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Politik

"Systemisches Versagen" der Feuerwehr

31. Oktober 2019

1000 Seiten stark ist der Untersuchungsbericht zum Brand im Londoner Grenfell Tower vor zwei Jahren. Nach der Veröffentlichung sparen Überlebende und Hinterbliebene nicht mit Kritik. Die Feuerwehr kommt nicht gut weg.

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Grenfell Tower Jahrestag Gedenken
Heute ist das ausgebrannte Hochhaus mit einer weißen Hülle und dem Banner verkleidet: Grenfell für immer in unseren Herzen Bild: Reuters/S. Dawson

Das Feuer hatte sich rasend schnell in dem 24-stöckigen Gebäude ausgebreitet. Mehr als 70 Menschen kamen in den Flammen um. Gut zwei Jahre später liegt nun der Untersuchungsbericht vor. Ausgelöst wurde das nächtliche Feuer demnach durch einen defekten Kühlschrank in der vierten Etage. "Hauptgrund" für die schnelle Ausbreitung des Brandes war die Fassadenverkleidung aus leicht entzündlichem Metall.

UK Mindestens zwölf Tote und dutzende Verletzte bei Hochhausbrand in London
Das Gebäude brannte vollkommen aus Bild: Reuters/T. Melville

Doch auch die britische Feuerwehr trägt nach Ansicht der Experten einen Anteil an der Katastrophe. Ihr wird in dem Bericht "systemisches Versagen" vorgeworfen - vor allem deswegen, weil sie die Bewohner des Hochhauses angewiesen habe, in ihren Wohnungen zu bleiben, "als die Treppen noch begehbar waren", wie der Leiter der Untersuchung, Martin Moore-Bick, erklärte. In der Nacht auf den 14. Juni 2017 hätten "mehr Leben gerettet werden können". Die Feuerwehr habe nach einem Hochhausbrand im Jahr 2009 "nicht ihre Lektion gelernt".

"Feuerwehrmänner gehören ins Gefängnis"

Überlebende und Hinterbliebene sparen nicht mit Schuldzuweisungen. Einige von ihnen wollen die Feuerwehrleute im Gefängnis sehen. Nur ein Untersuchungsbericht sei zuwenig. Augenzeugen schilderten, die Brandschützer seien erst gar nicht ins Haus gelangt, da der Schlüssel nicht gepasst habe. Anschließend seien sie komplett überfordert gewesen. Manche hätten nicht einmal Helme getragen, anderen fehlten die Atemschutzmasken.

London Grenfell Tower Feuer Gedenken
Eine Gedenkstätte vor dem Hochhaus erinnert an die Opfer der Brandkatastrophe Bild: picture-alliance/dpa/S. Parsons

"Egal wie mutig die Feuerwehrleute waren", ihnen habe es "erheblich an gesundem Menschenverstand gefehlt", klagte Nazanin Aghlani, deren Mutter in den Flammen starb. Die Feuerwehrleute seien in ihren Augen "keine Helden", sondern "Profis, die dafür bezahlt werden", sagte sie vor Journalisten in Westminster. Nabil Choucaire, der sechs Angehörige bei dem Brand verlor, kritisierte, angesichts der lodernden Flammen hätten die Brandschützer die Bewohner "sehr viel früher" evakuieren müssen.

Gewerkschaft weist Anschuldigungen zurück 

Der Generalsekretär der Feuerwehrgewerkschaft, Matt Wrack, wies den Vorwurf schwerwiegender Fehler zurück. Es sei "völlig unklar, ob eine Evakuierung mehr Leben hätte retten können", sagte er. Die Feuerwehrmänner hätten bei den Löscharbeiten ihr eigenes Leben riskiert. Die wahren Schuldigen sieht der Gewerkschaftsmann unter diejenigen, "die das Gebäude mit einer brennbaren Hülle verkleideten, die das Brandschutzsystem des Vereinigten Königreichs ausgehöhlt und die Bitten einer um ihre Sicherheit besorgten Öffentlichkeit nicht gehört haben".

Großbritannien Grenfell Tower Innenaufnahme
So sahen die Wohnungen nach dem Feuer aus Bild: Reuters/AP/Metropolitan Police

Rückendeckung erhielten die Feuerwehrleute von Londons Bürgermeister Sadiq Khan. Sie hätten "unglaublichen Mut" bewiesen und "unter schwierigsten Bedingungen" gegen einen Brand angekämpft, der durch "einen katastrophalen Baufehler" ausgelöst worden sei, sagte Khan. "Es war nicht ihr Fehler."

se/rb (dpa, afp, ap)