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Vetos vom Präsidenten

31. Oktober 2007

Zehn Tage nach der Wahl hat der polnische Präsident das Ergebnis endlich anerkannt. Akzeptiert hat er seinen neuen Regierungschef deswegen noch lange nicht. Bevor Donald Tusk angefangen hat, droht Kaczynski mit Vetos.

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Der designierte polnische Regierungschef Donald Tusk am Wahlabend, am 21.10.2007 (Quelle: AP)
Das Lachen könnte Donald Tusk bald vergehen - schon jetzt droht Clinch mit dem PräsidentenBild: AP

Am Dienstag (30.10.2007) kündigte der polnische Präsident Lech Kaczynski an, dass er den liberalen Wahlsieger von der Bürgerplattform (PO) Donald Tusk mit der Regierungsbildung beauftragen will. "Ich will mit Nachdruck erklären: Unabhängig davon, welche Ursachen für die Niederlage der PiS ausschlaggebend waren, sind die Wahlergebnisse so, wie sie sind und ich erkenne sie an." Es sei selbstverständlich, dass Donald Tusk Regierungschef werde, wenn er die parlamentarische Mehrheit erreiche, sagte der Präsident der Zeitung "Rzeczpospolita".

Polens Präsident Lech Kaczynski bei einer Pressekonferenz auf dem EU-Gipel in Lissabon (19.10.2007, Quelle: AP)
Droht schon jetzt mit Vetos-Polens Präsident Lech KaczynskiBild: AP

Weniger selbstverständlich scheint dem polnischen Präsidenten, dessen Zwillingsbruder die Wahl verloren hatte, eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem neuen Regierungschef: Noch vor der ersten Amtshandlung der kommenden polnischen Regierung hat er Vetos angekündigt. Kaczynski bekräftigte darin vor allem seine Ablehnung der EU-Grundrechtecharta und sprach sich dagegen aus, den von seinem Bruder aus dem Amt des Verteidigungsministers geschassten Radoslaw Sikorski zum Außenminister zu machen.

Veto gegen EU-Charta jetzt in Polen

Er sei "besonders beunruhigt" über die PO-Pläne zum EU-Bürgerrechtekatalog, sagte Kaczynski. Die im EU-Reformvertrag verankerte Charta bezeichnete er als "Bedrohung" für Polens nationale Identität. Er warnte zudem davor, dass die Charta Grundlage für mögliche deutsche Entschädigungsforderungen sein könnte. Die bisherige Regierung von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski hatte sich geweigert, den EU-Bürgerrechtekatalog rechtsverbindlich zu machen, und bei den Verhandlungen eine Ausnahmeregelung erwirkt.

Auch Polens voraussichtlicher neuer Regierungschef Tusk kündigte an - und das überraschte - die Folgen eines Beitritts zur EU-Grundrechtecharta vor einer möglichen Unterzeichnung sorgfältig zu prüfen. "Ich kann die Signale gegen die Charta nicht ignorieren", sagte Tusk am Dienstagabend im polnischen Nachrichtensender TVN24. Insbesondere verwies der bisherige Oppositionsführer auf die Ablehnung des Bürgerrechtekatalogs durch Staatspräsident Lech Kaczynski. Er wolle erst ein Gespräch mit Kaczynski auch über die Charta abwarten.

Ein anderer europäischer Partner

Generell wolle Tusk jedoch zeigen, dass er ein anderer Partner für Europa sein werde als sein Vorgänger, der abgewählte Chef der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski. Er werde sich dafür einsetzen, dass die polnische Europapolitik nicht mehr "im Schatten der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten stehen wird". Es gehe auch darum zu zeigen, dass "die Zeiten vorbei sind, als Warschau die EU immer wieder mit Veto-Drohungen erpresste".

Tusk wolle als erstes Brüssel, Paris und Berlin einen Besuch abstatten, sagte am Mittwoch Krzysztof Lisek, der in Tusks Bürgerplattform (PO) für die Reiseplanung zuständig ist. Genaue Reisedaten nannte er nicht. In Berlin wolle er sich um eine Verbesserung des bilateralen Verhältnisses kümmern, erklärte Tusk. "Gute deutsch-polnische Beziehungen sind für uns eine Schlüsselfrage", sagte der Liberalkonservative. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern waren unter der Regierung seines Vorgängers abgekühlt. Ursache dafür war Warschaus Argwohn, das westliche Nachbarland wolle Europa wieder dominieren. Eine Leitlinie polnischer Außenpolitik unter Kaczynski war daher die Wahrung nationaler Interessen Polens. Tusk sagte dagegen am Mittwoch, er verfolge einen "anderen" Ansatz, fügte aber auch hinzu: "Die Deutschen werden mit uns kein leichteres Leben haben." Polen habe keine Komplexe gegenüber Deutschland.

Kabale ums Kabinett

Aber nicht nur die Außenpolitik sorgt schon vor Arbeitsbeginn für Streit zwischen dem alten Präsidenten und dem neuen Regierungschef. Probleme hat Präsident Kaczynski auch mit Tusks Personal, vor allem mit dem designierten Außenminister, dem ehemaligen Verteidigungsministers Sikorski. "Diese Art von Kandidaturen erleichtert die Zusammenarbeit von Präsident und Regierung nicht." Kaczynski selbst habe die Entscheidung zu Sikorskis Entlassung mitgetragen und seine Meinung dazu seither nicht geändert, fügte er hinzu. Sikorski war nach seinem Rauswurf aus dem konservativen Vorgänger-Kabinett den Liberalen beigetreten.

Außerdem kündigte Präsident Kaczynski in dem Interview seinen Widerstand gegen die Einführung einer Einheitssteuer und gegen Änderungen am Gesetz über die Einrichtung eines Anti-Korruptionsbüros an, einem Lieblingsprojekt der Konservativen. Er hoffe, "nur selten vom Veto Gebrauch zu machen", es sei aber dann notwendig, wenn die Interessen des Staates auf dem Spiel stünden.

Tusks liberalkonservative Bürgerplattform (PO) hatte die Parlamentswahlen am 21. Oktober gewonnen. Seine PO und die Bauernpartei (PSL) einigten sich am Dienstag auf eine Koalition. Als neuer Regierungschef würde Tusk Jaroslaw Kaczynski ablösen, der nach zwei Jahren im Amt ohne Mehrheit dasteht. Er soll kommenden Montag seinen Stuhl räumen. (mg)