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Tagebuch einer Republik im Chaos

Oliver Pieper2. Januar 2002

Zur Krise in Argentinien. Ein DW-Kommentar von Oliver Pieper.

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Wirtschaftsminister Domingo Cavallo und Präsident Fernando de La Rúa sind aus dem Amt gejagt; der Peronist Adolfo Rodríguez Saá inthronisiert; dann die Ankündigung, mit dem 'Argentino' eine dritte Währung einzuführen, um die 1:1-Parität des Peso mit dem Dollar nicht aufzugeben; Rodríguez Saá tritt nach einer Woche schon wieder zurück; Neuwahlen für den 3. März angekündigt; der Peronist Eduardo Duhalde übernimmt die Regierung bis Ende 2003; Neuwahlen sind vom Tisch; der Peso wird nun bis zu 50 Prozent abgewertet. Zwei Wochen im Chaos mit 27 Toten - "Buenas Noches, Argentina" ("Gute Nacht, Argentinien").

Nun also heißt der neue Präsident Eduardo Duhalde. Bis zum 10. Dezember 2003 soll der ehemalige Gouverneur der Provinz Buenos Aires die argentinischen Amtsgeschicke führen - doch dies bleibt in diesen Tagen der Anarchie mehr als zweifelhaft.

Duhalde übernimmt die Präsidentschaft nicht nur mit dem Makel, die letzte Wahl 1999 gegen Fernando de la Rúa verloren zu haben; nein, er ist auch der Erzfeind des früheren Präsidenten Carlos Menem, der immer noch einer der einflussreichsten Hintermänner in der Peronistischen Gerechtigkeitspartei ist. Zudem hat er noch weiter peronistische Provinzgouverneure unter der Führung von José Manuel de la Sota aus Córdoba gegen sich, die Duhalde nur unter der Bedingung akzeptierten, dass dieser bei den Wahlen 2003 nicht wiedergewählt werden kann. Und: Duhalde hat, um an die Macht zu kommen, zunächst die Unterstützung der Opposition gesucht - eine Tatsache, die ihm seine peronistischen Parteifreunde nicht so leicht vergessen werden. Duhalde ist - nicht nur wegen der verkürzten Länge seiner Amtszeit - ein halber Präsident.

"Hoch lebe Argentinien! Hoch lebe Perón!" riefen mehrere hundert Anhänger der Peronisten nach der Wahl Duhaldes. Doch der Gründer der Peronistischen Gerechtigkeitspartie ist schon lange tot - und er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, was seine Nachfolger aus dem ehemals reichen Land Argentinien gemacht haben.

Zwar konnten schon Juan Domingo Perón und insbesondere seine Frau Evitá nicht mit den eigenen Finanzen umgehen; aber es gibt einen großen Unterschied: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Argentinien Geld im Überfluss und lebte nicht auf Kredit. Und vor allem: Perón und Evitá waren charismatisch - Eduardo Duhalde dagegen geht die Aura eines provinziellen Senators und Verlierers voraus. Die Tage der lautstarken Proteste mit Kochtopf-Deckeln sind in Argentinien noch lange nicht vorbei.