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Terrorismus

Kooperation mit Hindernissen

21. Dezember 2016

Polizeiarbeit lebt von Informationen, speziell die Terrorbekämpfung. Der Austausch von Daten in der EU wird zwar vorangetrieben. Technische Hindernisse und juristische Fallstricke behindern die gemeinsame Terrorabwehr.

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Symbolbild - Polizei in Paris
Bild: Getty Images/AFP/Miguel Medina

Terrorismus ist ein transnationales Problem in einer globalisierten Welt. Das gilt besonders für den Terror des sogenannten lslamischen Staates, für den islamistischen Terror insgesamt, aber auch für andere Formen des Terrors von rechts und von links. Nationalstaatliche Antworten auf diese Bedrohung greifen zu kurz. Internationale Zusammenarbeit ist gefragt, vor allem innerhalb Europas – und da vor allem der Austausch von Daten. Aber: "In Europa haben wir zu viele Systeme, die nebeneinander stehen und nicht miteinander kompatibel sind", erklärt BKA-Präsident Holger Münch gegenüber der Deutschen Welle. In der aus polizeilicher Sicht wichtigsten Datenbank, dem Schengen-Informations-System, seien zum Beispiel biometrische Daten nicht abfragbar. "Da kann ich nicht nach Fingerabdrücken suchen", konkretisiert Deutschlands oberster Kriminalist. Michael Böhl vom Bund deutscher Kriminalbeamter fasst die Lage lakonisch so zusammen: " Es gibt keine DIN-Norm im Transfer der Daten, es gibt keine DIN-Norm der Informationen grundsätzlich". Immerhin erkennt Böhl an, dass die EU an der Verbesserung der Lage  arbeitet. Das ist auch aus Sicht des Bundesinnenministers dringend notwendig.

Bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes Mitte November erinnerte Thomas de Maizière an den Attentäter aus einem Asylbewerberheim im deutschen Recklinghausen, der Anfang Januar 2016 in Paris einen Polizisten mit einem Beil angegriffen hatte und daraufhin erschossen worden war. Der Mann war in ganz Europa mit mindestens sieben verschiedenen Identitäten registriert worden. Auch seine Fingerabdrücke hatte man mehrfach erhoben - ohne den Betrug zu erkennen. Das Flüchtlingsregistrierungssystem Eurodac zeige zwar an, wenn derselbe Fingerabdruck schon einmal in einem anderen EU-Land gespeichert worden sei, erläuterte de Maizière. "Es zeigt aber nicht an, unter welchem Namen der Fingerabdruck gespeichert wird. Eurodac erfasst diese Information nicht einmal".

Fingerabdrucklesegerät Deutschland und USA vereinbaren ein Abkommen zur Terrorbekämpfung
Es reicht nicht, Fingerabdrücke zu nehmen - die Daten müssen auch abrufbar seinBild: picture-alliance/Bildfunk

Europäisches Kerndatensystem

Deswegen macht sich Innenminister de Maizière auch für den Aufbau eines Europäischen Kerndatensystems stark. Statt Fingerabdrücke und Personaldaten in Systemen wie Eurodac, dem Visa-Informationssystem VIS oder dem Schengen-Informationssystem getrennt zu speichern und auszulesen, soll das künftig an einer Stelle geschehen – beziehungsweise: die verschiedenen Datentöpfe sollen über eine gemeinsame Schnittstelle zugänglich gemacht werden. Der Vorschlag wird derzeit von der EU-Kommission mit den Mitgliedstaaten erörtert, die Umsetzung kann also noch dauern.

Immerhin: 2017 soll damit begonnen werden, im Schengen-Informations-System Fingerabdrücke automatisiert abfragbar zu machen. Rund 50 Millionen Datensätze enthält das System: unerwünschte, vermisste oder zur Fahndung ausgeschriebene Personen sind dort gespeichert, aber auch Informationen über gestohlene Autos, Ausweise und Waffen. Allerdings bleibt auch mit Biometridaten ein Problem weiter bestehen. Bibi van Winkel vom International Centre for Counter Terrorism (ICCT) in Den Haag beschreibt es kurz und knapp so: "Nicht alle Mitgliedsstaaten teilen ihre Daten in gleichem Maße". Sicherheitsexpertin van Winkel verweist dabei auch auf das Anfang 2016 ins Leben gerufene European Counter Terrorism Centre (ECTC) bei Europol. Bislang hätten nur einige wenige Mitgliedsstaaten Liaison-Beamte zum ECTC entsandt. Dabei hätten das alle tun sollen, um die Zusammenarbeit und den Datenaustausch zu erleichtern. "Wenn jetzt einige Polizeien viel einbringen, dann aber beim Blick in die Dateien feststellen, dass außer ihren eigenen Informationen nichts drin ist, dann ist das nicht gerade ein starker Anreiz, sich dort weiter zu engagieren", kritisiert van Winkel.

Niederlande Europol Zentrale in Den Haag
Seit Januar 2016 beherbergt Europol das European Counter Terrorism CentreBild: picture-alliance/dpa/L.v. Lieshout

Bündel von Maßnahmen

Der Aufbau des European Counter Terrorism Centre mit seinen knapp 50 Mitarbeitern in Den Haag gehört zu einem ganzen Katalog von Maßnahmen, mit denen die Europäische Union auf die Terroranschläge in Paris, Brüssel, Nizza und auch in Deutschland reagiert hat. Dazu gehört auch die Fluggastdatenspeicherung: Bei Flügen über die Außengrenzen der Europäischen Union hinaus müssen die Fluggesellschaften die Daten der Reisenden an die zuständigen nationalen Behörden geben. Nach der Verabschiedung der Richtlinie haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, sie umzusetzen. Seit Mitte September hat die EU sogar einen speziellen Kommissar für die "Sicherheitsunion", Julian King. Der Brite hat den dezidierten Auftrag, den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus zu stärken. Doch abgesehen von seinem Vorhaben, die Außengrenzen der EU besser gegen einreisende Terroristen zu schützen, hat King bislang noch nicht viel von sich hören lassen. 

Flughafen Köln/Bonn Probe eines neues Systems bei Flughafen-Sicherheitskontrollen
Wer fliegt, wird künftig nicht nur durchleuchtet, auch seine Daten werden gespeichertBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

So sehr die Terroranschläge der letzten Jahre die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit aufgezeigt haben, so groß sind weiterhin die Hindernisse. Neben technischen Fragen, etwa wie man die verschiedenen Datentöpfe mit ihren unterschiedlichen Systemen kompatibel macht, treten auch Juristische: Die Zuständigkeiten von Polizeibehörden, Zollbehörden und Geheimdiensten sind in den Staaten Europas sehr unterschiedlich geregelt - und damit auch die Art der von ihnen gesammelten Informationen. Auch das führt zu einem schon lange vom Terrorismusforscher Peter Neumann kritisierten Missstand: Bislang gibt es keine einheitliche und allen europäischen Staaten zugängliche Datei, in der alle, die im Ausland kämpfen und alle Terrorverdächtigen abgespeichert sind.