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Türkei bekräftigt Aus für Istanbul-Konvention

19. Juli 2022

Die Entscheidung der Richter fiel knapp aus: Mit drei zu zwei Stimmen gaben sie Präsident Recep Tayyip Erdogan Recht. Dieser war per Dekret aus dem internationalen Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt ausgestiegen.

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Frauenproteste in Istanbul
Frauen protestieren in der Türkei gegen den Ausstieg des Landes aus der Istanbul-Konvention (Archivbild) Bild: Bulent Kilic/AFP/Getty Images

Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hat den Austritt des Landes aus der internationalen Istanbul-Konvention für Frauenrechte bestätigt. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte den Rückzug aus der Vereinbarung im März 2021 beschlossen. Das internationale Abkommen verpflichtet seine Unterzeichner dazu, Frauen durch Gesetze vor Gewalt zu schützen und gegen Gewalttaten vorzugehen. Die wegweisende Konvention des Europarats war 2011 in Istanbul unterzeichnet worden. Konservative Gruppen und eben auch Erdogan und seine nationalistische Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) sind der Ansicht, der Vertrag fördere Homosexualität und bedrohe traditionelle Familienwerte.

Ein Bündnis aus Oppositionsparteien, Anwälten und Menschenrechtsaktivisten hatte gegen Erdogans Entscheidung geklagt. Sie argumentierten, der Präsident habe nicht die Befugnis, die Mitgliedschaft in einem internationalen Abkommen per Dekret aufzuheben. Ähnlich sahen dies die beiden abweichenden Richter des Obersten Verwaltungsgerichts. Sie erklärten in einer separaten Stellungnahme, sie seien der Meinung, dass Erdogan mit seinem Vorgehen seine Kompetenzen überschritten habe.

Türkei Ankara | Präsident Recep Tayyip Erdogan
Staatschef Recep Tayyip Erdogan (Archivbild) Bild: Murat Kula/AA/picture alliance

Die größte türkische Oppositionspartei CHP kündigte umgehend an, gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einzulegen. Parteichef Kemal Kilicdaroglu versprach zudem: "Wenn wir an der Macht sind (...), werden wir die Istanbul-Konvention in der ersten Woche oder sogar in den ersten 24 Stunden wieder einführen." Der Oppositionsführer ist ein möglicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Juni 2023.

Frauenorganisationen rufen zu weiteren Demonstrationen auf

Die Frauenrechtsorganisation "Stop Feminicides" rief zu Kundgebungen gegen das Urteil in mehreren türkischen Städten wie Istanbul und Izmir auf. "Aus rechtlicher Sicht ist es erschreckend", sagte die Anwältin der Organisation, Ipek Bozkurt, der Nachrichtenagentur AFP. "Diese fehlerhafte Entscheidung hätte vom Gericht gestoppt werden müssen."

Nach Informationen der türkischen Organisation "We Will Stop Femicide" (Wir beenden die Frauenmorde) sind in diesem Jahr bislang mindestens 226 Frauen ermordet worden, im vergangenen Jahr waren es 425. Die führende Frauenrechtsorganisation im Land soll verboten werden. Im April reichte ein Staatsanwalt in Istanbul eine entsprechende Klage ein. Darin werden der Organisation "Aktivitäten gegen das Gesetz und die Moral" vorgeworfen.

se/ehl (afp, ap)