitz innehat, soll immer wieder Migranten illegal ins Nachbarland Bosnien abgeschoben haben. Der Vorwurf ist nicht neu. Dass einzelne Länder während einer Parlamentsdebatte an den Pranger gestellt werden, gehört in Straßburg allerdings nicht zum guten Ton - es sei denn, ein Rechtsverstoß erscheint so evident, dass man darüber nicht mehr schweigen kann. Genau das sei der Fall, moniert Kostas Arvanitis, EU-Parlamentarier der stärksten griechischen Oppositionspartei Syriza, der in den letzten Monaten sämtliche Flüchtlingslager in Südosteuropa besucht und mit den Betroffenen vor Ort gesprochen hat.

"Hunderte Fälle von gewaltsamen Push-Backs" will der Linkspolitiker dabei festgestellt haben - in Serbien, Kroatien, Rumänien, Ungarn, Bosnien-Herzegowina. "Kroatische Minister sagen, dies seien Fake-News, aber wir haben doch mit unseren eigenen Augen gesehen, dass diese Menschen verzweifelt sind", moniert Arvanitis. Das Gegenteil zu behaupten, sei eine Beleidigung für die EU-Parlamentarier und spiele zudem den Rechtsextremen in die Hände.

Flüchtlinge in Bosnien und Herzegowina
Irgendwo in den bosnischen Plesevica Bergen mitten im Winter. Bild: DW/D. Planert

Es ist ein hoch emotionales Thema. Vielleicht aber auch eine Sache der Definition. Konservative Abgeordnete geben zu bedenken, die Verweigerung der Einreise sei keine illegale Rückweisung, sondern das Recht jedes souveränen Staates. Dennoch halten Linke und Grüne an ihren Vorwürfen fest. Einige von ihnen fordern eine "unabhängige internationale Prüfung" für Kroatien. Push-Backs könnten nicht akzeptiert werden, mahnt EU-Kommissarin Helena Dali, ohne auf einzelne Länder einzugehen.

Staatssekretärin Nikolina Brnjac, die für die kroatische Ratspräsidentschaft spricht, will die Vorwürfe nicht stehen lassen und gibt zu Protokoll, Kroatien würde zu Unrecht der schlechten Behandlung von Migranten beschuldigt. Nach dem Motto lieber spät als nie unterstreicht die kroatische Europapolitikerin Zeljana Zovko die jetzt von Bosnien und Kroatien eingeleiteten Schritte der Zusammenarbeit. Sie zitierte den bosnischen Sicherheitsminister Fahrudin Radoncic, der eingestanden habe, dass "jemand in Bosnien" in den vergangenen drei Jahren die Entwicklung um die Flüchtlingsfrage verschlafen habe. 

Keine Entwarnung für Griechenland

Zum zweiten Mal innerhalb von einem Monat erörtern die EU-Parlamentarier die hoffnungslose Lage der Flüchtlinge und Migranten an den Außengrenzen Europas. Bei der letzten Debatte Ende Januar in Brüssel ging es fast ausschließlich um das Elend auf den griechischen Inseln. Auch an dieser Front gibt es keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil: "Die Situation hat sich noch verschlimmert, jetzt soll auch noch eine schwimmende Grenze gezogen werden", empört sich der grüne Abgeordnete Damian Boeselager, der allerdings auch die Brüsseler Institutionen stärker in die Pflicht nimmt.

Rat und Kommission sollten den schwarzen Peter nicht mehr hin- und herschieben, mahnt der junge Parlamentarier. SPD-Europapolitiker Norbert Neuser plädiert für eine "gemeinsame Konferenz der EU-Kommission, Griechenlands, Kroatiens als Ratspräsidentschaft und der UN", um die Lage auf den griechischen Inseln unter die Lupe zu nehmen. Ausgerechnet Migrationskommissar Margaritis Schinas ist bei der Debatte in Straßburg nicht anwesend - vermutlich aus gutem Grund: Am Mittwoch wollte der EU-Kommissionsvize mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zusammenkommen und ihn von einem neuen europäischen Migrationspakt überzeugen.

Flüchtlinge im Camp Moria auf Lesbos
Flüchtlinge im Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Bild: DW/A. Carassava

Unterdessen tobt in Hellas ein heftiger Streit über die Flüchtlingspolitik. Unlängst hat Regierungschef Kyriakos Mitsotakis seinen Masterplan Migration verkündet, der eine deutliche Verschärfung des Asylrechts vorsieht. Die "Höhle von Moria" auf der Insel Lesbos soll abgeschafft werden - dafür entstehen jedoch neue, geschlossene Anstalten auf mehreren Inseln der östlichen Ägäis. Lokalpolitiker, nicht zuletzt von der regierenden konservativen Partei, laufen Sturm gegen die Anweisungen aus Athen und weigern sich, geeignete Grundstücke für die Errichtung neuer Camps vorzuschlagen.

Anfang dieser Woche drohte Mitsotakis, dann würden geeignete Immobilien eben beschlagnahmt. Der für die Inselpolitik zuständige Minister Jannis Plakiotakis erklärte am Dienstag, die Regierung habe Verständnis für die Reaktionen der Inselbewohner, doch es gehe hier um ein Projekt von nationalem Interesse, das ohne Wenn und Aber umgesetzt würde. Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) ist 2019 in Griechenland die Zahl der illegalen Einreisen über die Türkei auf 74.600 gestiegen. Im Jahr 2018 waren es noch 50.500 Menschen.   

Eine Rüge für die Ewiggestrigen

Nicht zuletzt deshalb erklären Nationalisten in Griechenland die Türkei erneut zum Feindbild. Bei einer Parlamentsdebatte in Brüssel Ende Januar kam es zu einem Eklat: Ioannis Lagos, der mit der rechtsextremen Goldenen Morgenröte nach Brüssel kam, aber mittlerweile die Partei im Streit verlassen musste, zerriss vor laufender Kamera ein Blatt Papier, auf dem die türkische Flagge abgebildet war. Das Athener Außenministerium verurteilte den Auftritt von Lagos. Am Dienstag (11.2.) kam eine Geldstrafe dazu: EU-Parlamentspräsident David Sassoli erklärte in Straßburg, Lagos würde mit einem Bußgeld in Höhe von sieben Tagessätzen belegt; zudem würde er in den nächsten vier Tagen von allen Tätigkeiten des EU-Parlaments ausgeschlossen.