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Taliban an den Verhandlungstisch

7. Oktober 2010

Militärisch ist der Afghanistan-Krieg für die USA nicht zu gewinnen. Es braucht eine politische Lösung. Dafür aber müssen erst noch die Voraussetzungen geschaffen werden, mein Daniel Scheschkewitz.

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Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
Daniel ScheschkewitzBild: DW

Ziemlich exakt neun Jahre ist es her, dass die USA mit Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan einmarschiert sind. Mit Unterstützung der Nordallianz brachten sie die Taliban-Regierung zu Fall und stellten sicher, dass Afghanistan nicht länger als Ausbildungslager und Rekrutierungsbasis des El-Kaida-Netzwerks dienen konnte. Dies war ein nach den Attentaten des 11. Septembers unausweichlicher Schritt.

Seitdem jedoch hat der Krieg die USA und die mit ihnen verbündeten Nationen viele Tote und Milliarden Dollar gekostet. Von den zivilen Opfern im Lande selbst ganz zu schweigen. Die Regierung Karsai hat die Kontrolle über Afghanistan verloren, die Taliban haben ihren Einfluss in weiten Landesteilen zurückgewonnen. Und doch wissen beide Seiten, dass sie den asymmetrischen Krieg militärisch niemals gewinnen können. Selbst die zuletzt verstärkten US-Militäreinheiten haben in ihrer groß angekündigten Sommeroffensive kaum Geländegewinne erzielen können. Sogar die militärischen Nachschubwege für Treibstoffe werden inzwischen von den Taliban bedroht.

Vorsichtiger Optimismus?

In den USA und Europa ist der Militäreinsatz auch politisch zur Belastung für die beteiligten Regierungen geworden. Spätestens seit die ranghöchsten US-Militärs den Krieg für nicht mehr gewinnbar erklärten, nahm der Druck auf alle Beteiligten zu, durch Verhandlungen eine politische Lösung zu suchen. Eine neue Generation der Taliban in Afghanistan scheint von Mullah Omar nun grünes Licht bekommen zu haben mit Karsai und unter stillschweigender Duldung der USA zu verhandeln. So jedenfalls meldete es am Mittwoch (6.10.) die Washington Post.

An und für sich ist dies ein gutes Zeichen. Zumal, wenn beide Seiten sich klar darüber sind, was nicht verhandelbar ist: die Rückkehr der El Kaida und Mullah Omars, dessen Zukunft im saudischen Exil liegen dürfte. Dies muss die 'conditio sine qua non' einer künftigen politischen Lösung bleiben. Denn wird Afghanistan wieder zum Rückzugsgebiet der Terroristen, war der langjährige Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft am Hindukusch umsonst. Eine Demokratie nach westlichem Vorbild wird es im Lande in absehbarer Zeit nicht geben, daran wird kein Militäreinsatz und auch kein zivilgesellschaftliches Engagement etwas ändern können. Sie ist von der Mehrheit der Bevölkerung so auch nicht gewollt.

Ungewisse Zukunft

Ob Afghanistan als zentraler Staat Bestand haben kann, dürfte davon abhängen, ob und inwieweit es gelingen kann, die Nachbarn, allen voran Pakistan und Iran, zumindest mittelbar an den Verhandlungen zu beteiligen. Auch Russland und Indien dürften ein Wörtchen mitreden wollen. Andernfalls könnte das Land schon bald wieder zum Streitobjekt zwischen Warlords und fremdbestimmten Milizen werden.

US-Präsident Barack Obama jedenfalls braucht vor dem Hintergrund der anstehenden Kongresswahlen dringend Bewegung auf diplomatischer Ebene, sonst lässt sich die angekündigte Einleitung des Rückzugs aus Afghanistan ab Mitte 2011 kaum halten. Und nur wenn es zu diesem Abzug kommt, dürften auch die Taliban Interesse an einer Lösung auf dem Verhandlungswege zeigen.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Tamas Szabo / Esther Broders