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Türkei: Tauziehen um die Notenbank

7. Juni 2018

Der Absturz der türkischen Lira scheint für Ankara zum Weckruf zu werden. Der Vize-Ministerpräsident verteidigt nun eine unabhängige Notenbank. Und stellt sich gegen den Präsidenten. Die Notenbank erhöht den Leitzins.

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Türkei Währung
Bild: Getty Images/AFP/O. Kose

"Die Zentralbank wird unabhängig bleiben. Punkt." Mit dem schlichten Satz lässt sich der türkische Vize-Ministerpräsident Mehmet Simsek an diesem Donnerstag von der deutschen Zeitung "Handelsblatt" zitieren. Die Bemerkung hat es in sich und das gleich doppelt: Sie klingt wie die Anerkennung eines ernsten Problems - die türkische Lira ist gerade im Abwärtstaumel. Mit dem Satz widerspricht  Simsek aber auch seinem Präsidenten Erdogan.

Infografik Türkische Währung auf historischem Tiefstand DE

Der Präsident hatte nämlich Mitte Mai in einem Interview gesagt, er wolle nach den Wahlen die eigene Kontrolle über die Geldpolitik stärken. Ein Reporter hatte ihn explizit gefragt, ob er in der Geldpolitik eine größere Rolle spielen wolle. Die Antwort Erdogans: "Ja, das will ich! Das mag manche beunruhigen. Aber wir müssen das tun."

Prompt nahm der Verfall der türkischen Lira richtig Fahrt auf. Die Lira verlor noch einmal fünf Prozent an Wert. Seit Beginn des Jahres hat die Landeswährung ein Viertel ihres Wertes eingebüßt. Nicht zuletzt große Unternehmen des Landes bringt das in Schwierigkeiten, denn sie haben sich oft in Fremdwährungen verschuldet. Der Kursverlust der Lira macht diese Schulden teurer. 

"Die Bedenken sind stärker geworden"

Simsek machte in dem Interview mit dem "Handelsblatt" nun die steigenden US-Leitzinsen, den starken Dollar und die hohen Ölpreise für die Talfahrt der Lira verantwortlich. Allerdings führte er auch spezifisch türkische Faktoren an. Insbesondere habe es Zweifel an der Geldpolitik der Türkei gegeben, sagte Simsek.

Türkischer Vize-Premierminister Mehmet Simsek
Mehmet Simsek, türkischer Vize-RegierungschefBild: picture-alliance/AA/Y. Ozturk

"Diese Bedenken sind stärker geworden in den vergangenen Monaten, nachdem die Inflation zugenommen hat und die Rhetorik über die Geldpolitik nicht mehr orthodox war", sagte Simsek, der in der Regierung für Wirtschaft zuständig ist. Seiner Meinung nach ist das Problem aber unter Kontrolle. Die Zentralbank hatte Ende Mai nach langem Zögern die Leitzinsen erhöht. Hintergrund ist, dass Erdogan ein strikter Gegner hoher Zinsen ist. Anders als Ökonomen sieht Erdogan in hohen Zinsen kein Mittel gegen, sondern einen Grund für eine hohe Geldentwertung.

Volkswirte warnen inzwischen vor bedrohlichen Szenarien. "Wenn die türkische Lira weiter abwertet, kann es zu einem sogenannten Fire Sale kommen", fürchtet etwa Erdal Yalcin von der Hochschule HTWG in Konstanz, "dabei verläßt das ausländische Kapital binnen weniger Tage das Land." Das könne Erdogan selbst mit Kapitalverkehrkontrollen nicht verhindern, so Yalcin. Die Türkei stehe ökonomisch von schweren Zeiten. "Es wird zu Insolvenzen und Bankrotten kommen für Unternehmen und Familien, weil verschuldungsbasierte Politik nicht dauerhaft funktionieren kann."

Türkei Markt in  Ankara
Mehr als 12 Prozent Inflation. Markt in Ankara. Bild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Die Inflation in der Türkei liegt inzwischen im zweistelligen Bereich. Die türkische Statistikbehörde Tüik bezifferte die Inflation mit genau um 12,15 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Getrieben wird die Teuerung durch den seit Monaten anhaltenden Verfall der Lira, der Treibstoff und andere Importe verteuert.

Wahlen am 24. Juni

Zu Wochenbeginn gewann die Lira wieder an Wert, weil die Märkte darauf spekulierten, dass die Zentralbank schon gegensteuern werde, um die Inflation einzudämmen. Kurzzeitig stieg die Lira auf 4,59 Lira zum Dollar, bevor sie dann wieder absackte. Tatsächlich erhöhte die Zentralbank bei ihrer Sitzung an diesem Donnerstag den Leitzins erneut. Er liegt nun bei 17,75 statt bisher 16,5 Prozent. Dennoch lag die Lira am Donnerstag bei 4,45 zum Dollar nach zuletzt 4,57. 

In der Türkei werden am 24. Juni erstmals gleichzeitig das Parlament und der Präsident gewählt. Ab diesem Donnerstag sind bereits die Wahllokale für Millionen von Auslandstürken geöffnet. Die Wähler bezeichnen die Lage der Wirtschaft als das Thema, das sie am meisten umtreibt. Derzeit ist es nicht sicher, ob Erdogan im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erzielt. Andernfalls steht am 8. Juli eine Stichwahl an.

Die türkische Lira taumelt

ar/hb (rtr, afp, dpa)