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"Törichtster Krieg seit Vietnam"

13. Oktober 2004

Das ist eine nie da gewesene Ohrfeige für die Regierung Bush: In einem offenen Brief erteilen mehr als 650 US-Gelehrte dem amtierenden Präsidenten der USA einstimmig ein miserables Urteil für seine Außenpolitik.

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Tod und Trauer sind Folgen des Kriegs im IrakBild: AP

So viel Einigkeit ist selten in der US-amerikanischen Welt der Geisteswissenschaftler, Denker und Politologen. In einer Branche, die oft nur darin einig ist, sich nicht einig zu sein, haben mehr als 650 Gelehrte gemeinsam ein politisches Manifest verfasst - und sie verurteilen darin die Außenpolitik des amtierenden Präsidenten.

In ihrem am Dienstag (13.10.2004) veröffentlichten Brief an US-Präsident George W. Bush kritisieren die Gelehrten die derzeitige Konzentration auf den Irak-Krieg als die "törichtste" Politik seit dem Vietnam-Krieg, die zudem "dem Kampf gegen extreme islamistische Terroristen schadet".

Mythen statt Fakten

Der Krieg habe die Debatte über die richtige Außen- und Sicherheitspolitik verzerrt, heißt es in dem Schreiben der parteiunabhängigen Gruppe "Gelehrte auf dem Gebiet der Sicherheit für eine vernünftige Außenpolitik". Und weiter: Unter Bush werde Gewicht gelegt auf "Spekulation statt auf Fakten", auf "Mythen statt auf nüchterne Berechnung" sowie auf "unangebrachte Prinzipienreiterei statt auf Abwägungen der nationalen Interessen".

Die Gelehrten loben zwar Bushs Entscheidung, die El-Kaida-Camps in Afghanistan zu zerstören. Doch habe auch hier der Irak-Krieg die erfolgreiche Suche nach Terroristen in Afghanistan unterlaufen, monieren sie. Viele der Argumente für den Angriff auf den Irak seien inzwischen widerlegt, und selbst unter moralischen Gesichtspunkten seien die Gründe für den Krieg zweifelhaft gewesen: "Mehr als 1000 Amerikaner wurden getötet sowie tausende Iraker, und sollte der drohende Bürgerkrieg Realität werden, wird es der Bevölkerung noch schlimmer ergehen als unter Saddam Hussein."

Im tiefen Loch

Bush macht Wahlwerbung
Viel Show, wenig Politik - Kritik an der Außenpolitik von Präsident Bush (hier beim Überraschungsbesuch in Bagdad am 27.11.2003.)Bild: AP

Der Brief wirft der Regierung vor, sich über die meisten der Probleme und Risiken bewusst gewesen zu sein; doch habe sie sie "heruntergespielt, verborgen oder verdreht".

Die Unterzeichner des Briefes lehren an mehr als 150 Colleges und Universitäten in 40 US-Bundesstaaten. Zu ihnen zählen ehemalige Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums Pentagon, des Außenministeriums und des Nationalen Sicherheitsrats sowie sechs der sieben letzten Präsidenten der Amerikanischen Politikwissenschaftlichen Vereinigung.

"Es sagt schon alles, wenn so viele Experten für internationale Beziehungen, die nur selten einer Meinung sind, sich dieses Mal einig sind über die hohen Kosten des Krieges für die USA", so Professor Robert Keohane von der Duke University. Professor Richard Samuels vom Massachusetts Institute of Technology appellierte an die Regierung Bush, "die schon jetzt in einem tiefen Loch sitzt, nicht noch weiter zu graben". (mas)