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Journalistenproteste

Senada Sokollu13. Juli 2013

Die Proteste gegen die türkische Regierung gehen weiter. Hunderte Menschen - darunter Journalisten und Künstler - sind nun in Istanbul gegen die Polizeigewalt gegen Medienvertreter auf die Straße gegangen.

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Journalisten protestieren am Freitag (12.07.2013) in der Istanbuler Innenstadt (Foto: AP Photo/Thanassis Stavrakis)
Bild: picture alliance/AP Photo

"Rede doch hier, wenn du den Mut dazu hast", habe der Polizist gesagt und ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen, erzählt Gökhan Bicici. Am 16. Juni war der Journalist festgenommen worden, als er über die Proteste im Gezi-Park berichtete. Amateuraufnahmen der Verhaftung machten sofort die Runde im Internet. Sie zeigen, wie der Journalist von vier Polizisten über den Boden geschleift und ins Gesicht getreten wird.

Bicici arbeitet seit vier Jahren für den, wie er sagt, "oppositionellen" Privatsender IMC-TV. Er ist einer von vielen Journalisten, die am Freitag (12.07.2013) in Istanbul gegen Pressezensur und Polizeigewalt gegen Journalisten protestieren. Einige hundert Menschen nehmen an der Demonstration teil, die über Twitter und Facebook organisiert wurde. "Das ist erst der Anfang, der Kampf geht weiter" und "AKP nimm die Finger von den Medien", rufen die Aktivisten. Auf den Transparenten steht "Stoppt den Druck" und "Leert die Zellen. Freiheit für die Journalisten". Eine Gruppe von Polizisten versperrt den Demonstranten mit Wasserwerfern den Weg zum Taksim-Platz. Nach rund einer Stunde fordern die Sicherheitskräfte die Menge zum Gehen auf.

"Der Protest ist ein Neuanfang"

Gökhan Bicici hat keinen offiziellen Presseausweis. Das sei der Grund für die Festnahme gewesen, erklärt er im DW-Gespräch. "Es gibt den gelben Ausweis, den man nur von staatlichen Stellen bekommt. Den kriegen die wenigsten", sagt Bicici. Und so könne die Regierung die Zahl der verhafteten Reporter herunterrechnen, sagt der Journalist. "Wenn der Gouverneur Istanbuls von einem Schein-Journalisten spricht, dann sieht sich der Einsatzleiter im Recht, mir meinen Ausweis vom Halse zu reißen. Die Polizisten glauben offenbar, sie hätten dann das Recht, mich zu schlagen, festzuhalten und über den Boden zu schleifen", erklärt Bicici. Dieses Vorgehen habe offenbar Methode. "Wir werden uns nicht einzeln, sondern so organisiert wie möglich dagegen wehren. Dieser heutige Protest ist ein Neuanfang dafür", erklärt er.

Gökhan Bicici bei der Festnahme (Foto: Gökhan Bicici)
Festnahme am 16. Juni: Gökhan Bicici wird abgeführtBild: Mürsel Coban

Bei der Festnahme habe er sich dagegen gewehrt, als ein Polizist ihm sein Smart-Phone wegnehmen wollte, erinnert er sich. "Dann kam ein andere Polizist und hat wortwörtlich gesagt: schleppt ihn in ein Gebäude und erledigt ihn. Da habe ich das Gefühl bekommen, dass mein Leben in Gefahr ist, weil es auch vorkam, dass Journalisten in der Türkei auf diese Art umgebracht wurden", sagt der Journalist. Andere Kollegen seien während der Festnahme und des anschließenden Transports in Bussen verletzt wurden. Er selbst sei erst nach sieben Stunden auf der Wache abgeliefert worden. Eine solche Behandlung sei in der Türkei jedoch nichts Neues, fügt Bicici hinzu.

Repressalien gegen kurdische Medien

Die kurdische Journalistin Zeynep Kuray, die ebenfalls mit demonstriert, berichtet, sie habe eineinhalb Jahre lang im Gefängnis gesessen. Vor rund zwei Monaten sei sie entlassen worden. Kuray arbeitet seit Jahren für die sozialistisch ausgerichtete Zeitung "BirGün" ("Ein Tag") sowie für die kurdische Nachrichtenagentur Firat. Sie und ihre Kollegen seien beschuldigt worden, Mitglied der als illegal eingestuften Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK) zu sein.

Die kurdische Journalistin Zeynep Kuray (Foto: Senada Sokollu / DW)
Eineinhalb Jahre Gefängnis: Zeynep KurayBild: DW/S. Sokollu

"Unsere Wohnungen wurden am 20.12.2011 gestürmt. Unsere Fotoapparate, unsere Notizbücher, all unser Arbeitsmaterial wurden mitgenommen - und wir auch. Sie haben uns ins Gefängnis gesteckt, um uns zum Schweigen zu bringen", erzählt Kuray. In der Türkei bekomme die kurdische Presse von allen den größten Druck ab, kritisiert die Journalistin. "In den Gefängnissen wird so viel Missbrauch getrieben. Es ist nicht klar, warum die Leute überhaupt inhaftiert werden", erklärt die Journalistin. Sie habe im Gefängnis weitergeschrieben, sagt sie. "Wir haben keine Angst, weder vor der Regierung noch vor der Polizei, denn der Stift ist unsere Waffe", so Kuray.

"Erdogan versucht der Türkei die Demokratie wegzunehmen"

Nazan Özcan ist Redakteurin der Wochenendausgabe der Zeitung "Radikal". Sie erlebe so gut wie jeden Tag Pressezensur. "Dein Chef kann dir sagen, dass ein bestimmter Bericht nicht veröffentlicht werden kann, weil die Regierung oder der Premierminister sich dann ärgern würde. Das ist üblich. Ich bin wirklich nicht überrascht, wenn ich diesen Satz höre", so Özcan gegenüber der DW.

Bedri Baykam, Präsident der Künstlervereinigung und Journalist (Foto: Senada Sokollu / DW)
Organisiert den Protest der Künstler: Bedri BaykamBild: DW/S. Sokollu

Auch Bedri Baykam demonstriert gegen die Zensur. Baykam ist ein bekannter Künstler, Präsident der türkischen Künstlervereinigung sowie Journalist der Zeitung "Cumhuriyet". "Die Bedrohung von Künstlern, die Zensur der Theaterszene, all die Menschen in den Gefängnissen - die Türkei ist diesbezüglich weltweit ganz vorn mit dabei", so Baykam im DW-Gespräch. Er wolle vor allem den Deutschen sagen, dass Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nicht Demokratie in das Land gebracht habe. "Er versucht, der Türkei die Demokratie wegzunehmen. Und wir werden das nicht zulassen", so der Künstler.