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Streit um South Stream

Alexander Andreev 12. Juni 2014

Bulgarien hat die Arbeiten am russischen Gasleitungsprojekt South Stream vorerst eingestellt und damit dem Druck der EU nachgegeben. Die Entscheidung habe der Regierung in Sofia geschadet, meinen Experten.

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Ein Gazprom-Arbeiter (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Bulgarien ist mitten in einer schweren Regierungskrise: Die Opposition stellte wiederholt Misstrauensanträge gegen Premier Plamen Orescharski, nächste Woche soll ein Termin für vorgezogene Parlamentswahlen festgesetzt werden. Die Probleme der sozialistisch dominierten Regierung hängen nach Ansicht von Experten auch mit dem Pipelineprojekt South Stream zusammen: In der bulgarischen Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, Sofia sei vor dem Westen eingeknickt und würde ein für das eigene Land sehr lukratives Projekt aufgeben.

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche wegen des Pipelineprojekts ein Strafverfahren gegen Bulgarien eingeleitet. Deshalb setzte Sofia die Arbeiten am bulgarischen Abschnitt der Gasleitung vorerst aus. In Brüssel gab es Zweifel, ob die Bauaufträge im Einklang mit dem EU-Recht vergeben worden waren. Der russische Konzern Gazprom kontrolliert nämlich 50 Prozent des gesamten geplanten South-Stream-Netzes, darunter die ganze Rohrleitung in Bulgarien. Das verstößt gegen das sogenannte dritte Energie-Paket der EU: Ein Kernpunkt ist hier die Forderung, die Produktion von Erdgas vom Transport und von der Versorgung von Verbrauchern abzukoppeln, um den Wettbewerb nicht zu verzerren.

Zudem wurde der Bauauftrag in Bulgarien an ein Konsortium um das russische Unternehmen Stroytransgaz vergeben. Die frühere Gazprom-Tochterfirma steht auf der Liste der Unternehmen, die von den US-Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Konflikt betroffen sind. Nach einem Gespräch mit drei US-Senatoren verkündete der bulgarische Premier Plamen Orescharski das Einfrieren der Arbeiten am Projekt South Stream, solange die Bedenken der EU nicht ausgeräumt seien. Gleichzeitig sprachen sich die beiden bulgarischen Regierungsparteien, die Sozialisten von der BSP und die Partei der türkischsprachigen Minderheit DPS für vorgezogene Parlamentswahlen aus - nur ein Jahr nach dem Amtsantritt des Kabinetts von Orescharski.

DEU Die South Stream und Trans-Adriatic Pipelines

Lukratives Geschäft für Bulgarien

Eine Beteiligung an South Stream würde Bulgarien zum einen die Möglichkeit bieten, Rabatte für russisches Erdgas zu bekommen. Zum anderen würde die Versorgungssicherheit steigen, weil die Pipeline die Ukraine umgehen wird. Bulgarien ist zu 90 Prozent von russischem Gas abhängig. Der aktuelle Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine weckt in Sofia die Angst, es könnte wie schon in der Vergangenheit erneut zu Engpässen kommen.

Von South Stream erhoffen sich die Bulgaren außerdem auch Investitionen in Milliardenhöhe und Tausende von neuen Arbeitsplätzen. Deshalb gibt es im ärmsten EU-Land eine breite Unterstützung für das Projekt - und eine große Unzufriedenheit mit der Politik Brüssels im Fall South Stream. Ein prominenter politischer Beobachter aus Bulgarien, der nicht namentlich genannt werden möchte, erklärt im DW-Gespräch: "Die EU hat kein Geld, um die Ukraine im Gasstreit mit Russland zu unterstützen. Gerade deswegen will Brüssel South Stream stoppen, um Moskau zu erpressen und den Transit über die Ukraine aufrechtzuerhalten. Die Leidtragenden sind letztlich nur die Bulgaren. Und South Stream wird womöglich doch gebaut, dann aber über die Türkei, die sich nicht um den EU-Druck schert." Von einer "Erpressung" sprach auch der stellvertretende Vorsitzende des außenpolitischen Duma-Ausschusses Leonid Kalaschnikow: Mit der Blockade habe der Westen einen Trumpf in der Hand, der stärker sei als alle bisherigen Sanktionen gegen Russland, sagte der russische Politiker.

Leichen im Keller?

Die bulgarische Regierung habe im Streit um South Stream zu schnell nachgegeben, meint der Politologe Ognjan Mintschev, Vorsitzender der bulgarischen Abteilung von Transparency International: "Plamen Orescharski ist als Premier gescheitert. Er hätte nicht einfach South Stream aufgeben, sondern mit der russischen Seite über die Vereinbarkeit mit den EU-Normen weiterverhandeln sollen." Mintschev ist davon überzeugt, dass die bulgarische Regierung in Sachen South Stream viele Leichen im Keller habe und sich gerade deswegen weigere, die Unterlagen über die Verhandlungen mit Moskau publik zu machen. Mintschev und auch andere bulgarische Beobachter, die das Projekt noch viel kritischer einschätzen, vermuten nämlich, diese Dokumente seien mit Absicht so formuliert, dass sie viel Spielraum für Korruption bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ermöglichten. In Sofia kursiert in diesem Zusammenhang eine fast verschwörungstheoretische Interpretation der jetzigen Regierungskrise, meint Ognjan Mintschev. Danach hätten die beiden bisherigen Koalitionspartner den Kuchen so aufgeteilt, dass die Sozialisten, die Moskau nahe stehen, von South Stream finanziell profitieren könnten - und der kleine Regierungspartner DPS von den EU-Geldern, die hauptsächlich von DPS-Ministern betreut werden, so der Politologe.

Der bulgarische Premier Plamen Orescharski (Foto: DW)
Oktober 2013: Damals zeigte Premier Orescharski noch Live-Übertragungen der Arbeit an der PipelineBild: BGNES

Um South Stream und die Energieversorgung geht es auch bei der aktuellen USA-Reise des ehemaligen Premiers Bojko Borissow. Der konservative Politiker, der gute Chancen hat, nach der vorgezogenen Wahl wieder an die Macht zu kommen, wirbt schon für US-amerikanische Investitionen in bulgarische Erdgas-Projekte, die allerdings noch nicht einmal geplant sind. Und damit wendet er sich im Sinne des Westens von South Stream ab - obwohl gerade er derjenige war, der den Vertrag mit Moskau unterzeichnet hat.