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Wieder Vorreiter beim Klimaschutz werden

12. Juli 2018

Deutschland habe zwar die Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz verloren. Doch Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist davon überzeugt, dass die deutsche Industrie treibhausgas-neutral werden kann.

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Petersberger Klimadialog
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Svenja Schulze (SPD) ist seit dem Frühjahr Bundesumweltministerin. Zuvor war die in Münster in Westfalen wohnende Politikerin Wissenschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen. Ihre Berufung in die Regierung war durchaus eine Überraschung. Ihr Hauptanliegen: Wenn Deutschland demnächst aus der Kohleproduktion und Verstromung aussteigt, um den Klimaschutz wieder voranzubringen, soll das möglichst ohne größere soziale Verwerfungen  gehen. DW-Korrespondent Jens Thurau ist gerade auf der Sommerreise der Ministerin mit Journalisten dabei, die durch Nordrhein-Westfalen führt.

DW: Frau Schulze, im Zentrum ihrer Politik steht  im Moment der Klimaschutz. Es gibt eine Kommission, die erarbeiten soll, bis wann Deutschland aus der klimaschädlichen Kohle aussteigt. Bis zur UN-Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember sollen Ergebnisse vorliegen.

Svenja Schulze:  Ja, wir haben die Kommission beauftragt, erste Teilergebnisse schon vor der Klimakonferenz vorzulegen. Außerdem bereiten wir uns auf das Klimaschutzgesetz vor. Wir haben uns in der vergangenen Wahlperiode Ziele gesetzt, haben festgelegt, was wir erreichen wollen bei der Reduktion der Treibhausgase. Und jetzt wollen wir ein Gesetz, das festlegt, wie das gehen soll. Und dafür ist die Kommission sehr wichtig, weil sie sagen soll: Wie steigen wir aus der Kohle aus, wie ist der Zeitplan und welche neuen Perspektiven gibt es für die Regionen? Und auch international wollen wir jetzt in Kattowitz ein Regelwerk beschließen, das dafür sorgt, dass die Fortschritte der Staaten auch messbar und vergleichbar sind. Die große Klimakonferenz von Paris 2015 hat die Ziele definiert, jetzt müssen wir die Details für den Weg dorthin regeln.

Svenja Schulze
DW-Reporter Jens Thurau begleitet Svenja Schulze bei ihrer Sommerreise, um davon zu berichtenBild: DW/J.Thurau

"Wir müssen jetzt mehr zeigen"

Aber bei den eigenen, den nationalen Klimazielen, sieht es ja im Moment nicht so gut aus. Das Ziel, bis 2020 40 Prozent an Klimagasen abzubauen, ist nicht mehr zu schaffen. Ein Vorreiter wie früher im internationalen Klimaschutz ist Deutschland im Moment nicht mehr, oder?

Schulze: Nein, die Rolle als Vorreiter haben wir leider verloren, was ich sehr schade finde, weil ich denke: Wir sind eine Industrienation, die immer wieder Innovationen  hervorgebracht hat - mit einer sehr starken Forschungslandschaft. Damit müsste es uns eigentlich gelingen, zu zeigen, wie man auf eine treibhausgas-neutrale Industrie umsteigen kann. Aber die Maßnahmen haben noch nicht so gegriffen, wie frühere Bundesregierungen gedacht haben. Außerdem hatten wir ein stärkeres Wirtschaftswachstum als gedacht und die Bevölkerung ist größer geworden. Trotzdem müssen wir jetzt mehr zeigen. Ich will, dass wir wieder Vorreiter werden.

Hat das auch mit dem Stellenwert  zu tun, den Umwelt-und Klimaschutz bei den politischen Themen noch hat? Die meisten Debatten gibt es über die Asyl-und Flüchtlingspolitik. Sind Sie nicht im Kabinett quasi qua Amt die Einzige, die sich wirklich um den Klimaschutz kümmert?

Schulze: Den Eindruck habe ich nicht. Alle Kolleginnen und Kollegen wissen, das auch sie etwas leisten müssen. Ich habe einen meiner ersten Briefe an die Minister für Bau, Landwirtschaft und Verkehr geschrieben, in dem ich sie daran erinnert habe, dass sie Pläne für Klimaschutzmaßnahmen vorlegen müssen. Also, was  genau will der neue Verkehrsminister  Scheuer von der CSU ganz konkret machen? Was mich an diesem Sommertheater um die Einwanderung besonders ärgert, ist, dass es so viele Dinge überlagert, um die wir uns dringend kümmern müssen.

SPD - zur Versachlichung der Asyl-Debatte beigetragen

Wie haben sie denn die letzten Wochen diese heftigen Streits  von CDU und CSU um die Asyl-und Flüchtlingspolitik erlebt? Was glauben Sie, wie das bei der Bevölkerung ankommt?

Ich finde, das war ein unwürdiges Schauspiel. Und ich glaube nicht, dass das bei irgendjemand gut angekommen ist. Aber die SPD hat klar gesagt, was mit uns geht und was nicht. Wir haben versucht, zur Versachlichung der Debatte beizutragen. Wir müssen uns jetzt zum Beispiel darum kümmern, dass es mehr Wohnraum gibt, die großen Städte sind für Normalverdiener kaum noch erschwinglich. Wir haben eine Riesenherausforderung bei der Pflege. Wir brauchen mehr Kindergartenplätze.

Sie sind jetzt etwas mehr als 100 Tage im politischen Berlin, vorher waren sie Landespolitikerin in Nordrhein-Westfalen. Was hat Sie am politischen Berlin am meisten überrascht?

Mich hat überrascht, wie wenig die verschiedenen Akteure, also die Verbände zum Beispiel, miteinander reden. Das ist auf Ebene der Länder deutlich anders. Da muss man sich auch mit denen, die man nicht unmittelbar in seiner politischen Nähe hat, auseinandersetzen. In der Kommission zum Strukturwandel und Klimaschutz müssen jetzt Gewerkschaftler, Umweltverbände, Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander sprechen und nicht schon vorher glauben zu wissen, was der andere meint. Dass das so wenig selbstverständlich ist in Berlin, hat mich überrascht. Und mir ist aufgefallen, auch wenn ich es schon wusste, wie sehr öffentlich alles in Berlin ist. Wenn drei Leute etwas sagen in Berlin, dann steht es am nächsten Tag schon in der Zeitung.

 

Das Gespräch führte Jens Thurau.