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Vom Waldboden lernen

Karin Jäger1. Oktober 2014

Tereno, heißt ein Projekt, das anhand von Wasser und Bodenqualität die Folgen des Klimawandels untersucht. Die Daten sind die Basis für Anpassungsstrategien in den jeweiligen Regionen.

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Fichtenwald (Foto: Martin Thum)
So nicht: Fichtenmonokulturen sind nicht gut für einen gesunden BodenBild: Fotolia/Martin Thum

Wald im Wandel

Im Herbst 2013 fielen die Fichten im Nationalpark Eifel. Eigentlich sollte dort die Natur sich selbst überlassen werden. Dennoch ließ das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Nadelbäume mitten im Nationalpark fällen – auf einer Fläche von 38 Fußballfeldern. Naturfreunde waren entsetzt.

Zurück zur Natur

Der Grund für die Rodungen: Die Nationalparkbetreiber wollen dem Wald Gelegenheit geben, so zu wachsen, wie er will, und nicht, wie Menschen es einmal vor Jahrzehnten geplant hatten. Das Ergebnis kann man an anderer Stelle in der Eifel sehen. Am Fuhrtsbach bei Monschau stehen Moorbirken, Zitterpappeln, Schwarzerlen und Vogelbeerbäume. Und im Frühjahr zieren Tausende wilder Narzissen das Tal.

Hier wurden schon vor einem Vierteljahrhundert die schnell wachsenden Fichten gefällt, die von Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg in Monokultur angepflanzt worden waren. Andere Arten als die schnell wachsenden, daher gewinnbringenden Fichten, konnten an diesen Stellen nicht mehr wachsen.

Wildwachsende Narzissen (Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)
Sind die Fichten weg, kommen auch wildwachsende NarzissenBild: Getty Images/P. Stollarz

"Die Überlegung, von den naturfernen Beständen zu einem naturnahen Laubmischwald zurück zu kommen, sind sehr sinnvoll", sagt Stefan Klotz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Dadurch kann sich die biologische Vielfalt im Nationalpark wieder entwickeln.

Um die langfristigen Veränderungen im Boden zu beobachten, haben die Forscher ein Netzwerk von Messsonden installiert. Sie möchten wissen, wie sich die Veränderungen im Wald auf die Wasserqualität und auf Gas-Austauschprozesse zwischen Boden und Atmosphäre auswirken. Sie erfassen meteorologische, bodenkundliche und hydrologische Daten in den unterschiedlichen Bodentypen.

Die Untersuchungen der Umwelt des Bodens gaben dem Projekt den Namen: Tereno ist die Abkürzung für TERrestrial ENviromental Observatories. Von einem Turm werden in 34 Meter Höhe die Verdunstung, die CO2-, und die Lachgas-Konzentration bestimmt - wichtige Parameter für den Klimawandel. Denn die Menge der der in den Wäldern gespeicherten Treibhausgase sind abhängig von den Umweltbedingungen.

Forschungs-Netzwerk als weltweites Vorbild

Insgesamt gibt es vier Tereno-Projekte in Deutschland, an denen interdisziplinär geforscht wird. Die Umweltbedingungen und die Besiedelung zwischen dem Nordostdeutschen Tiefland und der Zugspitze in den bayerischen Alpen sind nämlich höchst unterschiedlich.

Stefan Klotz Helmholtz-Institut in Halle/Saale - Bildtext: Dr. Stefan Klotz, Leiter Abteilung Umwelt Forschung am Helmholtz-Institut in Halle/ Saale. (Foto: André Kuenzelmann)
Stefan Klotz: Für naturnahe BewaldungBild: André Kuenzelmann

"Die Ursachen der Veränderungen können klarer herausgearbeitet werden, als bei anderen Projekten, denn viele ökologisch bedeutsame Aspekte werden untersucht", sagt Stefan Klotz, der sich als Biozönologe mit dem Zusammenwirken von Lebensgemeinschaften beschäftigt. Er beobachtet einen Schwund der Arten und, bedingt durch den globalen Austausch, eine Anpassung fremdländischer Populationen.

Dadurch werde der Bestand einheimischer Populationen zurückgedrängt, sagt er. In Deutschland ist zum Beispiel besonders der genetische Bestand der Schwarzpappel betroffen, durch ständige Einkreuzung des Laubbaums mit amerikanischen Arten. In Genbanken, aber auch durch naturnahe Lebensräume an der Mittelelbe und am Rhein kann der Erhalt der Schwarzpappel gesichert werden.

Um sich über Bodenfeuchte, Atmosphäre, Verdunstung, Vegetation, Artenvielfalt, Niederschläge und diverse Stoffflüsse zwischen Kohlenstoff und Stickstoff auszutauchen, haben sich nun 250 Geowissenschaftler in Bonn getroffen. Die deutschen Gastgeber vom Forschungszentrum Jülich, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und dem Helmholtz-Zentrum hoffen mit Tereno ein standardisiertes Verfahren zu entwickeln, damit Meßdaten weltweit vergleichbar werden.

Bodenprobenentnahme in der Eifel. (Foto: FZ Jülich/Ralf-Uwe Limbach)
Bodenuntersuchung für TerenoBild: FZ Jülich/Ralf-Uwe Limbach

Wie gut ist das Wasser?

Michael Rode vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung untersucht etwa die Gewässergüte: "Nährstoffe oder organische Schadstoffe gelangen aus der Landwirtschaft oder aus Siedlungen in Oberflächengewässer und Grundwässer. Hierdurch kann die Algenbildung angeregt werden." Durch die nachfolgende Mineralisation werde Sauerstoff reduziert. In Flachlandflüssen könne das zu Fischsterben führen, warnt Rode.

Die akuten Probleme seien bekannt, so der Bodenforscher. Langfristig wolle man ergründen, wie sich der Wasserhaushalt auf die Biodiversität auswirkt. Außerdem könne man mit Hilfe der Daten in Zukunft die Düngung von Feldern und die Intensität ihrer Nutzung intelligent steuern. Dazu müssen die Wissenschaftler die Fließwege des Wassers erforschen, um daraus Modelle zu entwickeln.

Erhebungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Niederschläge im flachen Nordosten Deutschlands zwischen 1900 und 2000 um 20 Prozent abnahmen. Im gleichen Zeitraum stiegen sie im bergigen und alpinen Süden und Südwesten um 50 Prozent an.

Über die Temperatur- und Niederschlagsänderungen hinaus fehlen allerdings Daten, die über einen längeren Zeitraum etwas über die Umweltprozesse im Boden aussagen. Sicher aber ist, dass mehr und mehr Landwirte ihre Agrarflächen künstlich bewässern müssen, sagt Harry Vereecken, Leiter des Bereichs Agrosphäre am Forschungszentrum Jülich.

Michael Rode - Umweltforscher am Helmholtz-Institut (UFZ) in Magdeburg (Foto: André Künzelmann (UFZ)
Michael Rode warnt vor starker Nährstoff-Einleitung in GewässerBild: A. Künzelmann

Von der Beobachtung zur Vorhersage

Die Forscher erwarten in den kommenden Jahrzehnten eine Zunahme von Hitzewellen, Trockenperioden und Stürmen. In einigen Regionen könne es zu Wassermangel kommen, in anderen zu Überschwemmungen. Durch Umweltschäden und eine intensive und nicht nachhaltige Bodennutzung komme es möglicherweise zur Bodendegradation - also einem Verlust von Nährstoffen, Versauerung und Entkalkung.

Tereno schafft Vorhersagemodelle, um derartige Auswirkungen langfristig abschätzen zu können. Erst dann können Vermeidungsstrategien entwickelt werden - was getan werden kann, um dem vorzubeugen. Das Projekt ist auf eine Periode von 17 Jahren angelegt. Das unterscheidet dieses Vorzeigeprojekt von anderen Maßnahmen, die meist für weniger als fünf Jahre Forschungsmittel erhalten.