1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Generalamnestie

7. Juni 2011

Präsident Baschar al-Assad hat eine Generalamnestie erlassen. Zur Ruhe kommt Syrien dadurch trotzdem nicht. Immer noch kommt es fast täglich zu neuen Toten.

https://p.dw.com/p/11VKK
Oppositionlle vor einem Mikro - im Hintergrund mehrere Männer (Foto: dapd)
Nach dem Treffen der syrischen Opposition in der TürkeiBild: dapd

Die Freilassung von politischen Gefangenen und die Einrichtung einer Kommission zum nationalen Dialog, das versprach Syriens Präsident Baschar al-Assad am vergangenen Dienstag (31. 05.2011). Bereits in der Nacht zum Mittwoch sind die ersten Gefangenen freigelassen worden; am Folgetag mehrere Hundert. Rami Abdulrahman, Vorsitzender des Syrischen Beobachtungszentrums für Menschenrechte in London, geht davon aus, dass auch die übrigen etwa 10.000 Gefangenen, die seit Beginn der Proteste Mitte März festgenommen wurden, auf freien Fuss kommen werden.

Präsident Assad hat einige der Hauptforderungen seiner Gegner erfüllt. Der Amnestieerlass wurde von der syrischen Opposition während ihrer zweitägigen Konferenz im türkischen Badeort Antalya aber nicht diskutiert. Mehr noch, die 300 Teilnehmer am bisher größten Treffen der syrischen Opposition forderten zwei Tage später den sofortigen Rücktritt al-Assads. Einer seiner Vizen solle die Amtsgeschäfte übernehmen und mit einem Rat den Übergang in die Demokratie vorbereiten.

Leere Versprechen

Männer und Frauen stehen in einem Konferenzsaal und schweigen (Bild: EPA)
Syrische Oppositionelle während einer Schweigeminute in der TürkeiBild: picture-alliance/dpa

Die syrische Opposition wirft dem Regime in Damaskus Augenwischerei vor. Es spiele auf Zeit. Für Anas al-Abda, dem Vorsitzenden der oppositionellen Dachorganisation "Erklärung von Damaskus", der an der Konferenz in Antalya teilnahm, sind die Versprechungen des Regimes leeres Gerede.

Tatsächlich kündigte Baschar al-Assad bereits Ende März radikale Reformen an: das seit fast 50 Jahren herrschende Notstandgesetz wurde aufgehoben, neue, freiere Medien- und Parteigesetze sollten folgen. Doch statt konkreter Reformen, folgte Gewalt. Mehr als 1200 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten, sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seitdem von syrischen Sicherheitskräften getötet worden. Ganze Ortschaften wurden belagert und durch Panzer und Artillerie angegriffen. Sogar von Todesschwadronen des Regimes, der sogenannten "Schabbiha", ist die Rede.

Opposition lehnt Dialog ab

Demonstrationen in der syrischen Stadt Banias(Foto: dapd)
Noch immer gehen die Syrer auf die StraßeBild: dapd

Baschar al-Assad selbst und seine herrschende Clique seien diejenigen, die das syrische Volk um eine Generalamnestie bitten sollten, sagte al-Abda gegenüber der Deutschen Welle. "Diese Führung begeht seit Mitte März jeden Tag Kriegsverbrechen gegen das syrische Volk. Es gibt keine Grundlage für einen Dialog mit einem Regime, das gegen das eigene Volk Kriegsverbrechen begeht", fügte er hinzu.

Tatsächlich eskaliert die Gewalt in Syrien immer weiter. Allein seit dem Verkünden der Generalamnestie sind mehr als 100 Zivilisten von syrischen Sicherheitskräften getötet worden. Die meisten von ihnen am Freitag bei den bisher größten Demonstrationen im Land. Die Regierung hatte am Montagabend (06.06.2011) zudem erklärt, bewaffnete Extremisten hätten im Nordwesten des Landes 120 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet.

Am vergangenen Wochenende kam es zu den ersten Generalsstreiks in Homs und Hama. In einem Akt zivilen Ungehorsams blieben in beiden Städten die Geschäfte geschlossen.

Hoffnungslos überfordert

Der syrische Präsident Assad bei einer Rede im Kabinett (Foto: dapd)
Der syrische Präsident Assad bei seiner Rede vor dem KabinettBild: dapd

"Wir haben es jetzt mit Revolutionen der neuen Art zu tun. Revolutionen, die nicht ideologisch sind, die nach Würde und Freiheit verlangen und moderne Kommunikationsmittel benutzen", so der libanesische Experte Khattar Abu Diab vom Institut für Geopolitik in Paris.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer sieht Abu Diab, in dem von Präsident Assad gegründeten Ausschuss zum Nationalen Dialog.: "Sollte dieser Ausschuss konkrete Schritte unternehmen, um die andere Seite, das heißt die Opposition, sowohl im In- als auch im Ausland und die Zivilgesellschaft, anzuerkennen, dann könnte es vielleicht zu einem Wunder und einem Durchbruch kommen". Doch ob das syrische Regime wirklich in der Lage ist, die Macht mit seinen Gegnern zu teilen und sich mit seiner eigenen Bevölkerung zu versöhnen, ist mehr als fraglich. Sollten die Fronten weiterhin so verhärtet bleiben, dann steht Syrien eine schwere Zeit bevor.

Autor: Bachir Amroune
Redaktion: Lina Hoffmann