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Politik

"Gespräche mit China ohne Vorbedingungen"

Phoebe Kong
13. Februar 2019

Das demokratische Taiwan ist außenpolitisch isoliert. Im DW-Interview sagt Taiwans Außenminister Joseph Wu, er sei bereit, mit Peking über die gegenseitigen Beziehungen zu reden, allerdings ohne Vorbedingungen.

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Joseph Wu Außenminister Taiwan
Bild: Reuters/T. Siu

Taiwans Außenminister: "Wiedervereinigung keine Option für Bevölkerung auf Taiwan"

Deutsche Welle: Vor 70 Jahren wurde die Volksrepublik China gegründet. Seit sieben Jahrzehnten existieren zwei Regierungen auf beiden Seiten der Straße von Taiwan. Wie sehen Sie die derzeitigen Beziehungen zwischen Taiwan und China?

Joseph Wu: Es ist sehr schwierig, die Beziehungen zwischen beiden Seiten zu definieren. Einerseits erhält China eine militärische Drohkulisse gegenüber Taiwan aufrecht und grenzt Taiwan von internationalen Organisationen aus. Gleichzeitig sind beide Seiten über Wirtschaft und Handel eng miteinander verflochten.

Die Beziehungen sind also recht kompliziert. Jeder Versuch, diese vereinfacht darzustellen, würde den Kern der Problematik verfehlen.

Aber abgesehen von den Beziehungen der beiden Seiten ist Taiwan fest entschlossen, seine demokratischen Grundwerte weiter zu leben und zu entwickeln. Das ist die Pflicht jeder Regierung. Je demokratischer Taiwan wird, umso wichtiger ist es für die künftige Entwicklung Chinas. Die Menschen in China werden sehen, dass das Modell, das jetzt in Taiwan gut funktioniert, möglicherweise in Zukunft auch in China denkbar wäre. Und unser demokratisches Gesellschaftssystem ist langfristig gesehen die Garantie für eine gesunde Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Seiten.

Taiwans Außenminister Joseph Wu im Exklusivinterview mit der DW
Wu: "Wir haben den Konsens von 1992 nicht akzeptiert" Bild: DW/W.Yang

Vor 40 Jahren brachen die USA die diplomatischen Beziehungen zur Republik China, also Taiwan, ab und erkannten die Volksrepublik an. Viele andere Staaten der Völkergemeinschaft haben sich den USA angeschlossen. Müsste Taiwan nicht seine außenpolitischen Grundsätze an diese Realitäten anpassen?

Taiwan hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten grundlegend verändert. Taiwan ist heute eine politische Körperschaft, die außerhalb von China unabhängig existiert. Das ist eine Tatsache, mit der sich China konfrontiert sieht. Auf dieser Grundlage müssen wir uns außenpolitisch neu ausrichten.

Wir haben uns weder zur "Ein-China-Politik" bekannt, noch den "Konsens von 1992" akzeptiert. Deswegen wäre jeder gut beraten, sich die Stimme Taiwans anzuhören, bevor man über die künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen Taiwan und China diskutiert, eben weil wir eine Demokratie sind. Umfragen auf Taiwan zeigen deutlich, dass eine Wiedervereinigung keine Option für die Bevölkerung in Taiwan ist.

Auch in den USA ist die Erkenntnis gewachsen, dass die "Ein-China-Politik" heute ganz andere Schwerpunkte hat als damals. Mit dem Bekenntnis zur "Ein-China-Politik" hat Washington übrigens nie zur Statusfrage Stellung genommen. Ein Schwerpunkt der USA liegt heute darauf, mehr Rücksicht auf den Willen des Volks in Taiwan zu nehmen, eben weil wir eine Demokratie sind.

Taiwan Pressekonferenz zu El Salvador
Joseph Wu (1. v. l.) im Kabinett von Präsidentin Tsai Ing-wen (m.)Bild: Getty Images/AFP/S. Yeh

Was hat sich an den Beziehungen zwischen Washington und Taipeh seit 1979 verändert?

Der Wille des Volks in Taiwan lautet: Wir existieren unabhängig und wir sind kein Bestandteil von irgendeinem anderen Land. Diese Faktenlage wird inzwischen auch von Washington akzeptiert. Wir fordern die Anerkennung des Status quo, was auch von den USA als vernünftig und verantwortungsvoll gesehen wird.

Der Erwerb von US-Waffen ist ein wichtiger Bestandteil unseres verteidigungs- und sicherheitspolitischen Pakts mit den USA. Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Taiwan und den USA ist ausgezeichnet. Sie ist sogar deutlich besser als die zwischen Washington und seinen traditionellen Alliierten. Das gilt auch für die Außenpolitik. Dennoch werden diese Beziehungen (von China) eingeschränkt. Um diese Einschränkungen auszuräumen und um Probleme zu lösen, bedarf es des ständigen Austauschs,

Die USA hoffen, dass Taipeh und China durch konstruktive Gespräche die bestehenden Differenzen friedlich beilegen können. Ist Ihre Regierung bereit, sich auf ein Gespräch mit Peking einzulassen?

Wir wären jederzeit froh, uns mit der chinesischen Regierung an einen Tisch zu setzen und Gespräche zu beginnen, allerdings ohne Vorbedingungen. Der Aufruf zu einem solchen Gespräch ist übrigens nicht an Taiwan adressiert. Washington kennt die Position Taiwans sehr gut. Die Forderung der USA an China lautet, auf politische Vorbedingungen für ein solches Gespräch und auf die Anwendung von Waffengewalt zu verzichten. 

Warten Sie nun passiv auf ein Gesprächsangebot? Handeln Sie auch proaktiv?

China muss zuerst auf die Vorbedingungen verzichten, die es jetzt mit einem Gespräch verknüpft, sowohl dafür, dass ein solches Gespräch überhaupt zustande kommt, als auch auf eine Festlegung, was den Ausgang eines solchen Gesprächs betrifft. Ohne diesen Verzicht würde das Volk auf Taiwan einem solchen Gespräch nicht zustimmen.

Wir haben bereits alles Mögliche getan. Wir warten jetzt und rufen alle Mitglieder der Völkergemeinschaft auf, die Frieden auf beiden Seiten der Straße von Taiwan anstreben, China zuzureden, dass es von solchen unfairen Bedingungen abrücken möge.

Das Interview führte Phoebe Kong in Taipeh.

Joseph Wu ist seit Februar 2018 Außenminister Taiwans. Der Politologe wurde an der Ohio State University promoviert. Er war viele Jahre Taiwans Chefdiplomat in den USA und Vorsitzender des taiwanischen Rats für Festlandangelegenheiten.