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PolitikAsien

Teheran erstickt im Schwefeldioxid

Shabnam von Hein
6. Januar 2021

Der Iran wird sein Schweröl nicht mehr los und verbrennt es in Kraftwerken und der Industrie. Die Folge: Schwere Luftverschmutzung in Teheran.

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Iran l Luftverschmutzung, Smog in Teheran
Bild: picture-alliance/AP/E. Noroozi

Zur Corona-Pandemie kommt in Teheran jetzt eine massive Verschlechterung der Atemluft, jüngste Folge der Sanktionen. Seit zwei Wochen hängt eine gewaltige Dunstglocke über Irans Hauptstadt Teheran. In der Metropole mit 14 Millionen Einwohnern lag die Belastung mit gefährlichem Feinstaub zeitweise bei über 190 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen Höchstwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Auf Twitter schrieb die Regisseurin Manijeh Hekmat: "Dies ist Irans Hauptstadt Teheran. Jemand muss Verantwortung übernehmen. Wir ersticken."  

In zahlreichen iranischen Industrieanlagen wird das schwere Heizöl Masut als Brennstoff eingesetzt, wie in der Zementfabrik Schahr-e Rey, 15 Kilometer südlich der Hauptstadt. Masut ist ein zähflüssiges Abfallprodukt, das bei der Destillation von Erdöl zurückbleibt. Sein Schwefelgehalt beträgt zwischen 0,5 und 3,5 Prozent, mit entsprechend hohen Schwefeldioxid-Emissionen bei der Verbrennung. Laut Mohsen Hashemi, dem Vorsitzenden des Teheraner Stadtrats, hat sich die Schwefeldioxidkonzentration in der Teheraner Luft innerhalb der vergangenen zwei Wochen verdoppelt.

Notaufnahmen in Alarmbereitschaft

Die Einwohner Teherans sind schlechte Luft zwar gewohnt. Aber angesichts der verschärften Lage macht sich massiver Ärger breit. Viele berichten über Kopfschmerzen, Übelkeit und ein brennendes Gefühl in der Lunge. Die Zahl der Patienten, die wegen Beschwerden in Zusammenhang mit der Luftverschmutzung die Notaufnahmen besuchen, ist in den vergangenen zwei Wochen um zehn Prozent gestiegen, teilte ein Sprecher in Teheran vergangene Woche mit.

Die Notaufnahmen in Teheran und acht anderen Großstädten sind in Alarmbereitschaft. "Meine Behörde ist gegen die Verbrennung von Masut", sagte Isa Kalantari, der Leiter der iranischen Umweltbehörde, am 31. Dezember im Gespräch mit der Nachrichtenagentur IRNA. "Wegen der Sanktionen können wir kein Masut mehr verkaufen, und unsere Raffinerien haben keine Kapazität mehr, den Brennstoff zu lagern."

Der Umweltexperte Mohammad Darvish spitzt die Aussage des Leiters der iranischen Umweltbehörde zu: "Es gibt keine Kapazität mehr für Masut in den Raffinerien, wir lagern es in euren Lungen."

Laut offiziellen Angaben wird ein Drittel des Rohöls in den veralteten iranischen Raffinerien zu Schweröl und Masut mit schlechter Qualität verarbeitet. Ein Qualitätskriterium für Masut ist der Schwefelgehalt, je höher, desto schlechter ist die Qualität. Das iranische Masut hat einen Schwefelgehalt von drei Prozent. Im Rahmen des Atomabkommens von 2015 hat der Iran nach ausländischen Partnern für die Modernisierung seiner Raffinerien gesucht. Er strebte zum Beispiel die Reduzierung der Masut-Produktion in Partnerschaft mit der südkoreanischen Hyundai Motor Group an.

Als Treibstoff auf Seeschiffen ausgedient

Nachdem Donald Trump 2018 sein Wahlkampf-Versprechen wahrmachte, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen, wurden diese Initiativen jedoch auf Eis gelegt. Ungeachtet der US-Sanktionen hat der Iran bis Anfang Januar 2020 sein Masut weiterhin exportiert, vor allem in die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Golfstaat versorgt mit dem Treibstoff seine Handelsmarine.

Weg vom Schweröl - Reeder steuern um

Vom 1. Januar 2020 an aber gilt eine neue Verordnung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO: Schiffe weltweit sind jetzt verpflichtet, mit schwefelarmem Treibstoff zu fahren. Er darf jetzt nur noch maximal 0,5 Prozent Schwefel enthalten, zuvor waren bis zu 3,5 Prozent erlaubt. Die Raffinerien im Iran produzieren laut örtlichen Medien aber weiterhin täglich 60 Millionen Liter Masut mit einem Schwefelgehalt von drei Prozent. Der kann zwar nicht mehr für die Seeschifffahrt benutzt, könnte aber in anderen Bereichen wie der Asphaltproduktion verwendet werden. Dafür findet der Iran wegen der Sanktionen aber keine Käufer.

Verstärktes Risiko bei Covid-19

"Um die höhere Stromversorgung in der kalten Jahreszeiten gewährleisten zu können, müssen wir Masut in den Kraftwerken verbrennen, oder mit Stromausfall leben", teilt der Leiter der Umweltbehörde mit. Mit seinem Appell an die Bürger, ihren Stromverbrauch zu reduzieren, löste er einen Shitstorm in sozialen Netzwerken aus. Ein Beispiel ist dieser sarkastische Tweet eines Users:

"Für alle Unannehmlichkeiten, die wir der Islamischen Republik verursacht haben, von der Luftverschmutzung bis zur Verbreitung des Coronavirus, für Inflation und Sanktionen, müssen wir langsam eine Kampagne starten, um uns zu entschuldigen." 

Dass die starke Luftverschmutzung das Risiko erhöht, an COVID-19 zu sterben, ist Umweltbehördenleiter Kalantari bewusst. Durch die Verbrennung von Masut steige dieses Risiko um das Sechsfache an, gab Kalantari am 31. Dezember zu, und reichte die Zuständigkeit dafür an den Corona-Krisenstab weiter. Wissenschaftliche Studien hatten bereits bestätigt, dass Feinstaub Blutgefäße in ähnlicher Weise schädigt wie Sars-CoV-2 und dem Virus die Infektion von Zellen in der Lunge erleichtert. Der iranische Corona-Krisenstab schweigt bislang dazu.