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Die Folgen der Flutkatastrophe

Adrian Kriesch
23. April 2022

Südafrika hat schwer mit den Folgen einer der größten Naturkatstrophen zu kämpfen, die das Land in seiner Geschichte heimgesucht hat. Überschwemmungen haben mehr als 400 Menschen getötet und Tausende Häuser zerstört.

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Ein Pickup wurde offenbar in ein Haus gespült
Die Fluten hinterließen verheerende Zerstörungen in Durban und UmgebungBild: ROGAN WARD/REUTERS

Lungile Nene versucht noch immer zu verstehen, was passiert ist, während sie die Reste des Hauses betrachtet, in dem ihre Familie gelebt hat. Sie befand sich in ihrem Haus im Township Ntuzuma in Durban, als die Erde begann, sich zu bewegen. Das Haus stürzte zur Hälfte ein und tötete dabei ihre zehnjährige Cousine Azanda.

"Es fühlte sich an, als würde mein Herz in tausend Stücke zerspringen", erzählt Nene und versucht, die Tränen zurückzuhalten, während sie Azandas Schulranzen durchsucht, den sie in den Trümmern gefunden hat. "Sie war ein lebhaftes Mädchen, immer fröhlich, immer glücklich."

Das Haus von Nenes Nachbarn wurde von den Überschwemmungen der vergangenen Woche vollständig fortgespült. Von den vier Bewohnern des Hauses, einer alten Dame mit ihren drei Enkeln, konnten Rettungskräfte nur eines der Enkelkinder lebend aus den Trümmern ziehen. Die drei anderen konnten nicht mehr gerettet werden. Das jüngste Enkelkind war erst zwei Jahre alt.

Häuser, Leben, Existenzen zerstört

Mindestens 448 Menschen starben, als die Flüsse nach tagelangen starken Regenfällen an der Ostküste Südafrikas über ihre Ufer traten und Schlammlawinen sich ihren Weg durch die Stadt Durban und die Provinz KwaZulu Natal bahnten. Straßen und Brücken wurden von den Fluten fortgespült. Fast 4000 Häuser wurden zerstört, mehr als 600 Schulen waren von den Überschwemmungen betroffen.

Menschen stehen Schlange an einem Tanklaster, andere tragen Eimer mit Trinkwasser davon
Vielen Anwohnern fehlt es am Nötigsten, selbst an sauberem TrinkwasserBild: PHILL MAGAKOE/AFP

Sachin Harisunkers Firma Grindrod Intermodal hatte etwa 1500 Transportcontainer in einem Depot in der Nähe des Hafens gelagert. Er berichtet, wie die Fluten Hunderte davon wegschwemmten wie Spielzeug. Die Container blockierten Straßen und beschädigten Brücken. Jetzt versuchen Harisunker und sein Team, sie zu bergen. Doch er steht vor einer weiteren Herausforderung. "Zu dieser Katastrophe hinzu kommen noch die Plünderungen", erzählt Harisunker der DW: "Sie haben die Büros geplündert, alle Computer, Mikrowellenherde, Kühlschränke, Ersatzteile mitgenommen. Sie haben sogar alle Kabel abgeschnitten. Was sie erbeuten konnten, haben sie gestohlen." Es würde ihm das Herz brechen, fügt der Logistikmanager hinzu: "Unsere ganze harte Arbeit. Aber so ist es nun mal. Wir müssen es eben von hier aus wieder neu aufbauen."

Präsident sieht Ursache im Klimawandel

Während des Besuchs einer Schule, die nun als Notunterkunft dient, machte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Veränderungen der Wettermuster für die Naturkatastrophe verantwortlich. "Dieses Desaster ist ganz offensichtlich Teil des Klimawandels", betonte Ramaphosa und versprach, die beschädigte Infrastruktur wiederaufzubauen und die Flutopfer mit dem Nötigsten zu unterstützen.

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa kratzt sich während einer Befragung in einem Korruptionsprozess am Kopf
Präsident Cyril Ramaphosa macht den Klimawandel für die Naturkatastrophe verantwortlich (Archivbild)Bild: Sumaya Hisham/AP Photo/picture alliance

"Dieses Ereignis zeigt uns, dass wir den Klimawandel ernst nehmen müssen. Er ist hier", sagte Ramaphosa. "Wir können die Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, um dem Klimawandel zu begegnen, nicht länger hinauszögern. Wir müssen unser Katastrophenmanagement auf ein höheres Niveau bringen."

Präsident Ramaphosa erklärte den nationalen Notstand, um angemessen auf die Katastrophe reagieren zu können. Er versprach, 10.000 Soldaten zu entsenden, die helfen sollen, die Hochwasserschäden zu beseitigen und die Strom- und Wasserversorgung wiederherzustellen.

Außerdem kündigte die Regierung einen Notfallfonds in Höhe von mehr als einer Milliarde Rand (60 Millionen Euro) an. Ramaphosa warnte jedoch auch in klaren Worten vor Korruption: "Transparenz und Rechenschaftspflicht müssen von Anfang an gewährleistet sein", erklärte er in einer Rede an die Nation. "Nicht erst, nachdem das Geld verschwendet oder gestohlen wurde."

Korruption und Misstrauen weit verbreitet

Lungile Nene im Township Ntuzuma hat Zweifel, ob die Regierung ihre Versprechen halten wird. Sie fand Unterschlupf im Haus ihrer Großmutter und fragt sich nun, ob sie überhaupt Hilfe von der Regierung bekommen wird.

Wo einmal eine Brücke war, klafft in der Straße eine ca. 30 Meter tiefe und breite Lücke
Sintflutartige Regenfälle haben die Infrastruktur schwer beschädigtBild: ROGAN WARD/REUTERS

Auch Nenes Mutter ist pessimistisch. Sie vermutet, dass sich nicht viel ändern wird: Einige wenige würden reich, und die, die es nötig haben, erhielten keine Hilfe. "Sie werden Decken für 200 Rand kaufen und 500 Rand von der Regierung einstecken. Das haben wir schon so oft gesehen", sagt sie und erinnert an die zahlreichen Korruptionsfälle im Zusammenhang mit den Coronahilfen.

Nachbar Lebo Mokoena weist auf die vielen Opfer hin, die nach den starken Überschwemmungen im Jahr 2019 noch immer auf die versprochene Entschädigung und Häuser von der Regierung warten. "Wir bitten inständig um Hilfe", sagt er. "Wir wollen keine weiteren leeren Versprechungen."

Immer wieder Überschwemmungen

Starke Regenfälle und Überschwemmungen sind in der Region um diese Jahreszeit keine Seltenheit. Im Jahr 2019 kamen 85 Menschen bei Überschwemmungen ums Leben. Doch dieses Mal waren die Regenmengen mehr als doppelt so groß wie in den Jahren zuvor.

"Wir waren alle von der Stärke dieses Sturms überrascht", betont Durbans Bürgermeister Mxolisi Kaunda. Am 11. April fielen in der Hafenstadt innerhalb von 24 Stunden nahezu 300 Millimeter Regen. Die Niederschlagsmenge im gleichen Zeitraum vor drei Jahren betrug gerade einmal 165 Millimeter.

Schwerwiegende und extreme Wetterereignisse treten Wissenschaftlern zufolge aufgrund des Klimawandels immer häufiger in der Region auf. In den vergangenen Jahren hatten auch andere Länder im südlichen Afrika wie Mosambik, Simbabwe und Madagaskar unter massiven Zerstörungen durch tropische Stürme zu leiden. Zehntausende Menschen verloren dadurch ihr Zuhause.