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Bildung

Afrika: Auslandsstudium ohne Ausland?

Martina Schwikowski
6. Oktober 2020

Wegen der Pandemie haben viele deutsche Universitäten ihre Austauschprogramme mit Afrika stark eingeschränkt. Für das Wintersemester sind virtuelle Alternativen geplant – doch die kommen nicht für alle in Frage.

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Tansania Corona l Studenten in einer Vorlesung in Nairobi
Studierende in einer Vorlesung in Nairobi: Ein Auslandsstudium ist in diesem Jahr kaum möglichBild: Xinhua/Imago Images

Fast hätte das Coronavirus Lucy Adundos Studienvorhaben über den Haufen geworfen. Die Kenianerin studiert "Transition Management" an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und war gerade im westafrikanischen Sierra Leone zur Feldforschung, als COVID-19 das Land und die ganze Welt lahmlegte. "Ich hatte alle Daten für meine Masterarbeit gesammelt, als die Infektionszahlen in Europa in die Höhe schnellten", erinnert sich Adundo im DW-Interview. Der internationale Flugverkehr brach zusammen, doch sie hatte Glück: Als in Gießen eingeschriebene Austauschstudentin wurde sie nach wenigen Tagen Wartezeit mit Hilfe der Deutschen Botschaft evakuiert. "Ich hatte zwar Angst vor den vielen Virusinfektionen in Deutschland, aber ebenso vor einem schlechten Gesundheitssystem in Sierra Leone."

Eingeschränkte Mobilität

Nicht nur die junge Kenianerin wäre fast im Ausland gestrandet, als die rasche Ausbreitung des Coronavirus im Frühjahr viele Länder zur Schließung der Grenzen zwang. Auch drei deutsche Studentinnen der Justus-Liebig-Universität, die im Sommersemester zum Austausch in Namibia waren, wurden durch das Auswärtige Amt zurückgeholt. "Das hat alles gut funktioniert", sagt Julia Volz, die als Leiterin des Akademischen Auslandsamtes für den Studierendenaustausch an der Uni Gießen zuständig ist. Aktuell stecke niemand mehr fest – weder deutsche Studierende im Ausland, noch ausländische Studierende in Deutschland.

Doch was für viele zum Studium wie selbstverständlich dazugehört, ist in Zeiten der Pandemie immer noch stark eingeschränkt: "Die Reisebeschränkungen beeinflussen die Durchführung von Austausch stark", sagt Volz im DW-Interview. Das führe im kommenden Wintersemester dazu, dass voraussichtlich nur ein Drittel der üblichen Mobilität stattfinden könne.

Online-Seminare als Alternative?

Deshalb bietet die Gießener Universität für Studierende ihrer internationalen Partnerunis nun ein virtuelles Austauschprogramm an – und stößt damit offenbar auf große Resonanz: "Das Angebot wird sehr nachgefragt, wir bearbeiten über 500 Bewerbungen. Das übertrifft unsere Erwartungen bei weitem", so Volz. Auch einige afrikanische Studenten aus Äthiopien, Botswana, Ghana und Namibia seien unter den Bewerbenden.

Fördermittel stünden laut Volz weiterhin bereit, Stipendien würden ausgeschrieben und vergeben. Doch weil virtuelle Austauschprogramme nicht für alle eine Option seien, würden viele jungen Leute ihre geplanten Auslandsaufenthalte auch verschieben. "Das machen viele deutsche Studierende, die nach Afrika möchten", sagt Volz. Sie hofft, dass sich die Lage im nächsten Jahr wieder normalisiert. Die Studierenden offenbar auch: "Für das Sommersemester 2021 haben wir schon Interessenten für einen Aufenthalt in Äthiopien und Namibia und ich bin sicher, noch mehr planen ihre Reisen für das nächste Jahr um."

Senegal l Universität in Dakar geschlossen - Studentinnen
Zwei Studentinnen im Hof der Universität Dakar: Erst seit kurzem gibt es hier überhaupt wieder PräsenzveranstaltungenBild: John Wessels/AFP

Eingeschränkte Visa-Bearbeitung erschwert Anreise

Auch an der Universität Hamburg ist der Studierendenaustausch derzeit stark eingeschränkt. So konnte wegen der Corona-Pandemie zum Beispiel das zentrale Austauschprogramm mit der südafrikanischen Universität Stellenbosch nicht stattfinden. Die Krise habe alle Mobilitätsprogramme beeinträchtigt, sagt Courtney Peltzer-Hönicke, Leiterin der Abteilung Internationales der Uni Hamburg. "Durch die Reiseeinschränkungen und hochschulinternen Regelungen sind in vielen Fällen Aufenthalte nicht möglich."

Die Uni Hamburg nehme Studierende aus Afrika zwar derzeit auf, aber: "Nicht immer haben die Konsulate die Visabearbeitung wieder aufgenommen", so Peltzer-Hönicke. Außerdem rate die Universität auch denjenigen von einer Anreise ab, die aus Risikogebieten herkommen möchten. Immerhin: Erst jüngst hat das Auswärtige Amt eine weltweit geltende Reisewarnung durch Einschätzungen zu einzelnen Ländern ersetzt.

Forschung im Lockdown

Ein gemischtes Fazit zieht die Fakultät für Chemie an der Universität Bielefeld: "Bedingt durch die Corona-Lage sind die Austauschmöglichkeiten in diesem Jahr etwas zurückgegangen", sagt Norbert Sewald im DW-Interview. Er ist Professor und Koordinator von YaBiNaPA, einer gemeinsamen Graduiertenschule der Universitäten Bielefeld und Yaoundé, Kamerun. Sewald zufolge konnten einige kamerunische Nachwuchswissenschaftler dieses Jahr aufgrund der Reisebeschränkungen nicht wie geplant zu Forschungsaufenthalten nach Deutschland kommen.

Glück hatte dagegen der 28-jährige Cedric Guy Tchatchoung Noulala. Er ist Chemiker für Naturstoffe und kam schon im Februar aus Yaoundé nach Bielefeld. "Da ging die Krise gerade los, deshalb konnte ich kaum Untersuchungen im Labor machen", sagt Cedric im DW-Interview. "Aber jetzt gehe ich jeden Tag ins Labor und habe mein Stipendium bis Dezember verlängern dürfen." Danach möchte er zu Hause in Yaoundé weiterforschen.