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Fast ganz am Boden - und jetzt?

Wolfgang van Kann17. Januar 2009

Mit den Australian Open in Melbourne beginnt das Jahr für die Profis jetzt erst so richtig. Für das deutsche Tennis könnte es eine wegweisende, wenn nicht sogar schicksalhafte Saison werden.

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Der 17 Jahre alte Boris Becker hält 1985 den Siegerpokal in Wimbledon in die Höhe. Quelle: ap
Das waren noch Zeiten ...Bild: AP

Nein, allzu viel sollte der geneigte Tennisfan von den Auftritten der deutschen Profis bei den Australian Open wirklich nicht erwarten. 20 Jahre nach dem dritten Wimbledonsieg von Boris Becker liegt das deutsche Tennis nämlich nahezu am Boden und scheint von einem weiteren Erfolg bei einem Grand Slam Turnier weiter entfernt zu sein, als jemals zuvor in der Profiära des Tennis.

Die deutschen Spitzenspieler – alt und krank

Rainer Schüttler schlägt bei den Olympischen Spielen in Peking einen Ball mit der eine Vorhand. Quelle: ap
Derzeit Deutschlands Bester - Rainer SchüttlerBild: AP

Vom deutschen Spitzenquartett bei den Männern – Tommy Haas, Nicolas Kiefer, Rainer Schüttler und Philipp Kohlschreiber – ist nur noch Kohlschreiber jünger als 30 Jahre. Der Blick auf die Weltrangliste zeigt, dass mit Rainer Schüttler auf Rang 31 ein Spieler bester Deutscher ist, der, bis auf seine Halbfinalteilnahme in Wimbledon im letzten Jahr, in den vergangenen fünf Jahren so gut wie nichts vorzuweisen hat. Und zu allem Übel gehen alle vier derzeit auch noch buchstäblich am Stock. Sie sind so verletzt, dass ein guter Auftritt geradezu ein Wunder wäre – wenn sie denn überhaupt in Melbourne antreten können. Nicolas Kiefer jedenfalls musste wegen eines doppelten Bänderrisses im rechten Sprunggelenk zwei Tage vor Beginn des Turniers absagen. Dahinter folgt eine zweite und dritte Garde deutscher Spieler, von denen der eine oder andere immer mal wieder mit positiven Ergebnissen auf sich aufmerksam macht, die bei den großen Turnieren aber meist sehr früh scheitern und nicht in der Lage sind, ein hohes Niveau dauerhaft zu halten. Und auch wenn man auf die jüngeren Jahrgänge schaut, drängt sich derzeit keiner als kommender neuer Topspieler auf.

Nur zwei Frauen – oder sogar nur eine?

Sabine Lisicki spielt beim Hopman Cup in Australien einen Ball mit der Rückhand. Quelle: dpa
Hoffnungsträgerin Sabine LisickiBild: picture-alliance / dpa

Bei den Frauen ist die Lage fast noch schlechter. Im Grunde gibt es nämlich nur zwei Spielerinnen, die erwähnenswert sind und dabei steht hinter einem Namen noch ein großes Fragezeichen. Lena Grönefeld hat theoretisch zwar sicherlich das Talent für einen Rang unter den Top 15, doch die Psyche spielt bei ihr häufig nicht mit. Abgestürzt in die Bedeutungslosigkeit, hatte sie 2007/2008 neun Monate ausgesetzt, ehe sie mit der Achtelfinalteilnahme bei den US Open endlich wieder einmal für positive Schlagzeilen sorgte. Danach folgten freilich wieder frühe Niederlagen in Serie. Wenigstens im Doppel gelangen ihr einige kleinere Turniersiege. Ob das für Melbourne reicht? So ruhen die deutschen Hoffnungen nun ganz auf der jungen Sabine Lisicki. Sie ist als 56. der Weltrangliste die schlechtplatzierteste deutsche Nummer eins seit Jahren. Mehr als ihr Talent, ihren Kampfgeist und eine Finalteilnahme in Taschkent kann sie nicht in die Waagschale werfen. Allerdings sehen Experten bei ihr noch viel Entwicklungspotential.

Turniersterben in Deutschland

Montage der derzeitigen Weltranglisten-Ersten Jelena Jankovic und Rafael Nadal
Jelena Jankovic und Rafael NadalBild: AP/DW

Dabei wären gerade jetzt Erfolge deutscher Tennisprofis wertvoller als jemals zuvor, droht der Turnierstandort Deutschland doch in der Versenkung zu verschwinden. Nachdem bereits die Turniere in Hamburg, Hannover und Leipzig die Segel gestrichen haben, droht nun auch den traditionsreichen German Open der Frauen in Berlin das Aus. Nach dem Rückzug des Hauptsponsors findet das Turnier in diesem Jahr nicht statt und für die Zukunft sieht es mehr als düster aus. Nicht viel besser ist es um die German Open der Männer in Hamburg bestellt. Das Turnier wurde von der Tennisorganisation ATP in der Wertigkeit herabgestuft, aber selbst die dadurch geringeren Organisationskosten sind für dieses Jahr noch nicht gedeckt. Darüber hinaus könnten im Streit über diese Herabstufung, den der Deutsche Tennisbund gegen die ATP verloren hat, Anwaltskosten in Höhe von 18 Millionen Dollar auf den DTB zukommen. Das würde nach Angaben des DTB-Präsidiums zwar nicht die vollständige Handlungsunfähigkeit des Verbands bedeuten, doch zumindest wäre jegliche Entwicklung im deutschen Tennis zunächst einmal gestoppt.

International ist Spannung und Klasse garantiert

Zwei Besucher sitzen bei den German Open der Frauen mit aufgespannten Regenschirmen auf der Tribüne des Center Courts in Berlin. Quelle: ap
Deutsche Tennisturniere stehen im RegenBild: AP

Das internationale Tennis bleibt davon natürlich unberührt. Auch 2009 wird uns bei den Männern der Zweikampf um die Nummer eins zwischen dem derzeitigen Topspieler Rafael Nadal aus Spanien und dem Schweizer Roger Federer wieder begeistern. Mit dem Serben Novak Djokovic, dem Schotten Andy Murray, den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga und Gilles Simon sowie dem Argentinier Juan Martin del Potro dürfte gleich eine Handvoll Spieler den beiden dicht auf die Pelle rücken und am Ende das Zünglein an der Waage sein. Bei den Frauen ist die Kandidatenschar für die Nummer eins noch größer. Die Zeiten, in denen eine Spielerin die Tenniswelt beherrschte, sind erst einmal vorbei. Das garantiert Spannung, wird seltsamerweise aber von vielen bedauert, obwohl in den vergangenen Jahren immer wieder über die Langeweile an der Spitze geklagt worden war. Mit der derzeitigen Nummer eins, Jelena Jankovic aus Serbien, ihrer Landsfrau Ana Ivanovic, den Williams-Schwestern aus den USA und einem halben Dutzend Russinnen machen sich gleich mehr als zehn Spielerinnen auf die Jagd. Und direkt dahinter scharren mit der Dänin Caroline Wozniacki oder der Polin Agnieszka Radwanska, um nur zwei zu nennen, auch schon die ganz jungen Spielerinnen kräftig mit den Füßen.