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ANC vor Bewährungsprobe

Birgit Morgenrath9. Oktober 2015

Seit 21 Jahren regiert der ANC das Land am Kap. Die Partei steckt in der Krise. Korruption und Vetternwirtschaft enttäuschen ihre Anhänger. Die Opposition wächst. Auf dem Parteitag müssen neue Weichen gestellt werden.

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Zerrissenes ANC-Wahlplakat (Foto: REUTERS/Mark Wessels)
Bild: Reuters

Südafrika steht an einem Scheideweg. Weit verbreitete Korruption, ungestrafte Vetternwirtschaft auf allen Ebenen der Regierungspartei, eine ineffiziente Verwaltung und die immer größere Ungleichheit zwischen Arm und Reich lassen das Vertrauen der Bevölkerung in die einst hoch verehrte Ex-Befreiungsbewegung mehr und mehr sinken.

In seiner Auftaktrede auf dem Parteikongress malte Staatspräsident und ANC-Vorsitzender Jacob Zuma dagegen das Bild eines Landes, das zwar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke, im Vergleich zu anderen aber keineswegs schlecht dastehe. Es gebe bedeutende Erfolge, die im Ausland stärker als in Südafrika selbst anerkannt würden. Der letzte Bericht des "World Economic Forum" bestätigt, dass Südafrika um sieben Plätze auf den 49. Platz von 140 Nationen aufgestiegen ist.

Dieser Bericht spiegelt aber keineswegs die ganze Wahrheit. Robert Kappel, ehemals Präsident des Hamburger-GIGA Instituts, betont die niedrigen Wachstumsraten und die hohe Arbeitslosigkeit, die vor allem bei der Jugend "großen Frust" hervorrufe. Täglich protestieren Bewohner in Townships gegen fehlende Wasser- und Stromanschlüsse.

Spaltung der Partei

Parteichef Zuma vermied in seiner Rede jedes ehrliche Wort zum Zustand der Ex-Befreiungsbewegung und Regierungspartei. Der ANC ist zutiefst gespalten. "Nicht entlang ideologischer Linien, links oder rechts, kapitalistisch oder kommunistisch orientiert", sagt Tom Lodge, lange Jahre Politikwissenschaftler an der Johannesburger Witwatersrand- Universität und heute an der Universität in Limerick tätig. Der Zwiespalt verlaufe vielmehr entlang persönlicher Loyalitäten.

Jacob Zuma Südafrika sitzt auf Stuhl (Foto: imago)
Korruption und Vetternwirtschaft haben unter Präsident Zuma stark zugenommenBild: Imago

Auf der einen Seite stehe die sogenannte "Zuma-Clique", auf der anderen Seite die Reformer, die Zuma beim Parteitag zur Wahl einer neuen Führung in zwei Jahren ablösen könnten. Robert Kappel zufolge hat die Zuma-Gefolgschaft die Macht übernommen und pflege eine Kultur der Bereicherung, der ungehinderten Aneignung von Jobs, staatlichen Ressourcen und Ämtern. "Die Hälfte der ANC-Parlamentarier sind Geschäftsführer einer Firma. Das sind oft Familienunternehmen, und die machen Geld mit staatlichen Aufträgen", sagt Tom Lodge.

Gerade die fast allgegenwärtige Korruption der gewählten Stadt- und Kreisräte verärgere die Bevölkerung, von der ein großer Teil immer noch ohne Wasser, Strom und nennenswerte Einkommen in informellen Siedlungen überleben muss.

Bewährungsprobe Kommunalwahlen 2016

In den ersten Jahren konnte sich der ANC stets auf eine Zustimmung von über 70 Prozent der Wählerstimmen verlassen, die Werte gingen in den letzten Jahren jedoch auf circa 60 Prozent zurück. Robert Kappel glaubt, dass der ANC unter Druck geraten wird. Denn die Reformkräfte in der Partei könnten stärker werden. Darin sieht er eine Chance zur Erneuerung der Partei. Wie auch in der heute stärkeren Opposition. "In vielen Kommunen gibt es nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch lokale Gruppierungen, die echte Alternativen bieten könnten."

Proteste gegen die Korruption (Foto: REUTERS/Mike Hutchings)
Die Bevölkerung und auch viele ANC-Mitglieder sind unzufriedenBild: Reuters/M. Hutchings

Darüber hinaus sei der Austritt vieler Gewerkschaften, wie etwa der mächtigen Metaller-Gewerkschaft NUMSA, aus der Dreier-Allianz von ANC, kommunistischer Partei und Gewerkschaftsdachverband COSATU Teil einer wachsenden Front gegenüber dem ANC. Der Partei Mandelas sei die Fähigkeit abhanden gekommen, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu garantieren, sagt Robert Kappel. Tom Lodge glaubt dagegen, die Wähler werden dem ANC lediglich einen kleinen Dämpfer verpassen: "Häufig haben die Südafrikaner in Lokalwahlen dem ANC die gelbe Karte gezeigt, um dann bei den nationalen Wahlen wieder loyal für ihn zu stimmen."

Zumas Nachfolger für 2019

Tom Lodge nennt zwei mögliche Kandidaten für Zumas Nachfolge bei den nationalen Wahlen 2019: Dem Parteiprotokoll gemäß würde der jetzige Vizepräsident Cyril Ramaphosa ins höchste Partei- und Staatsamt aufrücken. Der sei aber kein Kandidat für die Aktivisten an der Basis und habe als Ex-Chef der Bergarbeitergewerkschaft seine Unterstützer in den Gewerkschaften längst verloren. Nkosazana Zuma, Ex-Frau des Staatspräsidenten und derzeit Kommissionsvorsitzende in der Afrikanischen Union, gelte zwar als korruptionsfrei und sei als gute Managerin und erfolgreiche Ministerin respektiert, aber ihr fehle Ausstrahlung und sie habe viele Feinde im ANC, so Lodge.

Zum Parteitag in Johannesburg treffen rund 4000 Delegierte aus dem ganzen Land in Johannesburg zusammen. Ihre Diskussionen werden darüber entscheiden, ob der ANC in den eigenen Reihen aufräumt und korrupte Stadträte, undurchsichtige Ausschreibungen und Patronage bestraft und aus der Partei ausschließt. Parteiführer Zuma dürfte dabei keine treibende Kraft sein.