1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Im Sumpf der Korruption

Horatiu Pepine21. Juni 2012

Rumäniens Ex-Premier Adrian Năstase hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Wenige Stunden zuvor hatte ihn das Oberste Gericht in Bukarest zu einer Haftstrafe verurteilt.

https://p.dw.com/p/15JIN
Rumäniens ehemaliger Regierungschef Adrian Năstase Foto: Bogdan Cristel
Bild: Reuters

Es ist ein Fall wie aus einem Polit-Thriller: Mittwoch Nachmittag (20.06.2012) spricht das Oberste Gericht sein Urteil gegen den früheren Ministerpräsidenten Adrian Năstase: Zwei Jahre Haft wegen illegaler Parteienfinanzierung. Wenige Stunden später kommen in der Nacht Polizisten zum Haus des Sozialdemokraten, um ihn ins Gefängnis zu bringen. Năstase bittet die Beamten um Erlaubnis, ein Buch aus seiner Bibliothek zu holen. Dort nimmt er seinen Revolver und versucht sich umzubringen. Ein Polizist kann eingreifen, Năstase erleidet eine Schussverletzung am Hals. Vor dem Haus warten TV-Teams, um live zu übertragen, wie der Politiker abgeführt wird. Stattdessen senden sie nun seinen Abtransport mit einem Krankenwagen. Năstase wird operiert und ist - nach Angaben der Ärzte - inzwischen außer Lebensgefahr.

Es ist der vorläufige Schlusspunkt in einer Affäre, die vor acht Jahren ans Licht kam. 2004 hatte die liberal-konservative Opposition in Bukarest die rumänische Anti-Korruptionsbehörde alarmiert - wegen möglicher Verstrickungen von Ministerpräsident Năstase in undurchsichtige Geschäfte und mutmaßlichen Amtsmissbrauchs. Die Untersuchungen wurden jedoch eingestellt, der Staatsanwalt war ein Vertrauter des Regierungschefs.

Korruption in Rumänien - ein Fall auch für die EU

Die Europäische Kommission beobachtete den Fall mit großer Aufmerksamkeit. Zum Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen wurde Rumänien 2004 aufgefordert, sein Justizwesen einer radikalen Reform zu unterziehen. Der Druck aus Brüssel liess auch nach dem EU-Beitritt Rumäniens (2007) nicht nach. Eine sogenannte Rettungsklausel im Beitritts-Vertrag sah konkrete Strafen vor, sollte Rumänien die versprochenen Reformen im Justizwesen und bei der Korruptionsbekämpfung nicht umsetzen. In der Tat wurden in den ersten drei Jahren nach dem EU-Beitritt in Rumänien wichtige institutionelle Reformen durchgesetzt. Doch keiner der großen Korruptions-Prozesse wurde zu Ende geführt.

Aus diesem Grund behielt die Europäische Kommission das Monitoring des rumänischen Justizwesens bei - durch den sogenannten Kontroll- und Beobachtungsmechanismus. Die bislang unvollständige Umsetzung der versprochenen Reformen wirkte sich auch negativ auf den angestrebten Schengen-Beitritt des Landes aus.

Inzwischen scheint der kontinuierliche Druck aus Brüssel zu wirken. In diesem Jahr wurden bereits mehrere Korruptionsprozesse erfolgreich abgeschlossen. Einige Ex-Minister und hohe Staats-Bedienstete erhielten mehrjährige Haftstrafen. Der Fall Năstase ist der bisher relevanteste, wenn man bedenkt, dass er der Ausgangspunkt für die Einführung der Rettungsklausel im EU-Beitritts-Vertrag war.

Der Fall Năstase und seine politische Bedeutung

2004 löste eine liberal-konservative Koalition die Regierung Năstase ab. Dieses Bündnis hatte die Parlamentswahlen mit einem Programm gewonnen, in dessen Mittelpunkt die Justizreform und der Kampf gegen Korruption stand. Die neue Justizministerin Monica Macovei begann mit der Entpolitisierung der Justiz, eine neue Anti-Korruptionsbehörde nahm die blockierten Verfahren wieder auf. 2006 wurde Adrian Năstase unter anderem wegen illegaler Parteienfinanzierung angeklagt.

Europa-Abgeordnete Monica Macovei Foto: Cristian Ştefănescu (DW)
Brachte Reformen auf den Weg: Monica MacoveiBild: DW/Stefanescu

Inzwischen haben die Regierungen mehrmals gewechselt - zur Zeit regiert in Bukarest ein Bündnis aus Sozialdemokraten, also der Partei des verurteilten Ex-Ministerpräsidenten, und Liberalen. Obwohl alte Seilschaften Năstase halfen, den Prozess immer wieder hinauszuzögern - das Urteil konnte er nicht verhindern. Viele Politiker und Beobachter werten dies als klares Zeichen für die Unabhängigkeit der Justiz. Die frühere Justizministerin Macovei, die jetzt Abgeordnete im Europa-Parlament ist, sprach von einem Urteil mit Symbolwert, von einem Zeichen für alle Rumänen, dass ein Politiker nicht über dem Gesetz steht.

Einige Vertreter der rumänischen Sozialdemokraten und ihrer liberalen Partner sehen dies anders und sprechen von einem politischen Urteil, gar von einer persönlichen Revanche des konservativen Staatspräsidenten Traian Băsescu. Auch von einer Aktion des "kolonisierenden Westens" - also der EU - ist die Rede. Andere Politiker der sozial-liberalen Regierungskoalition geben sich zurückhaltend. Der Grund: Im Spätherbst sind in Rumänien Parlamentswahlen und der Fall des korrupten sozial-demokratischen Ex-Premiers Năstase könnte sich negativ auf das Verhalten der Wähler auswirken.