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Telekom-Affäre

29. Mai 2008

In der Telekom-Affäre nimmt die Staatsanwaltschaft die frühere Spitze von Europas größtem Telekomkonzern ins Visier. Gegen Ex-Konzernchef Kai-Uwe Ricke und den früheren Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel wird ermittelt.

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Ex-Aufsichtsratschef Zumwinkel (Quelle: dpa)
Gegen Ex-Aufsichtsratschef Zumwinkel laufen nun schon zwei VerfahrenBild: AP

Gut zwei Wochen nach einer Strafanzeige der Deutschen Telekom nahm die die Bonner Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben vom Donnerstag (29.5.2008) ein Ermittlungsverfahren auf. Dabei ließ sie auch die Telekom-Zentrale in Bonn durchsuchen. Im Fokus der Ermittler stehen der frühere Konzernchef Kai-Uwe Ricke und der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Zumwinkel. Dieser hatte im Februar den Posten des Aufsichtsrats aufgeben müssen. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum bereits wegen Steuerhinterziehung über eine Stiftung in Liechtenstein.

Die Gewerkschaftsvertreter im Telekom-Aufsichtsrat kündigten Strafanzeige an. Ein Telekom-Sprecher betonte, gegen Telekom-Vorstandschef René Obermann werde nicht ermittelt, ebenso wenig wie gegen einen der anderen aktuellen Vorstände. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen acht Beschuldigte wegen des Verdachts, dass sie das Post- und Fernmeldegeheimnis sowie das Datenschutzgesetz verletzt haben.

Telekom will lückenlose Aufklärung

der frühere Vorstandsvorsitzende Kai-Uwe Ricke - dpa
Auch im Visier der Ermittler: der frühere Vorstandsvorsitzende Kai-Uwe RickeBild: AP

Der Telekom-Sprecher sagte, dass angesichts der Schwere der Vorwürfe von einer Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auszugehen war. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir an einer lückenlosen Aufklärung interessiert sind." Am Mittwoch hatte der Aufsichtsrat über die Affäre beraten und Obermann den Rücken gestärkt. Auch der Bund als Großaktionär stellte sich demonstrativ vor Obermann. Der Vorstandsvorsitzende habe entschiedene Maßnahmen eingeleitet, allen Vorwürfen nachzugehen und sie aufzuklären, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. "Er hat unsere volle Unterstützung dabei."

In der Affäre geht es um die Bespitzelung von Journalisten, die über die Telekom berichteten. Die umstrittenen Aktionen fielen nach bisherigen Informationen in die Amtszeit von Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke, der von Obermann im November 2006 abgelöst wurde. Ein erster Fall war laut Telekom im Sommer 2007 intern ans Licht gekommen - allerdings ohne dass der Konzern darüber damals die betroffene Redaktion oder die Öffentlichkeit informierte habe, berichtet die "Süddeutschen Zeitung".

Journalist von "Capital" bespitzelt

Die Telekom handelte spät: Sie informierte den bespitzelten Redakteur erst vor einigen Tagen, nachdem weitere ähnliche Fälle aufgetaucht waren. Der Redakteur vom Magazin "Capital" hatte 2005 und 2006 wiederholt über Interna aus Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen berichtet. Die Sicherheitsleute der Telekom vermuteten, dass der Redakteur seine Informationen vom Chef des Konzernbetriebsrats, Wilhelm Wegner, erhalte, der auch dem Aufsichtsrat angehört. Nach dem der Fall "Capital" bekannt worden war, hatte Konzernchef Obermann den Chef der Sicherheitsabteilung entlassen und die Konzernsicherheit umgekrempelt.

Affäre soll schon 2000 begonnen haben

Telefonnummern und stift - dpa
Auf der Suche nach dem Informant: Die Telekom ließ offenbar Journalisten bespitzelnBild: picture-alliance/ dpa

Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" (FTD) soll die Telekom nun bereits schon 2000 einen Spitzelauftrag erteilt haben, der an die Berliner Control Risks Group (CRG), eine international tätige Unternehmensberatung, gegangen sei. Diesen Auftrag habe ein Mitarbeiter vergeben, der später zum Leiter der Telekom-Konzernsicherheit aufgestiegen sei. Unklar sei, in wessen Auftrag er gehandelt habe. Vorstandschef war damals Ron Sommer. "Wir haben dazu nichts in unseren Unterlagen gefunden", zitiert das Blatt den CRG-Geschäftsführer.

Laut FTD suchte eine Berliner Wirtschaftsdetektei Desa nach einem Leck bei der Telekom. Im Visier habe dabei unter anderem ein Reporter der "FTD" gestanden. Ein Konzernsprecher sagte, der Fall sei dem Unternehmen nicht bekannt. Wie die "FTD" weiter berichtet, sollen die Methoden weit über das für die Jahre 2005 und 2006 bereits bekannte Auswerten von Telefonverbindungen hinausgegangen sein. Die privaten Fahnder versuchten danach sogar, mit versteckter Kamera Hinweise auf die Kontaktperson des Reporters zu finden. Dies lege nahe, dass die Telekom jahrelang ein Spitzelsystem gegen Journalisten und ihre Spitzenkräfte unterhalten habe, resümiert das Blatt.

Die Telekom hatte am Wochenende eingestanden, dass der Konzern 2005 und 2006 Telefon-Verbindungsdaten missbräuchlich genutzt habe. Vor rund zwei Wochen hatte die Telekom nach Angaben von Vorstandschef René Obermann Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Zuvor hatte "Der Spiegel" die Affäre ans Licht gebracht. (tos)