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Das Ende von 1001 Nacht?

Anne Allmeling, Maskat18. November 2015

Sultan Qaboos von Oman wird an diesem Mittwoch 75. Er ist der dienstälteste Herrscher im Nahen Osten. Wer ihn ablösen wird, ist noch unbekannt. Doch sein Nachfolger wird es nicht leicht haben. Von Anne Allmeling, Maskat.

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Stadtansicht Maskat - Foto: C. Jackson (Getty Images)
Bild: Getty Images/C. Jackson

Mansoor Al-Shabibi packt seine Sachen zusammen. Der Bibliothekar mit dem grauen Bart und dem fröhlichen Lachen will nach Hause, zu seiner Frau und seinen sechs Kindern. Gerade einmal eine halbe Stunde braucht er dafür, wenn er den Express Highway nimmt.

Al-Shabibi weiß die schnelle Verbindung zu schätzen. Als er noch ein Kind war, hätte diese Fahrt den ganzen Tag gedauert. Damals gab es am Rande der omanischen Hauptstadt Maskat weder Straßen noch Häuser, und Oman gehörte zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt.

Harte Lebensbedingungen

"Wir haben auf dem Sand geschlafen", erinnert sich Mansoor, der ungefähr 47 Jahre alt ist. Sein genaues Alter kennt er nicht. "Unser Haus bestand aus Palmen. Es gab nur einen Raum, und der war ziemlich leer. Meine Mutter hat draußen gekocht, in der Wüste."

Bibiothekar Mansoor Al-Shabibi - Foto: Anne Allmeling (DW)
Bibiothekar Mansoor Al-Shabibi: "Wir haben auf dem Sand geschlafen"Bild: DW/A. Allmeling

Ein beschwerlicher Alltag, der viele Omaner dazu brachte, das Land zu verlassen und sich in den reicheren Nachbarstaaten eine Arbeit zu suchen. Der von 1932 bis 1970 herrschende Sultan Said bin Taimur, so heißt es, fürchtete den Fortschritt. Sogar den Besitz von Radios und Sonnenbrillen soll er verboten haben.

Das änderte sich, als 1970 Qaboos bin Said al-Said im Oman die Macht übernahm. Mithilfe der Briten stürzte Qaboos seinen reaktionären Vater vom Thron und setzte auf Entwicklung. Mit den Einnahmen aus der Erdölförderung, die in Oman in den 1960er Jahren begann, modernisierte er das Sultanat.

Rasante Entwicklung

Heute verfügt das östlichste Land der arabischen Halbinsel über ein Straßennetz, das bis in den letzten Winkel des Sultanats reicht, über Schulen und Krankenhäuser. Alles ein Verdienst von Monarch Qaboos, meint Jürgen Werner, akademischer Prorektor an der German University of Technology in der Hauptstadt Maskat: "Der Sultan hat es geschafft, den Reichtum, der über das Land gekommen ist, so gut wie möglich zu verteilen. Er hat immer darauf geachtet, dass alle mehr oder weniger etwas davon haben."

Sultan Qaboos bin Said - Foto: AFP
Sultan Qaboos: Öleinnahmen für die Moderniserung des EmiratsBild: Getty Images/AFP

Wirkliche Armut gibt es kaum im Sultanat. Dennoch ist der Arabische Frühling auch an Oman nicht spurlos vorübergezogen. Als die Menschen 2011 in Tunesien, Ägypten und Syrien gegen ihre Regierungen demonstrierten, gingen auch Tausende Omaner auf die Straße. Sie protestierten aber nicht direkt gegen den Sultan, sondern gegen die verbreitete Korruption im Land und forderten bessere Lebensbedingungen.

Denn jedes Jahr strömen Zehntausende junge Omaner neu auf den Arbeitsmarkt, viele von ihnen mit einem Universitätsabschluss. Aber längst nicht alle Absolventen finden eine Stelle. Die hohe Arbeitslosigkeit sei vor allem für die jungen Menschen ein Problem, sagt der Unternehmer Murtadha Hassan Ali. "Früher hat die Regierung versucht, so viele Leute wie möglich im öffentlichen Sektor unterzubringen", berichtet er. "Aber die Verwaltung ist zu groß geworden, um noch mehr Leute aufzunehmen."

Hohe Arbeitslosigkeit

Hinzu kommt, dass viele Arbeitsplätze vor allem in der Privatwirtschaft mit Fachkräften aus dem Ausland besetzt werden - weil sie besser qualifiziert seien als die Omaner, sagt Murtadha Hassan Ali: "Unsere Bildung hat sich nicht groß verändert. Und das hat zur Folge, dass wir nicht vom Fleck kommen, während sich alle anderen weiterentwickeln."

Ein noch größeres Problem sind die sinkenden Einnahmen aus der Erdölförderung. Wegen des niedrigen Ölpreises sind sie längst nicht mehr so üppig wie früher. Trotzdem versprach der Sultan als Reaktion auf die Proteste vor vier Jahren, 50.000 neue Jobs im öffentlichen Dienst zu schaffen, zusätzliche Stipendien für Studenten bereitzustellen und Arbeitssuchende mit umgerechnet knapp 300 Euro im Monat zu unterstützen.

Oman, Kamele auf der Straße - Foto: Sven Töniges
Sultanat Oman: Straßen bis in den letzten WinkelBild: S. Töniges

Die Protestwelle verebbte - doch die Belastung des Staatshaushaltes ist seither nur gestiegen. Arabist Jürgen Werner sieht in der Reaktion des Sultans ein falsches Signal: "Man kann sagen, dass er gewisse Entwicklungen verschlafen hat", meint der Maskater Wissenschaftler. "Er hat die Leute nicht früh genug auf eine größere Beteiligung am Wohlstand oder am Erarbeiten des Wohlstands eingeschworen."

Schwindende Ressourcen

Bereits in den 1980er-Jahren hatte die Regierung angekündigt, die omanische Wirtschaft auf eine breitere Basis zu stellen und die Privatwirtschaft zu stärken. Die Fischerei sollte gefördert werden, ebenso die Landwirtschaft, die Kleinindustrie und der Tourismus. Doch das ist nicht geglückt: Oman setzt weiter hauptsächlich aufs Öl. Obwohl der Golfstaat viel weniger Reserven hat als die Nachbaremirate Abu Dhabi und Katar, machen die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft auch heute noch knapp 80 Prozent der omanischen Staatseinnahmen aus.

Zwar stellt kaum ein Omaner die Errungenschaften von Sultan Qaboos infrage. Doch nach 45 Jahren unter seiner Herrschaft fragen sich viele, wer in Zukunft die Weichen stellt. Bis heute ist nicht bekannt, wer dem kinderlosen Monarchen einmal nachfolgen wird - und die Herausforderungen angeht, die sich bereits seit einigen Jahren abzeichnen.

Bibliothekar Mansoor Al-Shabibi allerdings macht sich keine Sorgen. Er ist vor allem dankbar dafür, dass seine Kinder in einem richtigen Schulgebäude unterrichtet werden - und nicht wie er selbst in einem improvisierten Zelt. "Meine alte Schule ist heute klimatisiert, hat ein Computerlabor und Internet - es gibt alles", erzählt Mansoor. "Wenn ich mit meinen Kindern dort vorbeikomme, sagen sie: Die ist ja richtig schön! Und ich sage: Ja, heute ist sie schön. Früher gab es nur ein Zelt mit ein paar Palmen."