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Cybergipfel

2. November 2011

Die britische Regierung will internationale Standards für Onlineaktivitäten durchsetzen, während Russland und China individuelle, landesspezifische Regelungen bevorzugen.

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Ein Auge vor einer Tastatur (Foto:de.fotolia.com)
Politiker, Aktivisten und Experten trafen sich in LondonBild: Fotolia/Kobes

Direkt gegenüber der Londoner Westminster Abbey war am Dienstag (01.11.2011) das Sicherheitsaufgebot groß. Diplomaten, Aktivisten und Unternehmer aus 60 Ländern trafen sich in der britischen Hauptstadt, um sich über Netzsicherheit und andere Cyber-Themen auszutauschen.

Auf der Londoner Cyberspace-Konferenz, deren Veranstaltungen weder für die Öffentlichkeit noch für die Medien zugänglich waren, die aber live über das Internet zu verfolgen war, wurden Probleme rund um das Thema Cyberspace diskutiert – etwa wie man Internetkriminalität bekämpfen sollte oder wo die Grenzen der Cyber-Freiheit liegen. Die zweitägige Konferenz hatte das britische Außenministerium unter Leitung des Außenministers William Hague organisiert.

"Großbritannien hat einen Siebenpunkteplan als Basis für eine effizientere Zusammenarbeit von Staaten, Unternehmen und Organisationen vorgeschlagen", so Hague auf der Konferenz. "Das heißt unter anderem, dass Regierungen auf Bedrohungen im Internet angemessen, also im Einklang mit internationalem Recht, reagieren sollten."

Großbritanniens Außenminister William Hague (Foto:dapd)
Großbritanniens Außenminister Hague will, dass sein Land federführend istBild: dapd

Das ist eine Einstellung, die bei Kritikern von Regierungsaktivitäten im Cyberspace auf Wohlwollen stößt – wenn sie denn ernst gemeint ist. Einige Interessenverbände sind da noch skeptisch, da europäische Politiker noch vor ein paar Monaten, nach den Ausschreitungen in England, verschärfte Onlineregeln gefordert hatten.

"Für uns im Westen ist es so leicht, eine moralische Schwarzweiß-Haltung gegenüber Diktaturen weltweit anzunehmen, aber wenn unsere eigene westliche Stabilität wankt, dann ist die Meinungsfreiheit plötzlich nicht mehr so wichtig", so John Kampfner, Chef der Gruppe "Index on Censorship" auf einer der Veranstaltungen am Dienstag. "Es sollte eine Regel gelten für alle, inklusive der westlichen Staaten."

Kampfner und andere Internetspezialisten und -aktivisten aus aller Welt hatten zuvor einen offenen Brief an das britische Außenministerium geschrieben. "Noch vor ein paar Monaten sagte der Premierminister, dass der Zugang zu sozialen Medien beschränkt werden solle, ein Vorstoß, der von China hoch gelobt wurde und den die Regierung dann doch rasch wieder zurücknahm", hieß es in dem Brief. "Außerdem wird ernsthaft überlegt, ob man Internetanschlüsse und Onlinedaten einzelner Personen stärker überwachen sollte."

Freiheit im Internet

Großbritannien hat sich in den letzten Monaten als Vorreiter in der Internetpolitik positioniert, das Vereinigte Königreich sieht sich sozusagen als Anführer der Cyberpolitik des Westens. Vor einem Monat behauptete Hague, dass sein Land bereit sei für den "ersten Schlag“ im Falle eines globalen Konflikts.

Ein englischer Polizist während der jüngsten Ausschreitungen in London (Foto:dapd)
Nach den Ausschreitungen in England forderten manche mehr Überwachung im InternetBild: dapd

Die USA und Israel sind ebenfalls Schwergewichte der Cybersicherheit – viele Experten glauben, dass die zwei Länder weltweit erstmals eine wahre Cyberwaffe gegen das iranische Atomprogramm einsetzten: Eine Malware mit dem Namen Stuxnet soll die Urananreicherung im Iran um mehrere Monate zurück geworfen haben.

US-Außenministerin Hillary Clinton, die eigentlich auf der Londoner Konferenz eine Rede halten wollte, aber wegen eines Krankheitsfalls nun doch nicht dabei sein konnte, liegt das Thema Netzsicherheit am Herzen. Sie vergleicht die Freiheit im Internet gerne mit dem Konzept der Meinungsfreiheit, das auf die Aufklärungsbewegung im 18. Jahrhundert zurück geht.

Das sehen viele Teilnehmer der Konferenz ähnlich. Das Problem liege jedoch in der Vereinbarkeit von Meinungsfreiheit und dem traditionellen Konzept der staatlichen Souveränität.

Großmächte Russland und China

Und trotz des Aufbegehrens einiger europäischer und nordamerikanischer Länder zum Thema Überwachung sieht man das wahre Problem hinter vorgehaltener Hand weiter östlich, in technisch hochentwickelten, autoritären Staaten wie Russland und China, die weltweit Vorreiter sind in der Überwachung und im Filtern von Cyberinhalten.

Einen Tag vor der Konferenz in London sagte Pauline Neville-Jones, die Beraterin der britischen Regierung für Unternehmen in Fragen der Cybersicherheit, in der BBC, Großbritannien gehe davon aus, dass Russland und China weltweit die meisten Cyberangriffe verübten. Beide Länder, die auch auf der Londoner Konferenz vertreten waren, werden von Experten zur Computersicherheit schon lange verdächtigt, die Mehrheit der heimtückischen Angriffe auf Computernetzwerke weltweit zu begehen.

User vor einem PC-Bildschirm (Foto:Emanuel Herm)
Aktivisten monieren Zensurmaßnahmen im InternetBild: Emanuel Herm

Jetzt haben die russische und die chinesische Regierung ihre jeweils eigene Vision der globalen Cyberpolitik vorgelegt. Letzte Woche veröffentlichte die russische Botschaft in London auf ihrer Website ein "Konzept einer Konvention zur internationalen Informationssicherheit", das sicher stellen soll – wenn sich die Staatengemeinschaft jemals auf gemeinsame Regeln einigen sollte - dass jedes Land nach dem Prinzip der Souveränität seine eigenen Maßnahmen zur Cybersicherheit ergreifen kann. China, Russland, Tadschikistan und Usbekistan hatten das Konzept im September bei den Vereinten Nationen (UNO) vorgestellt.

Obwohl Aktivisten und Experten sich über ausgeklügelte Onlineüberwachungssysteme in Russland, China und einigen Ländern im Nahen Osten, wie zum Bespiel im Iran, beklagen, gebe es noch andere, viel dringlichere Probleme. "Bei uns sind Facebook und Twitter sind bisher noch nicht gesperrt worden", sagt Atiaf Alwazir, ein Aktivist aus dem Jemen, der für seine Blogs bekannt ist und auch an der Londoner Konferenz teilnahm. "Dafür haben wir ständig Stromausfälle – in der Hauptstadt haben wir nur ein bis zwei Stunden Strom pro Tag."

Autor: Cyrus Farivar, London / ng
Redaktion: Rob Mudge