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Türkei in der Sackgasse?

9. Juli 2002

Nach dem Rücktritt einer Reihe hochrangiger Politiker droht die Regierung von Ministerpräsident Bülent Ecevit auseinander zu brechen. Auch die Verhandlungen zum EU-Beitritt sind gefährdet.

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Wie lange noch ...? Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit (Mitte)Bild: AP

Der stellvertretende Vize-Regierungschef Husamettin Özkan trat zusammen mit weiteren Ministern und Abgeordneten aus der Regierungspartei aus. Die größte Regierungspartei der Türkei, die Demokratische Partei der Linken, DSP, steht damit vor der Spaltung. Der Druck auf den gesundheitlich angeschlagenen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit wächst.

Forderung nach Neuwahlen

Der türkische Vizepremierminister Mesut Yilmaz sprach offiziell bereits von einer Regierungskrise und forderte baldige Neuwahlen. Eine neue Regierung sei schon deshalb notwendig, um noch vor Dezember 2002 die von der Europäischen Union geforderten Reformen umsetzen zu können, sagte der Vorsitzende der konservativen Mutterlandspartei (ANAP) am Dienstag (09.07.) im türkischen Privatfernsehen.

Auch Ecevits nationalistischer Koalitionspartner, die Partei der nationalen Bewegung (MHP), hat eine vorgezogene Neuwahl gefordert. Sie gilt jetzt als die stärkste Fraktion im Parlament von Ankara.

Vizepremier Yilmaz verwies darauf, dass insbesondere der zurückgetretene stellvertretende Ministerpräsident Husamettin Özkan bisher die Koalition aus DSP, MHP und ANAP zusammengehalten habe. Ohne ihn könne die Regierung nicht länger funktionieren. Neuwahlen im November, wie sie MHP-Chef Devlet Bahceli vorgeschlagen habe, seien jedoch zu spät, um bis zum EU-Gipfel im Dezember ein Reformprogramm präsentieren zu können.

EU-Beitritt gefährdet?

Die EU hatte für Dezember 2002 die Aufnahme formeller Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei in Aussicht gestellt. Yilmaz nannte es als unabdingbar, diese Chance nicht zu verpassen. Dies sei man dem Wohl und dem Glück der nachfolgenden Generationen schuldig.

Ob die Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei tatsächlich noch dieses Jahr beginnen können, ist nun jedoch wieder fraglich. Angesichts der politischen Instabilität drohen auch die ohnehin angeschlagenen türkischen Märkte weiter einzubrechen.

Die Wirtschaft des Landes war schon im vergangenen Jahr um 9,4 Prozent geschrumpft, was zu Massenentlassungen geführt hatte. Kritikern eines Türkei-Beitritts zur EU gab dies Munition für ihre ablehnende Haltung. Jetzt steckt die Türkei, das Land an der Schnittstelle von Kulturen und Religionen, von westlichen und östlichen Werten und Normen, noch tiefer als voriges Jahr in der Sackgasse. (AP/pt)