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Türkei zu Gast beim Beethovenfest

Greg Wiser/ Adaption: Suzanne Cords6. Juni 2012

Im Herbst findet zum 12. Mal der Orchestercampus statt, bei dem junge Musiker in der Beethovenstadt ihr Können zeigen werden. In diesem Jahr wird das türkische Jugendnationalorchester antreten.

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Turkish National Youth Orchestra

Mit dem Stück "Traffic", das den lauten und pulsierenden Verkehr aus der Bosporus-Metropole Istanbul musikalisch imitiert, wird das türkische Orchester die Besucher gleich zu Beginn des sogenannten Campuskonzerts in den Klang des Orients einführen.

Die DW hat das Werk bei dem 21-jährigen türkischen Komponisten Mehmet Erhan Tanman in Auftrag gegeben, und die einhundert Musiker des türkischen Jugendnationalorchesters werden es am 19. September beim Beethovenfest erstmals öffentlich aufführen. Neben "Traffic" stehen an dem Abend auch Werke von Beethoven, Strauss, Ravel and Bartók auf dem Programm.

Musik als Schlüssel zur Integration

Dirigent Cem Mansur hat das türkische Jugendnationalorchester 2007 gegründet. Für ihn ist der Auftritt der Musiker in Bonn ein Schritt in Richtung kultureller Integration. Immerhin ist Deutschland zur Heimat vieler Türken geworden, die in den 1960er Jahren als Gastarbeiter einreisten, blieben und Familien gründeten. Und doch steht die deutsch-türkische Gemeinde immer wieder im Fokus politischer Integrationsdebatten.

Die Fragen nach nationaler Zugehörigkeit und Identität spiegelten sich auch in der Musik wider, betont Mansur. "Seltsamerweise findet die zweite und dritte Generation der Türken - von den ersten Einwanderern ganz zu schweigen -, dass sie weniger türkisch sind, wenn sie Beethoven hören. Es ist wirklich Blödsinn, dass Menschen sich so an eine nationale Identität klammern und meinen, diese um jeden Preis verteidigen zu müssen", betont der Dirigent.

Cem Mansur, Dirigent des Türkischen Jugendnationalorchesters (Foto: DW)
Für Mansur spielt Musik eine Schlüsselrolle bei der IntegrationBild: DW

"Einfach Mensch sein"

Der Orchestercampus im Rahmen des Beethovenfests findet seit 2001 statt. In diesem Jahr heißen die Festivalorganisatoren und die DW die Türkei zum zweiten Mal als Partnerland willkommen. "Es ist ein kulturelles, aber auch ein soziales Projekt", bekräftigt Beethovenfest-Intendantin Ilona Schmiel. "Auf diese Weise beziehen wir junge Leute mit ein, die sich sonst vielleicht vom Festival nicht angesprochen fühlen würden."

In diesem Jahr bietet der Orchestercampus ein breitgefächertes Angebot, das den Dialog zwischen Deutschland und der Türkei fördern soll. Einerseits gibt es Workshops für junge türkische Kulturjournalisten, andererseits auch für Mitglieder des türkischen Jugendnationalorchesters: Bekannte deutsche Musikern werden den Nachwuchs intensiv betreuen. Während ihres Aufenthalts in Bonn werden die jungen Türken in deutschen Familien untergebracht, so dass sie hautnah den Alltag miterleben können.

Ebenso wie Intendantin Schmiel hofft auch Dirigent Cem Mansur, dass der Auftritt dieses Jugendorchesters Zuhörer aus der deutsch-türkischen Gemeinde in den Konzertsaal locken wird, die zu anderen Gelegenheiten wohl nicht zum Beethovenfest kommen würden.

"Ich denke, für viele Deutschtürken wird es interessant sein zu hören, dass junge Leute aus dem Land ihrer Vorväter Musik aus der Stadt spielen, in der sie jetzt in Deutschland leben", glaubt Mansur. "Wahrscheinlich werden sie sich fragen: Warum tun sie das? Das muss doch einen tieferen Sinn haben." Und nachdenklich fügt Mansur hinzu: "Wir geben nicht vor, deutsch zu sein, weil wir Beethoven spielen: Wir bekräftigen einfach unser Menschsein."

Goldenes Horn in Istanbul(Foto: "Fotolia/Jan Schuler")
Der Orchestercampus 2012 sieht Konzerte in Bonn und Istanbul vorBild: Fotolia/Jan Schuler

Zuhören statt einfach nur hören

Dass Musik soziale Veränderungen hervorrufen und Ansätze zur Lösung von Integrationsproblemen liefern kann, wird mancherorts angezweifelt. Cem Mansur ist dagegen überzeugt davon, dass die universelle Eigenschaft der Musik, besonders der großen Symphonien, eine Schlüsselrolle spielen kann, Menschen einander näher zu bringen.

"Musik ist ein großartiges Medium, bei dem man viel über Koexistenz lernt: Wann man führen kann und wann man folgen muss zum Beispiel", sagt Mansur. "Es geht um Verantwortung und die Abhängigkeit einer Gemeinschaft von der anderen. Musik ist einfach eine wunderbare Metapher, bei der man den Unterschied zwischen Hören und Zuhören lernen kann."

Das türkische Jugendnationalorchester wird den Besuchern beim Beethovenfest genug Gelegenheit geben, diese Lektion zu verinnerlichen. Aber sollte das klassische Programm doch keine breite Zuhörerschaft ansprechen, haben die Veranstalter einen Plan B in der Hinterhand: Zusammen mit dem Kölner c/o pop Festival haben sie eine Clubnacht vorbereitet, bei der junge türkische DJs in Bonn auflegen werden.