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„Terrorismusbekämpfung mit Armeen funktioniert nicht“

9. August 2007

Im Interview mit DW-RADIO nimmt Uwe Halbach, Zentralasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Stellung zu den gemeinsamen Militärübungen zwischen China, Russland und zentralasiatischen Staaten.

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Chinesische Militärs bei Vorbereitungen zu gemeinsamen ManövernBild: AP

DW-RADIO/Russisch: Herr Halbach, russische Kommentatoren bewerten die aktuellen Manöver im Rahmen der Schanghai-Organisation als militärisch sinnlos. Teilen Sie diese Auffassung?

Uwe Halbach: Ich würde mich den russischen Analysten anschließen, was die Zweifel am militärischen Sinn der Manöver betrifft, und zwar aus einem entscheidenden Grund. Diese Manöver werden primär als Anti-Terrorismus-Manöver präsentiert in Zentralasien, im Raum der Schanghai-Organisation. Und hier stellt sich die Frage, ob man mit der Präsentation klassischer Waffengattungen, mit einem Manöver von 6.500 Soldaten aus Russland, China und den zentralasiatischen Mitgliedsstaaten, wirklich ernsthaft Terrorismusbekämpfung betreiben kann. Terrorismusbekämpfung ist nicht in erster Linie eine militärische Option. Ich glaube, es wird viel zu wenig im Raum der Schanghai-Organisation wahrgenommen, dass Terrorismusbekämpfung mit Armeen, mit Flugzeugen, mit Panzern, mit klassischen Waffengattungen letztlich nicht funktioniert.

In letzter Zeit entsteht der Eindruck, dass Russland der Schanghai-Organisation mehr Bedeutung beimisst – als Gegengewicht zur NATO. Wie sehen Sie das?

Uwe Halbach: Es ist auch in westlichen Darstellungen gelegentlich davon gesprochen worden, dass die Schanghai-Organisation gewissermaßen eine „NATO des Ostens“ sei. Sie ist aber von der Struktur der NATO noch relativ weit entfernt. Sie spielt sicherlich in der russischen Außen- und Sicherheitspolitik eine zunehmende Rolle und sie steht gewissermaßen für eine eurasische Richtung in der russischen Politik. Das bedeutet aber nicht die völlige Abwendung von der Kommunikation mit der NATO, bei aller kritischen Diskussion über die NATO in Russland. Insofern sehe ich keine scharfe Alternative im Sinne von totaler Abwendung von der euro-atlantischen Richtung in der russischen Außenpolitik hin zu einer ausschließlich eurasischen Richtung. Aber die Schanghai-Organisation ist in der Tat in den vergangenen zwei, drei Jahren zu einem zunehmenden Fixpunkt in der Außenpolitik Russlands und auch anderer GUS-Staaten, eben der zentralasiatischen Staaten geworden. Und dabei spielt Sicherheitspolitik eine ganz vorrangige Rolle.

Riskiert Russland damit nicht eine zunehmende Abhängigkeit von China?

Wenn es um die sicherheitspolitische Frage geht, sicherlich nicht. Russland ist in sicherheitspolitischer Hinsicht ganz gewiss nicht der Juniorpartner von China, sondern es ist einer der Hauptwaffenlieferanten an China. Wenn die Schanghai-Organisation zunehmend auch wirtschaftspolitische Züge annimmt – und das ist derzeit auch der Fall – dann wird langfristig sicherlich ein Konkurrenzverhältnis zwischen Russland und China in diesem Raum der Schanghai-Organisation stattfinden. Aber dass Russland Junior-Partner von China wird, sehe ich vorläufig noch nicht. Ich glaube eher, dass die zentralasiatischen Staaten zu Juniorpartnern der beiden großen, Russland und China, werden.

Das Interview führte Sergej Wilhelm

DW-RADIO/Russisch, 9.8.2007, Fokus Ost-Südost