1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Studiogast: Prof. Christian Drosten, Universität Bonn

Charlotte Wilczok31. Juli 2011

Studiogast: Prof. Christian Drosten, Universität Bonn # 31.07.2011 # Projekt Zukunft

https://p.dw.com/p/RdIa

DW-TV: Herr Drosten, was passiert denn eigentlich, wenn prinzipiell ja harmloses Fledermausvirus auf den Menschen überspringt. Wieso kann das dann plötzlich so gefährlich werden?

Christian Drosten: Das ist ja eigentlich genau unsere Forschung. Genau darum machen wir dieses Projekt. Es ist eigentlich eine offene Frage. Es gibt da ein paar Ideen dazu. Wir kennen alle die Idee bei Influenza, dass sich Genom-Segmente vermischen, wenn zwei Viren dieselbe Zelle befallen: heraus kommt ein neues, gefährlich Virus. Wir wissen auch, dass wir so etwas haben wie Herdenimmunität. Das heißt, Menschenviren, die sowieso beim Menschen sind, hinterlassen eigentlich nach einer ersten Infektion im Kindesalter eine lebenslange Immunität. Wir Erwachsenen, die gesamte Bevölkerung, ist im Prinzip immun gegen das Virus. Wenn wir jetzt ein neues Virus aus dem Tierreich bekommen, dann ist das eine andere Situation. Dieses Virus ist für uns alle neu, wir sind alle immunologisch naiv, wie wir sagen. Und dieses Virus kann sich dann nämlich ungehindert ausbreiten. Als Erwachsene reagieren wir ja anders als Kinder auf das Virus. Und das ist auch das große Problem bei Pandemien, dass in der erwachsenen Normalbevölkerung diese Krankheit so richtig durchschlägt.

Wobei es natürlich nicht im Interesse des Virus sein kann, seinen Wirt - den Menschen - zu töten, sondern die beste Strategie für das Virus ist doch wahrscheinlich: ich lass ihn am Leben und kann mich optimal vermehren.

Ja, aber das ist aber auch eigentlich Gegenstand der Forschung. Man muss schon sagen, dass Viren eigentlich erst einmal nur ein Interesse haben sich erfolgreich zu vermehren. Ob sie dabei ihren Wirt töten oder nicht: Kann für einen Virus gut sein, kann für einen Virus schlecht sein.

Sind denn eigentlich alle Viren, die wir Menschen in uns tragen, außer harmlose wie Schnupfenviren, denn tatsächlich ursprünglich von den Tieren gekommen?

Im Prinzip ja. Wir lernen ja immer mehr über die Evolution von Viren. Wir sehen immer mehr Viren und können sie analysieren. Und man kann eigentlich heute sagen, dass die Viren alle aus Tieren kommen, aus anderen Tieren. Die Frage ist aber wie lange das her ist. Wie lange dieser Zeitpunkt des sogenannten Wirtswechsels her ist.

Das sind bei HIV ja nur knapp 100 Jahre. Aber warum eigentlich gerade die Fledermaus? Sie untersuchen gerade Fledermäuse. Warum ist die Fledermaus gerade ein Tier, das so viele gefährliche Viren bereit hält?

Das hat verschiedene Gründe, die alle zusammenkommen. Die Fledermäuse sind erst einmal, und das ist wahrscheinlich der wichtigste Grund, das Säugetier, das die größten Sozialverbände an Ort und Stelle bildet. Es gibt Fledermausgruppen, die eine Million und mehr übersteigen. Und es gibt bei den Säugetieren eigentlich nur noch eine andere Art, die das macht. Das sind wir, das ist der Mensch.

Das heißt, da können sich die Viren relativ schnell ausbreiten?

Richtig.

Aber was machen wir denn jetzt eigentlich? Man muss davon ausgehen, dass es noch viele, viele Millionen, Milliarden Viren gibt, die nur darauf warten, auf uns überzuspringen. Fledermäuse können wir ja nicht ausrotten. Also was kann man tun?

Der große Traum in diesem Sektor der Forschung ist eigentlich eine Vorhersage zu machen. Man kann sich das vielleicht so ein bisschen vorstellen wie eine Wettervorhersage. Die Meteorologen wissen ja ganz genau worauf sie auf Satellitenbildern achten müssen. Wir als Infektionsbiologen sind vielleicht momentan soweit, dass wir unsere allerersten Satelliten mal hochgeschossen haben und jetzt plötzlich lernen, dass es in dieser wabernden Masse von, sagen wir Luft in der Meteorologie, von Viren, Unterschiede gibt.

(Interview: Ingolf Baur)