1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Syrienfrage bestimmt Gauck-Besuch

Kay-Alexander Scholz3. September 2013

Der erste Staatsbesuch eines Bundespräsidenten nach 17 Jahren in Frankreich findet mitten im Syrienkrieg statt. Gauck und sein französischer Amtskollege Hollande halten eine politische Lösung des Konflikts für möglich.

https://p.dw.com/p/19baj
Präsidenten Joachim Gauck und Francois Hollande vor dem Elysee-Palast in Paris (foto: AP)
Bild: picture alliance/AP Photo

Der Giftgasangriff in Syrien sei ein "unerträglicher Tabubruch, der eigentlich historisch als erledigt galt". "Das erfordert eine angemessene Reaktion", sagte Bundespräsident Joachim Gauck auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident François Hollande im Elysee-Palast in Paris. Konkrete Schritte könne er hier - im Gegensatz zu den Befugnissen eines französischen Präsidenten - nicht debattieren, er könne aber die Haltung der Regierung artikulieren. Er habe, so Gauck, mit der Kanzlerin über den Syrien-Konflikt telefoniert. Angela Merkel gehe davon aus, dass es - zum Beispiel beim kommenden G20-Treffen - doch noch zu einer internationalen Übereinkunft darüber kommen könne, welche Antwort die richtige sei.

Gauck betonte aber, dass Deutschland bei internationalen Einsätzen anders agiere. Das habe historische und auch rechtliche Gründe. Auch die deutsche Regierung hatte in den vergangenen Tagen eine Beteiligung deutscher Soldaten an einem möglichen Militärseinsatz in Syrien abgelehnt.

Noch keine Syrien-Abstimmung im französischen Parlament

Auf die Frage, ob es bereits am Mittwoch eine Abstimmung im französischen Parlament über einen solchen Militärseinsatz in Syrien geben könnte, antwortete Hollande: "So weit sind wir noch nicht." Stattdessen werde es im Parlament eine Diskussion geben, was man gegenwärtig über den Giftgaseinsatz wisse. "Es war ein Massaker", sagte Hollande, "eine Trägödie der Gegenwart". Die Beweise lägen auf dem Tisch, die Schuldigen seien bekannt.

Paris

Nur das Assad-Regime sei in der Lage, chemische Waffen zu kontrollieren und verfüge über die Technologie, diese auch einzusetzen. Das vom Giftgasangriff betroffene Viertel sei ein strategischer Kommunikationsknoten gewesen, wahrscheinlich sei dort das Giftgas Sarin zum Einsatz gekommen. Hollande warnte davor, dass es Wiederholungen geben könnte. Dann stünde die Sicherheit in Syrien, aber auch in der Region und weltweit auf dem Spiel.

Von der internationalen Gemeinschaft werde eine Antwort erwartet, eine solche Tat dürfe nicht ungestraft bleiben. Das gegenwärtige Ziel sei eine "politische Lösung mit allen Vertretern des Prozesses", so Hollande. Dazu zähle er die USA, Europa und auch die arabischen Länder. Wie genau eine solche politische Lösung aussehen könnte, ließ Holland offen. Allerdings könne die politische Antwort einer "breiten internationalen Koalition" einheitlich sein, die Fähigkeiten der einzelnen Länder aber andere sein. "Wir werden als Franzosen mehr Verantwortung zeigen müssen", kündigte Hollande an.

Für Aufregung sorgte am Dienstag ein Interview des syrischen Dikators Assad mit einer französischen Zeitung. Darin drohte Assad, er werde alle liquidieren, die nicht seiner Meinung sind. Hollande wertete dies als Bedrohung. Das Interview bestärke ihn in seiner Haltung. Die Frage einer französischen Journalisten, was er tun wolle, wenn US-Präsident im Parlament keine Mehrheit für einen Militärseinsatz bekäme, blockte Hollande ab: Er warte ab, was in den USA passiert und stelle sich erst dann die Frage möglicher Folgen dieser Entscheidung. Hollande aber kündigte an, zahlreiche Gespräche beim G20-Treffen über den Syrien-Konflikt führen zu wollen. Ob es ein bilaterales Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin geben werde, ließ Hollande offen.

Gauck macht Mut zu Reformen

Gauck und Hollande sprachen in ihrem rund einstündigen Gespräch im Elysee-Palast auch über das Thema Reformen in Frankreich und Europa. Vor der Presse dann machte Gauck den Franzosen Mut zu einer Politik von Konsolidierung und Reformen. Er wisse, dass es in Frankreich eine breite Diskussion über den richtigen Weg gebe. Das gehöre auch dazu, "dass die einen sagen, das sei zu viel und die anderen, das sei zu wenig." Alles was Zukunft schaffe, mache Angst in der Bevölkerung; Mentalitäten würden sich nur langsam ändern. Doch der Fall Deutschland habe gezeigt, dass der Mut zu Reformen belohnt wurde. Gauck sprach sich dafür aus, dass auch in Deutschland weitere Reformschritte folgen müssten.

Auch das Thema Jugendarbeitslosigkeit sprach Gauck an und warb für das duale Ausbildungssystem in Deutschland. "Wir wollen diese Erfahrungen anbieten - und nicht damit angeben."

Symbolträchtiger Besuch in Oradour

Das Treffen mit Hollande in Paris fand am ersten Tag des Staatsbesuchs von Bundespräsident Gauck in Frankreich statt. Beide Präsidenten würdigten die besondere Bedeutung dieses Besuchs im 50. Jahr des Bestehens des Freundschaftsvertrages beider Länder. Hollande würdigte die mutige und verantwortungsvolle Rolle Gaucks bei der Aufarbeitung der Staatssicherheit in der ehemaligen DDR. Der Bundespräsident sagte, dieser Staatsbesuch sei für ihn als im Zweiten Weltkrieg Geborenen auch persönlich ein historischer Staatsbesuch.

Joachim Gauck und Laurent Fabius bei einer Zeremonie in Paris (Foto: Antoine Antoniol/Getty Images)
Empfang für Bundespräsident Gauck in Paris mit militärischen EhrenBild: Antoine Antoniol/Getty Images

Am Mittwoch wird Gauck als erster führender Politiker aus Deutschland den Ort Oradour besuchen, an dem die Nationalsozialisten 1944 ein schreckliches Massaker anrichteten. Das werde der emotionale Höhepunkt für ihn werden, sagte Gauck. Er werde mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Demut in Oradour dem Unheil gedenken.