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Melilla: Das "spanische Guantanamo"

Guy Hedgecoe, Melilla / cb11. November 2015

Die spanische Enklave Melilla an der Küste Nordafrikas ist für syrische Flüchtlinge ein alternativer Weg nach Europa. Doch die Mittel reichen nicht für die hohe Zahl an Neuankömmlingen. Guy Hedgecoe, Melilla.

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Flüchtlinge am Tor zu Melilla. (Foto: Guy Hedgecoe, DW)
Bild: DW/G. Hedgecoe

Vor fast einem Jahr verließ Asif Duwara seine Heimat in Sweida, im Südwesten von Syrien. Der Krieg hatte seine Stadt noch nicht erreicht, aber er kam näher - und Duwara fürchtete um seine Sicherheit. Der 23-Jährige floh über Land und erreichte erst Algerien und dann, mit der Hilfe von Schmugglern, Nador im Norden Marokkos.

Dort kaufte er einen marokkanischen Pass und reiste so von Marokko nach Melilla, einer spanischen Enklave an der nordafrikanischen Küste. Er möchte noch weiter nach Norden. "Ich will in Deutschland studieren", sagte er der DW. "Mein Bruder ist dort und wir möchten die ganze Familie von Syrien nach Deutschland bringen."

Asif ist einer von tausenden Syrern, die vor dem Konflikt in ihrem Land geflohen sind und diesen komplizierten Weg nach Europa gewählt haben. Aber im Gegensatz zur Mittelmeerroute ist der Einlass von Syrern nach Melilla streng kontrolliert.

Nur etwa 20 bis 40 Syrer werden im Durchschnitt pro Tag hereingelassen, aber manchmal gelangen auch sehr viel mehr in die Stadt. Mitarbeiter von spanischen Nichtregierungsorganisationen, die den Flüchtlingen in Melilla helfen, sagen, dass die marokkanische Polizei den Flüchtlingsstrom kontrolliert. Spanische Grenzbeamte müssen die Menschen dann als Flüchtlinge ins Land lassen.

Zutritt nur für Reiche?

"Spanien hat eine inoffizielle Übereinkunft mit Marokko, was die Flüchtlinge angeht - natürlich nichts Schriftliches, das wäre illegal", sagt Jose Palazon von der NGO Prodein. "Sie haben eine Einreisequote vereinbart. Marokko kontrolliert das Ganze. Etwa 20 oder 30 [Syrer] werden jeden Tag ausgewählt, und zwar danach, wie viel sie zahlen können."

Offenes Tor und die leere Straße nach Melilla. (Foto: Guy Hedgecoe, DW)
Der Flüchtlingsstrom nach Melilla wird streng kontrolliertBild: DW/G. Hedgecoe

Palazon fügt hinzu, dass Syrer, die sich keinen ausländischen Pass beschaffen können, bis zu 3.000 Euro an die marokkanischen Beamten zahlen müssen, um nach Melilla zu kommen.

Die spanische Partei Podemos kritisiert, wie die Regierung in Madrid mit der Situation umgeht. Im Oktober besuchten einige führende Parteimitglieder die Stadt und die Temporäre Unterkunft für Migranten (CETI), in der die Flüchtlinge untergebracht sind.

Kritik an Zuständen in Melilla

"Es geht überhaupt nicht vorwärts, niemand hat den Überblick und genügend Ressourcen gibt es auch nicht", sagte Miguel Urban, ein Mitglied von Podemos im Europäischen Parlament. Seine Partei hat Melilla als "spanisches Guantanamo" bezeichnet. "Das ist nicht die Schuld der Mitarbeiter in der Unterkunft, die tun was sie können. Es ist die Schuld der Regierung, die nicht die nötigen Mittel zur Verfügung stellt", so Urban.

Er weist darauf hin, dass die Unterkunft am Rande Melillas für 480 Migranten gebaut wurde, aber zurzeit fast 2000 Menschen beherbergt. Journalisten haben keinen Zutritt, aber einige der Flüchtlinge sagen, dass es in der Unterkunft eng und oft dreckig ist, trotz der Bemühungen der Angestellten.

"Es ist sehr schwer hier, es gibt viele Menschen und viele Probleme", sagt ein 60-jähriger Syrer, der seit zwei Wochen mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der Unterkunft lebt und seinen Namen nicht nennen will. Der herzkranke Mann besteht trotzdem darauf, dass es die richtige Entscheidung war, nach Melilla zu kommen.

"In Europa gibt es keinen Krieg", sagt er der DW. "Wenn man nach Europa kommt, gibt es Essen und einen Platz zum Schlafen."

Flüchtlinge am Tor zu Melilla. (Foto: Guy Hedgecoe, DW)
Die Zustände in Melilla wurden scharf kritisiertBild: DW/G. Hedgecoe

Die Leitung der Unterkunft und die spanische Regierung standen für ein Gespräch zur Flüchtlingssituation nicht zur Verfügung. Juan Jose Imbroda, der Bürgermeister von Melilla, widerspricht aber der Kritik und sagt, die Stadt habe eine "Vorreiterrolle, was Flüchtlinge angeht".

Gestrandet in Melilla

Diejenigen, die in Melilla ankommen, verbringen normalerweise zwei bis drei Monate in der Enklave, bevor sie nach Spanien gebracht werden und eine "rote Karte" bekommen, die ihnen erlaubt, sich frei im ganzen Land zu bewegen. In der Zwischenzeit wird ihnen der Pass abgenommen und ihr Aufenthaltsstatus überprüft. Das kann 18 Monate oder länger dauern.

Die Begeisterung darüber, es nach Europa geschafft zu haben, nimmt bei vielen Syrern schnell ab, wenn sie in Melilla mehrere Wochen auf ihre Papiere warten müssen. "Melilla ist kein Ort zum Bleiben", sagt ein anderer Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen möchte. Er ist mit seiner Frau und seinem Sohn seit mehreren Wochen in der Stadt. Er fühle sich nicht sicher und sei schon von Marokkanern angegriffen worden. Doch er sei fest entschlossen, Spanien nicht nach den Stärken seiner nordafrikanischen Enklave zu beurteilen.

"Viele Menschen [hier] denken schlecht über Spanien", sagt er der DW. Im Gegensatz zu vielen seiner Leidensgenossen will er aber nicht in ein anderes europäisches Land - jedenfalls vorerst nicht.

"Ich werde das jetzt noch nicht entscheiden", sagt er. "Mal sehen, wie es ist, wenn ich nach Madrid komme oder an einen anderen Ort in Spanien. Wenn sie mich dort gut behandeln, will ich bleiben. Ich will nicht Tausende von Euro oder Dollar auf meinem Bankkonto, ich möchte einfach nur leben und so bald wie möglich anfangen zu arbeiten."