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Tawakkul Karman, die Kämpferin

15. Dezember 2011

Für sie ist es kein Widerspruch: Sie ist religiös - und kämpft gleichzeitig für Demokratie, Meinungsfreiheit und die Rechte der Frauen - die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman.

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FriedensnobelpreisträgerTawakkul Karman in Berlin beim Auswärtigen Amt (Foto: dapd)
FriedensnobelpreisträgerTawakkul KarmanBild: dapd

Jahrelang hatte sie gegen ihn Front gemacht, im November wurde es dann wahr: Jemens Dauer-Präsident Ali Abdullah Saleh lenkte nach zahlreichen Protesten und Gewaltausbrüchen ein und gab seine Macht ab. Nach 33 Jahren unter seiner Herrschaft sollen bald demokratische Wahlen folgen. Für Tawakkul Karman ist dies nur ein Teilerfolg. Die jemenitische Freiheitskämpferin und diesjährige Friedensnobelpreis-Trägerin kritisiert, dass Saleh gemäß des von Saudi-Arabien eingefädelten Machtübergabe-Deals straffrei ausgehen soll. Sie will, dass dem jemenitischen Langzeit-Autokraten wegen Menschenrechtsverletzungen der Prozess gemacht wird und sucht dafür die Unterstützung des Internationalen Gerichtshofes in den Haag.   

Dass der bedrängte Saleh überhaupt einer Machtübergabe zugestimmt hat, ist allerdings nicht zuletzt Karmans Verdienst: Die 32 Jahre alte Journalistin und Menschenrechtsaktivistin setzte sich bereits 2007 für einen politischen Umbruch in dem bettelarmen, von Stammesrivalitäten, Terror und Separatismus geplagten Jemen ein. Sie organisierte wöchentliche Proteste vor Regierungsgebäuden in der Haupstadt Sanaa und wurde dafür mehr als einmal verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. "Wir werden uns nicht einschüchtern lassen", erklärte sie Anfang Oktober in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel".

Freiheitskämpferin mit Kopftuch

Für dieses Engagement wurde sie mit dem Friedensnobelpreis geehrt, obwohl Tawakkul Karman äußerlich nicht dem in Europa gängigen Bild einer emanzipierten Freiheitskämpferin entspricht: Sie trägt Kopftuch und verhüllt ihren Körper mit einem langen schwarzen Gewand. Sie ist bekennende Muslima und Mitglied in der islamischen Oppositionspartei Islah, die den Muslimbrüdern nahesteht. Und doch ist die Frau, die auf Fotos oft mit einem Megafon zu sehen ist, eine der energischsten und mutigsten Demokratie- und Menschenrechtsstreiterinnen im Jemen. Nicht nur Frauen, sondern auch viele Männer zählen zu ihren Anhängern. Manche verehren sie als "Mutter der Revolution", andere haben sie sogar als künftige Präsidentin ins Gespräch gebracht.

Demonstrierende Frauen in Sanaa (Foto: Shohdi Alsofi)
Demonstrantinnen in SanaaBild: DW

Dass eine Frau wie Karman sich an die Spitze der jemenitischen Demokratiebewegung vorkämpfen konnte, ist keineswegs selbstverständlich. Selbst im Vergleich zu anderen arabischen Staaten ist der Jemen ein überdurchschnittlich konservatives Land - Frauen werden dort unter Rückgriff auf die Tradition oder vermeintliche religiöse Vorschriften oft wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Zwangsverheiratungen minderjähriger Mädchen sorgen regelmäßig für Negativ-Schlagzeilen. Als Bloggerin und Mitbegründerin der Organisation "Journalistinnen ohne Ketten" setzt sich Tawakkul Karman vehement gegen solche Ehen mit Minderjährigen ein und streitet auch auf anderer Ebene für die Belange ihrer Geschlechtsgenossinnen. So fordert sie seit langem, mindestens jede dritte öffentliche Arbeitsstelle in ihrem Land mit einer Frau zu besetzen.

"Der Jemen wird ein friedliches Land sein"

Den ihr verliehenen Friedensnobelpreis bezeichnete Tawakkul Karman bereits in ihrer ersten Reaktion auf "Al Jazeera" als Auszeichnung für die gesamte arabische Freiheitsbewegung - als Signal, dass die Ära der autoritären Herrscher zu Ende gehe. Das Nobelpreis-Komitee würdigt mit der Preisvergabe auch ihre Rolle als Advokatin eines friedlichen Wandels: Karman und ihre Mitstreiter hatten sich stets von den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Machthaber Saleh und seinen Rivalen aus abtrünnigen Stämmen ferngehalten. Trotzdem wurde der dreifachen Mutter wiederholt Gewalt angedroht. Nach der Abdankung von Präsident Saleh schwebt ihr nun eine islamische Demokratie nach türkischem Vorbild vor. "Es wird immer vor einem Bürgerkrieg im Jemen gewarnt", erklärte sie einmal gegenüber einer Schweizer Zeitung. "Aber Sie werden sehen: Der Jemen wird ein zivilisiertes, friedliches Land sein. Wir werden die Welt überraschen."

Aktivistinnen fordern Salehs Rücktritt am 17. April 2011 in Sanaa (Foto: dpa)
Frauen protestieren mit ihren KinderBild: picture alliance/dpa

Autor: Rainer Sollich
Redaktion: Thomas Kohlmann