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Taiwans Charme-Offensive

Matthias von Hein21. Januar 2014

Taiwans Staatschef Ma Ying-jeou unternimmt einer seiner seltenen Auslandsreisen. Ihm kommen die Verbündeten abhanden. Nur noch 22 Staaten unterhalten diplomatische Beziehungen mit Taiwan. Der Spielraum wird eng.

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Taiwans Präsident Ma Ying-jeou (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Taiwan besitzt ein Territorium, eine eigene Währung, eine eigene Verwaltung, ein eigenes Militär - und verfügt damit über die äußeren Merkmale eines souveränen Staates. Und doch ist Taiwan kein Mitglied der Vereinten Nationen. Von den 193 Staaten der Weltorganisation unterhalten gerade einmal 22 diplomatische Beziehungen zur "Republik China" wie Taiwan offiziell heißt. Im offiziellen Namen steckt auch schon das Problem. Denn von der Volksrepublik China wird Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet. Jede formelle Erklärung einer staatlichen Unabhängigkeit würde Peking nach der Verabschiedung des sogenannten "Anti-Abspaltungsgesetzes" im März 2005 als Kriegsgrund auffassen. Eine militärische Invasion wäre die mögliche Folge.

Taiwan, die Republik China, bewegt sich damit international in einem schwer überschaubaren Gelände. Auslandsreisen taiwanesischer Präsidenten sind deshalb - und wegen der geringen Zahl diplomatischer Verbündeter - eine seltene Angelegenheit. Am 23. Januar aber bricht Ma Ying-jeou zu einer solchen Reise auf. Drei Länder will er besuchen: Burkina Faso, 'São Tomé und Principe' sowie Honduras. In dem mittelamerikanischen Staat will Ma der Amtseinführung des neuen Präsidenten Juan Orlando Hernandez beiwohnen.

Letzter Verlust: Gambia

In Westafrika hatte Taiwan erst im letzten November überraschend einen diplomatischen Verbündeten verloren: Gambia - der kleinste Flächenstaat Afrikas - brach seine Beziehungen mit der ostasiatischen Insel ab. Peking beeilte sich damals, mitzuteilen, es habe keinen Anteil an der Entscheidung Gambias gehabt und davon selbst erst aus der Zeitung erfahren. "Bis heute hat die VR China Gambia weder Unterstützung noch diplomatische Beziehungen versprochen", stellt der taiwanesische Politikwissenschaftler Yen Chen-sheng im Gespräch mit der Deutschen Welle fest.

Yahya Jammeh, Präsident Gambias (Foto: AP/dpad)
Yahya Jammeh, Präsident Gambias - sein Land brach die dipolomatischen Beziehungen zu Taiwan abBild: AP

Seit Ma Ying-jeous Amtsantritt 2008 herrscht eine Art inoffizieller Waffenstillstand an der diplomatischen Front. Beobachter Yen Chen-sheng meint aus dem Verhalten Pekings ableiten zu können, der chinesischen Regierung sei mehr an guten Beziehungen zu Taiwan gelegen als an diplomatischen Beziehungen mit dessen verbliebenen Verbündeten. Dass an dieser Theorie etwas dran sein könnte, zeigte sich im 2009 im Zusammenhang mit El Salvador - einem langjährigen diplomatischen Partner Taiwans. Damals hatte der neu gewählte Präsident von El Salvador, Mauricio Funes, angedeutet, er würde gerne diplomatische Beziehungen zu Peking aufnehmen. Von Chinas Außenamtssprecher Qin Gang ist die Antwort überliefert: "Auch ohne diplomatische Beziehungen hat das chinesische Volk freundschaftliche Gefühle gegenüber den Menschen in El Salvador. Und wir sind bereit, freundschaftlichen Austausch in verschiedenen Bereichen mit El Salvador aufzunehmen." Höflicher kann man eine Absage kaum formulieren.

Doch das Beispiel Gambias zeigt: Die schiere Größe Chinas, seiner Wirtschaft, seiner Finanzkraft sind auch für Taiwans verbliebene Verbündete attraktiv. Auch deshalb startet Ma Ying-jeou mit seiner Drei-Länder-Tour so etwas wie eine diplomatische Charme-Offensive. "Präsident Ma nimmt die diplomatischen Beziehungen mit unseren Verbündeten nicht als gegeben hin", betont Politikwissenschaftler Yen. "Er will zeigen, dass Taiwan diese Beziehungen für wichtig hält."

Mit Entwicklungsprojekten Partner "kaufen"

Wichtig sind diplomatische Partner für Taiwan vor allem als Ausweis des Anspruchs, als Staat anerkannt zu werden. Geht die Zahl der diplomatischen Partner gegen Null, ist auch die Glaubwürdigkeit dieses Anspruchs dahin. Taiwan nutze daher vor allem die Möglichkeiten der Entwicklungshilfe, um sich Unterstützung quasi zu kaufen, sagt der Tübinger Chinawissenschaftler Gunter Schubert im DW-Interview. "Diesen Spielraum hat Taiwan immer noch, bei kleineren, weltpolitisch nicht so bedeutsamen Ländern mit gezielten Hilfsprojekten politische Unterstützung zu bekommen."

Die Karte zeigt Taiwan, das der Ostküste Chinas vorgelagert ist (Foto: DW)
Taiwan, offiziell die "Republik China", wird vom großen Nachbarn als abtrünnige Provinz beobachtetBild: AP GraphicsBank

Wie das praktisch aussieht, kann man auf 'São Tomé und Principe' besichtigen. Der Inselstaat mit knapp 200.000 Einwohnern im Golf von Guinea ist eines der drei Reiseziele von Taiwans Präsident Ma. Erst 1997 wurden Taiwan und São Tomé diplomatische Partner. Seither flossen rund 130 Millionen Dollar aus Taipeh nach São Tomé. Für das kleine Land ist das sehr viel Geld. Es entspricht etwa der Hälfte des Inlandsproduktes von 2012. Arnaldo Pontes, Direktor für Landwirtschafts- und Fischereiplanung, bestätigt denn auch gegenüber der DW die Bedeutung der Kooperation mit Taiwan für seinen Bereich: "Für uns ist sie extrem wichtig, denn Taiwan trägt 36,5 % zu unseren Investitionen in den Landwirtschaftssektor bei."

Die Hilfe komme auch bei der Bevölkerung an, so der Landwirt Jaime Menezes. Er hat von den insgesamt neun taiwanesisch finanzierten Projekten im Landwirtschaftssektor profitiert: "Das Landwirtschaftsministerium hat uns den Landtitel gegeben und dann haben wir Hilfe von einem Team taiwanesischer Spezialisten bekommen. Die haben uns Arbeitsgeräte, Mais und Insektizide zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des von Taiwan finanzierten Projektes zur Nahrungsmittelsicherheit, an dem wir teilnehmen, haben wir auch eine Trockenanlage und eine Lagerhalle gestellt bekommen." Insofern stellt auch Gunter Schubert aus Tübingen nüchtern fest, "Länder wie 'São Tomé und Principe' werden sich sicherlich nach ihren ökonomischen Interessen richten. Und da wird Taiwan eben eine erträgliche Zahl von Kleinstaaten haben, die es von sich überzeugen kann."

Taiwanesische Zeitungen berichten übrigens, Ma werde bei seiner Reise vermutlich auch in Deutschland Station machen - allerdings nur zum Auftanken seiner Maschine auf dem Frankfurter Flughafen.